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Veranstaltungsberichte

„Ich habe immer wieder meine Hände betrachtet und gedacht: Ich habe mit diesen Händen nichts getan!“-Zeitzeugengespräch

von Andreas Samuel Bösche, David Hepp

KAS Bremen zeigt Ausstellung „DDR-Stasi – Spitzel von nebenan“ im Gymnasium Ottersberg

Im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung zur Ausstellung „DDR-Stasi – Spitzel von nebenan“ im Gymnasium Ottersberg lud die KAS Bremen die Zeitzeugin Catharina Mäge ein, mehreren Schulklassen von ihrem Aufwachsen im „real existierenden Sozialismus“, ihren Erfahrungen als Untersuchungshäftling der Staatssicherheit und der Zeit im berüchtigten DDR-Frauengefängnis Hoheneck zu berichten.

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KAS-Mitarbeiter Andreas Bösche gab zunächst anhand der in der Aula der Schule aufgestellten Schautafeln einen Überblick über die verschiedenen Aspekte des „Ministeriums für Staatssicherheit“ (MfS), darunter dessen Funktion als ausführendes Organ der SED („Schild und Schwert der Partei“), seine Organisationsstruktur und das Selbstverständnis seiner Mitarbeiter als „Genossen erster Kategorie“ (Wilhelm Zaisser). Zudem ging er auf die leidvollen Geschichten der Opfer der Stasi ein.

Im Folgenden berichtete Frau Catharina Mäge von ihrem geplanten Fluchtversuch, durch den sie in die Fänge des MfS und des Justizapparats der SED-Diktatur geriet. Warum wollte Mäge die DDR verlassen? Schon in ihrer Schulzeit erlebte sie „ihren“ Staat als eine Zwangsgemeinschaft, in der jeglicher Drang nach individueller Entfaltung dem Primat des Kollektivs untergeordnet wurde. Auch ihr zukünftiger Mann lernte während des Wehrdienstes bei den Grenztruppen das menschenverachtende Wesen der DDR in seiner schonungslosen Realität kennen.

Spätestens Mitte der 70er Jahre war Mäge klar: „In dem Land will ich nicht mehr leben!“ Mit 19 Jahren schließt sie sich einer Gruppe an, die die innerdeutsche Grenze im Kofferraum eines von Fluchthelfern gesteuerten westdeutschen PKWs unbemerkt überwinden will: „Ein völliger Bruch mit meinem bisherigen Leben!“, merkt Mäge zu ihrer Entscheidung das Land zu verlassen an. Die Gruppe muss ob ihrer Größe auf zwei Autos aufgeteilt werden und soll die DDR an verschiedenen Zeitpunkten verlassen; Mäge ist für die zweite Tour vorgesehen. Doch bereits die erste Flucht misslingt, die Freunde werden verhaftet und von der Staatssicherheit nach „Komplizen“ befragt. Kaum „48 Stunden später“ wird Mäge von Mitarbeitern des MfS an ihrem Arbeitsplatz aufgegriffen und „zur Klärung eines Sachverhalts“ abgeführt. Es beginnt eine viermonatige Tortur in der MfS-Untersuchungshaftanstalt Dresden: Ein Geständnis soll durch Isolation, Schlafentzug und eine entwürdigende Behandlung zwangsweise herbeigeführt werden. Ein Fluchtversuch ist Mäge nicht nachzuweisen. Doch das „Wissen und Wollen“ genügt der Staatssicherheit bereits. Mäge gibt zu, jede Möglichkeit ergreifen zu wollen, um die DDR zu verlassen, das reicht für eine Anklage. Bei ihrer Verhandlung im Bezirksgericht Dresden steht das Urteil von Beginn an fest: Der „staatsfeindlichen Verbindungsaufnahme” und der “gewollten und geplanten Republikflucht” beschuldigt, wird sie zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten im Frauengefängnis Hoheneck verurteilt. Als politische Gefangene sitzt die junge Erwachsene ein Jahr unter Schwerstkriminellen ab. Das Urteil hat sie zur Verