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Ukraine: Wirtschaftliche Probleme, Konflikte mit Russland und ein verfrühter Kampf um die Präsidentschaft

з Nico Lange
Zu Beginn der neuen Sitzungsperiode nach der Sommerpause steht das ukrainische Parlament noch immer vor den gleichen Problemen wie schon vor Monaten. Während zuvor vor allem der verbissene Machtkonflikt zwischen Präsident Juschtschenko und Premierministerin Tymoschenko die ukrainische Politik blockierte, verhindert nunmehr die verfrühte Orientierung aller Politiker auf die Präsidentschaftswahlen im Januar 2010 eine konstruktive Arbeit. Zusätzlich zur angespannten Situation verschärfte der große Nachbar Russland im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen die außenpolitischen Auseinandersetzungen.

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Zu Beginn der neuen Sitzungsperiode nach der Sommerpause steht das ukrainische Parlament noch immer vor den gleichen Problemen wie schon vor Monaten. Während zuvor vor allem der verbissene Machtkonflikt zwischen Präsident Juschtschenko und Premierministerin Tymoschenko die ukrainische Politik blockierte, verhindert nunmehr die verfrühte Orientierung aller Politiker auf die Präsidentschaftswahlen im Januar 2010 eine konstruktive Arbeit. Zusätzlich zur angespannten Situation in Wirtschaft und Innenpolitik verschärfte der große Nachbar Russland im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen die außenpolitischen Auseinandersetzungen. Die Ukraine wird im Herbst und Winter 2009 vor schwierigen Herausforderungen stehen, die auch eine aktivere Unterstützung durch die Partner in der Europäischen Union erfordern werden.

Auch in der neuen Sitzungsperiode drängen weiter die alten Probleme

Der Beginn des neuen Sitzungszeitraums der Werchowna Rada nach der Sommerpause am 1. September 2009 war symptomatisch für die gesamte Legislaturperiode. Nach der Eröffnung der Plenarsitzung bestand die Partei der Regionen auf einer Abstimmung über einige Gesetze zur Erhöhung von Sozialleistungen. Als klar wurde, dass die Gesetzesvorhaben nicht auf die Tagesordnung gelangen würden, blockierten die Abgeordneten dieser Fraktion die Rednertribüne und der parlamentarische Betrieb wurde nach schon anderthalb Minuten wieder eingestellt. Dieses Schauspiel hatten die Parlamentarier zuvor bereits wochenlang aufgeführt, als immer wieder vermeintlich eilige Sondersitzungen einberufen wurden, die nach wenigen Minuten in Uneinigkeit über die Tagesordnung mit Blockaden der Tribüne endeten. Insgesamt arbeitete in der laufenden Legislaturperiode seit Ende 2007 der ukrainische Gesetzgeber kaum zusammenhängend und systematisch.

Folglich bleiben viele der drängenden Probleme in der Ukraine unverändert bestehen. Der Staatshaushalt des Jahres 2009 war unter unrealistischen makroökonomischen Annahmen aufgestellt worden und wird durch die anhaltende Finanzkrise, den Ausfall von Einnahmen durch Steuern und Zölle sowie die politische Weigerung, notwendige Einsparungen vorzunehmen, weiter extrem belastet. Renten- und Gesundheitssystem sind dringend reformbedürftig, Unternehmer und ausländische Investoren leiden an der schikanösen und mangelhaften Gesetzgebung und selbst für den Umgang mit der akuten Krise absolut notwendige Gesetzesvorhaben werden häufig nicht behandelt.

Die ukrainische Regierung mobilisiert Monat für Monat alle Kräfte und wendet selbst unorthodoxe Methoden an, um den Staatshaushalt zu retten und zu Monatsbeginn jeweils die Gaslieferungen der russischen Gasprom bezahlen zu können. Drastische Kürzungen und verspätete Auszahlungen der Gehälter für Staatsbedienstete sind an der Tagesordnung. Im äußersten Notfall sah sich die Regierung Tymoschenko bereits mehrfach zu Neuemissionen gezwungen. Das frisch gedruckte Geld wurde dabei direkt in Dollar umgetauscht, um die Gasrechnungen begleichen zu können. Inflation und Wechselkurs der Landeswährung Hrywnja wurden damit noch zusätzlich belastet.

Die ukrainische Hrywnja erlitt zuletzt einen weiteren empfindlichen Abschwung. Der Wechselkurs zum Euro hatte vor zwei Jahren noch etwa 7 Hrywnja betragen, zu Jahresbeginn 2009 etwa 10 Hrywnja und steht nunmehr bei ungefähr 12,50 Hrywnja für einen Euro.

Trotz der prekären Lage in der ukrainischen Wirtschaft und einem zu erwartenden weiteren Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2009 um etwa 10 Prozent gelang in Ansätzen eine Stabilisierung. Der frühzeitig im Oktober 2008 beantragte Stabilisierungskredit des Internationalen Währungsfonds spielt dabei eine Schlüsselrolle. Die ukrainische Seite erfüllte die in diesem Zusammenhang aufgestellte Forderung einer Flexibilisierung des Wechselkurses und sorgte mit Sondersteuern auf Alkohol, Tabak und Diesel für eine Entlastung des Staatshaushalts.

Ein zentraler kritischer Punkt bleibt jedoch die Weitergabe der realen Preise im Gasgeschäft an die Endverbraucher, zu der sich die Regierung Tymoschenko zwar rhetorisch bekannte, diese aber nicht durchsetzt. Die weitere Auszahlung des Stabilisierungskredits wie auch eine mögliche finanzielle Hilfe vonseiten der Europäischen Union im Energiesektor hängen ganz maßgeblich von der Erfüllung dieses Kriteriums ab. Aufgrund der drohenden erneuten Erhöhung des Haushaltsdefizits und anhaltender politischer Blockaden drohte der Internationale Währungsfonds Ende August öffentlich mit einem Abbruch der Zusammenarbeit.

Der lange Schatten der Präsidentschaftswahlen verhindert konstruktive Politik

Im Zeitraum von den vorgezogenen Neuwahlen des Parlaments im September 2007 bis zum Frühjahr 2009 lähmte vor allem der Konflikt zwischen Präsident Juschtschenko und Ministerpräsidentin Tymoschenko die Politik des Landes. Juschtschenko ließ die Regierungskoalition zwischen den Parteien der beiden ehemaligen politischen Partner im Herbst 2008 aufkündigen. Trotz der späteren Neuauflage der Koalition verfügte die Regierung Tymoschenko danach zu keinem Zeitpunkt mehr über eine echte Mehrheit im Parlament und ist seitdem nur noch eingeschränkt handlungsfähig. Seit Monaten muss Julija Tymoschenko im Kabinett zudem bereits ohne Außenminister, Finanzminister, Transportminister und Verteidigungsminister auskommen, die jeweils von ihr selbst oder der Opposition aus dem Amt gedrängt worden waren.

Nachdem kurzzeitig der Block Tymoschenko und die Partei der Regionen erfolglos über eine neue Regierungskoalition verhandelten, scheint nunmehr kein politischer Wille mehr zu bestehen, bis zu den Präsidentschaftswahlen am 17. Januar 2010 eine stabile Mehrheit zu formieren. Vor diesem Hintergrund lassen sich auch die seltsamen Sondersitzungen und Blockaden des Parlaments erklären. Die ukrainische Werchowna Rada ist zu einer Schaukampfbühne für den Präsidentschaftswahlkampf geworden, auf der die Parteien versuchen, mit kategorischen Forderungen nach Erhöhungen von Sozialleistungen beim Wähler zu punkten und die jeweilige Gegenseite öffentlich zu diskreditieren. In althergebrachter Manier dreht sich dabei alles um Besserstellung der Rentner, geringe Nebenkosten für Wohnungen, niedrige Energiepreise und die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns. Eine tatsächliche Realisierung dieser Vorhaben scheint vor dem Hintergrund der beschriebenen Haushaltslage jedoch ausgeschlossen und stünde diametral im Gegensatz zu den Kriterien für die weitere Auszahlung des noch immer überlebenswichtigen Kredits durch den Internationalen Währungsfonds.

Kein ukrainischer Politiker brachte in der Finanz- und Wirtschaftskrise den Mut auf, den Bürgern die reale Situation des Landes offen darzustellen und eine mittelfristige Perspektive für neues Wachstum durch systematische Reformen anzustreben. Die Regierung hält die amtlichen Statistiken zu wesentlichen makroökonomischen Indikatoren sogar seit Monaten unter Verschluss. Politiker aller Parteien verschleiern bewusst die reale Situation in Wirtschaft, Bankensystem und Staatshaushalt. Offenbar traut die politische Klasse der Ukraine den Bürgern eine Einsicht in die Notwendigkeit von Ausgabenkürzungen und Reformen nicht zu. Insbesondere Ministerpräsidentin Tymoschenko muss sich das in der laufenden Amtszeit als großes Versäumnis ankreiden lassen. Sie wird damit zum Opfer ihrer eigenen populistischen Wahlversprechen, ihres kurzfristigen und rein taktischen Politikstils sowie der Unfähigkeit der parlamentarischen Fraktionen, sich auf eine arbeitsfähige Mehrheitskoalition zu einigen.

Die Kandidaten stilisieren sich selbst und vermeiden konkrete politische Aussagen

Die Sachthemen für die ukrainische Politik liegen seit langer Zeit auf der Hand. Von entscheidender Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit des Landes sind Reformen im Energiesektor, die Modernisierung der defizitären Renten- und Gesundheitssysteme, die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und ausländische Direktinvestitionen sowie die Bekämpfung der überbordenden Korruption. Der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die Europäische Union lenken die Aufmerksamkeit der ukrainischen Politik immer wieder auf diese Themen. Die ukrainischen Politiker bleiben dennoch in der Logik rein taktischer Manöver im Machtkampf gefangen und fokussieren sich allein auf die beginnende Kampagne zu den Präsidentschaftswahlen.

Premierministerin Julija Tymoschenko inszeniert sich dabei selbst seit geraumer Zeit als alleinkämpfende Heroin, die durch den Präsidenten und die Opposition an der Durchsetzung ihrer Politik gehindert wird. In aktionistischer Manier ordnet sie öffentlich Urlaubsverzicht für die Kabinettsmitglieder an und arbeitet häufig demonstrativ bis spät in die Nacht und bis zur physischen Erschöpfung, ohne dabei jedoch signifikante politische Fortschritte zu erreichen. Zuletzt ließ Tymoschenko die Hauptstadt sogar mit riesigen Bannern mit dem Text „Die Anderen reden – Sie arbeitet“ plakatieren. Es bleibt abzuwarten, ob es Tymoschenko mit dieser Kampagne gelingen wird, die aktuell geringen Zustimmungswerte von etwa 14 Prozent wieder zu steigern.

Ihr einstiger Mitstreiter und jetziger Widersacher Präsident Juschtschenko tritt in den vergangenen Wochen dagegen vor allem als staatsmännischer Visionär auf. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass Juschtschenko gerade jetzt seine vorher vielfach unglücklichen öffentlichen Auftritte besser gelingen. Vor dem Hintergrund der extrem niedrigen Zustimmungsrate von drei Prozent und minimalen Chancen einer Wiederwahl scheint Juschtschenko befreit vom politischen Kleinkrieg wieder auf der Grundlage seiner festen Überzeugungen und Wertgrundlagen zu sprechen. Mit seinen Vorstellungen zur Nationalen Identität der Ukraine, der Verankerung des Landes im Westen sowie der langfristigen Festigung von Demokratie und liberalem Wirtschaftssystem entwickelt Juschtschenko als einziger der Präsidentschaftskandidaten eine Programmatik im Rahmen der verfassungsmäßigen Kompetenzen des Präsidentenamtes. Die anderen Bewerber bewegen sich mit sozialpolitischen Aussagen und vagen wirtschaftspolitischen Leitsprüchen mit ihren Kampagnen vor allem im Kompetenzfeld der Regierung und könnten ihre Versprechen als Präsident im Rahmen der bestehenden Verfassungsordnung daher unmöglich einlösen.

Der Vorsitzende der Partei der Regionen und Oppositionsführer Wiktor Janukowytsch wirkte im Vorwahlkampf bisher blass und unauffällig. Die von ihm zu Jahresbeginn vollmundig angedrohten Proteste und landesweiten Massenerhebungen blieben vollständig aus. Scheinbar hat das Lavieren Janukowytschs um eine mögliche Koalition mit Tymoschenko ihm bei den Stammwählern seiner Partei im Osten des Landes geschadet. Möglicherweise kann Janukowytsch sich dennoch weiterhin mit einer passiven Rolle begnügen, da er von der Schwäche der anderen Kandidaten profitiert und mit Zustimmungsraten von 22 Prozent derzeit in der Wählergunst vorne liegt.

Die arrivierten Kandidaten Tymoschenko, Juschtschenko und Janukowytsch sehen sich bei den Präsidentschaftswahlen derzeit vor allem den jüngeren Herausforderern Arsenij Jazenjuk und Serhij Tihipko gegenüber. Der ehemalige Parlamentspräsident und Ex-Außenminister Jazenjuk gibt sich dabei als jugendlicher Retter des Landes mit Plakaten und Werbeständen im martialischen Flecktarn-Design. Mit seiner offenbar auf Jugendliche und Erstwähler zielenden Kampagne versucht er, von den stetig sinkenden Zustimmungswerten der anderen Kandidaten zu profitieren. Bisher lieferte er zu nebulösen Leitsprüchen wie „Das Land retten“ oder „Die Ukraine neu industrialisieren“ jedoch kaum inhaltliche Substanz. Jazenjuks schneller Beliebtheitssprung auf etwa 11 Prozent könnte sich in den Monaten bis zum Wahltag als Strohfeuer erweisen.

Der Ex-Bankier Serhij Tihipko konzentriert sich mit seiner intensiven Vorwahlkampagne vor allem auf Fragen der Wirtschaftspolitik, des Außenhandels und der Korruptionsbekämpfung. Tihipko beschwört „Pragmatismus“, ohne dieses Schlagwort bisher inhaltlich füllen zu können. Die Vermutung liegt nahe, dass der ehemalige Nationalbankchef es nicht wirklich auf das Präsidentenamt abgesehen hat, sondern sich mit einer Selbstpräsentation als sachverständiger Wirtschafts- und Finanzpolitiker für ein Ministeramt oder gar als Regierungschef im Falle des Wahlsiegs eines anderen Kandidaten positionieren will. Seine Zustimmung liegt derzeit bei knapp drei Prozent.

Die ukrainische Gesellschaft und die Arbeitsebene in Politik und Verwaltung haben sich auf die Dauerkrisen eingestellt

Vor dem geschilderten Hintergrund der politischen Dauerkrise ist es bemerkenswert, dass das gesellschaftliche und administrative Leben in der Ukraine dennoch funktioniert. Noch vor einiger Zeit durchdrangen die Machtkonflikte zwischen den führenden Protagonisten bis in die letzte Instanz alle sachlichen Entscheidungen. Mittlerweile etablierte sich jedoch unterhalb der Kiewer Spitzenpolitik, von der sich viele Mitarbeiter von Fachministerien sowie Bürger und Verwaltungsbeamte ermüdet zeigen, eine Arbeitsebene, die unter den widrigen Umständen den Betrieb aufrecht erhält und sich bemüht, die täglichen Fragen des realen Lebens anzupacken. Dies trifft beispielsweise auch auf das seit Monaten führungslose Außenministerium zu, das die Verhandlungen mit der Europäischen Union um politische Assoziierung und Freihandelsabkommen professionell weiterführt und damit eine solide Grundlage für den EU-Ukraine-Gipfel am 4. Dezember 2009 legt.

Die ukrainische Öffentlichkeit zeigt sich indes an öffentlichen Streit, lautstarken Pluralismus politischer Meinungen und teilweise heftige rhetorische Attacken gewöhnt. Trotz politischer Blockaden und erheblicher wirtschaftlicher und finanzieller Probleme herrschen in der Ukraine weiterhin ein gesellschaftliches Klima der Toleranz und politische Freiheit. Die ukrainischen Politiker streiten zwar mit allen Mitteln um die Macht, sind aber auch gezwungen, sich an den Interessen der Wähler zu orientieren und sich öffentlich zu rechtfertigen. Der Ausgang der aller Voraussicht nach freien und fairen Präsidentschaftswahlen zu Jahresbeginn 2010 ist völlig offen. Auch die vielfach befürchteten Forderungen der Bürger nach einer sogenannten „starken Hand“ in der Politik blieben bisher aus.

Zum 18. Unabhängigkeitstag wird die ukrainische Souveränität offen in Frage gestellt

Am 24. August beging die Ukraine den 18. Jahrestag ihrer staatlichen Unabhängigkeit. Trotz der lang anhaltenden innenpolitischen Probleme und vieler Krisen kann das Land insgesamt auf eine beachtliche Entwicklung zu Pluralismus, Demokratie und wirtschaftlichem Aufschwung zurückblicken. Es ist außerdem zu konstatieren, dass der wirtschaftliche Niedergang während der weltweiten Krise in der Ukraine kaum schlimmer ausfällt als zum Beispiel in der Russischen Föderation, wo insbesondere der ukrainische We g der vergangenen Jahre immer wieder als Schreckensbild dargestellt wird.

Während der Sommermonate setzte Russland die Ukraine erneut stark unter Druck. Dabei nutze vor allem die Gasprom den für die Ukraine unvorteilhaften Vertrag über Gaslieferungen als Instrument, um mit intensiver öffentlicher Diplomatie und Spekulationen über eine vermeintliche Zahlungsunfähigkeit die Ukraine im Westen zu diskreditieren. Die ukrainische Seite beglich bisher jedoch alle Rechnungen vertragsgemäß und lieferte formell keinen Anlass zu Sanktionen.

Der Moskauer Patriarch Kirill I. bezeichnete während eines langen Besuches in der Ukraine Anfang August die durch die Russisch Orthodoxe Kirche nicht anerkannte Ukrainische Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats in einer Weise als „Irrgläubige und Abtrünnige“, die bei vielen Ukrainern den Eindruck erweckte, als wäre auch die staatliche Unabhängkeit der Ukraine ein religiöser Irrweg. Der Besuch Kirills I. wurde zudem von schrillen Kommentaren russischer Politiker aus der zweiten Reihe begleitet, die kaum einen Zweifel daran ließen, dass sie die staatliche Eigenständigkeit der Ukraine auch nach 18 Jahren nicht akzeptieren.

Zuletzt ging dann am Jahrestag des Kriegsbeginns zwischen Russland und Georgien ein trotz der seit Jahren angespannten Beziehungen ungewöhnlich schroffer öffentlicher Brief des russischen Präsidenten Medwedjew an seinen ukrainischen Amtskollegen Juschtschenko ein. Der russische Präsident begründete darin die Nichternennung eines Nachfolgers für den abberufenen Botschafter Wiktor Tschernomyrdin mit weitreichenden Anschuldigungen gegen die Ukraine.

Der Brief Medwedjews erweckt den Eindruck, dass Russland trotz der negativen Erfahrungen im Vorfeld der Orangen Revolution des Herbstes 2004 die ukrainischen Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr zu beeinflussen sucht. Der russische Präsident thematisiert die Fragen der NATO, der russischen Sprache und der orthodoxen Kirche weitgehend im Einklang mit den typischen Positionen der Partei der Regionen von Wiktor Janukowytsch, der schon 2004 durch den damaligen russischen Präsidenten Putin demonstrativ unterstützt worden war. Fünf Jahre danach sind diese Themen durch die abwartende Haltung der NATO selbst und die krisenhaften Entwicklungen in der Wirtschaft jedoch in der Prioritätenliste der Ukrainer deutlich in den Hintergrund getreten.

Die ukrainisch-russischen Beziehungen benötigen sehr dringend positive Impulse. Möglicherweise kann das Treffen zwischen Julija Tymoschenko und Wladimir Putin am 1. September 2009 in Gdansk als ein erster kleiner Schritt der Annäherung gesehen werden. Die beiden Regierungschefs entschärften einen wesentlichen Streitpunkt im Gasgeschäft. Die Ukraine muss statt fester Volumen ab sofort bei der Gasprom nur noch die Mengen an Gas abnehmen, die sie tatsächlich verbraucht. Das von Putin und Tymoschenko stark forcierte Projekt des gemeinsamen Baus des Transportflugzeugs Antonow AN-70 könnte für Wirtschaft und Technologie beider Länder höchst bedeutsam werden und einen Grundstein für die Erneuerung praktischer Wirtschaftsbeziehungen legen.

Schwierige Herausforderungen erfordern auch Unterstützung durch die EU

Der Ausblick auf die kommenden Monate zeichnet für die Ukraine ein schwieriges Bild. Die Gaslieferungen und der Staatshaushalt werden Dauerthemen bleiben. Sollte die Ukraine nicht gewillt sein, die Kriterien für die Auszahlung der weiteren Kreditraten des Internationalen Währungsfonds einzuhalten, hätte das enorme negative Auswirkungen. Aufgrund der Nichterfüllung der Verpflichtungen durch die Ukraine zeigt sich auch die Europäische Union bisher kaum bereit, Kredite für den ukrainischen Energiesektor bereitzustellen. Eine erneute Eskalation des ukrainisch-russischen Gaskonflikts zum Jahreswechsel ist nicht auszuschließen.

Erschwerend kommt hinzu, dass im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen der Ton der politischen Auseinandersetzungen in Kiew sicher noch verschärft werden wird. Neben parlamentarischen Blockaden sind auch juristische Auseinandersetzungen über Änderungen zum Wahlgesetz und eine Verfassungsinitiative des Präsidenten zu erwarten.

Die innenpolitische Situation in der Ukraine gibt für die Partner in Deutschland und der Europäischen Union viel Anlass zu Kritik. Die seit Jahren zu verzeichnende Instabilität und ein Mangel an Verlässlichkeit und Berechenbarkeit auf der ukrainischen Seite führten vielfach zu verständlichen Frustrationen. Dies sollte aber nicht als Vorwand genutzt werden, um den politischen Dialog gänzlich zu verweigern, zumal eine echte innenpolitische Stabilisierung auch nach den Präsidentschaftswahlen kaum zu erwarten ist.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise verschärfte viele der ukrainischen Probleme, eröffnet jedoch auch erhebliche Einflussmöglichkeiten von Außen. Die Konditionierung des Stabilisierungskredites des Internationalen Währungsfonds und die dadurch zumindest in Teilen erfolgreichen angeregten Reformen sind dafür Beispiele. Deutschland und die Europäische Union hätten derzeit mit einer Intensivierung des Dialogs und einer klar konditionierten Herangehensweise an eine Unterstützung der Ukraine gute Chancen, positiv auf die Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft einzuwirken.

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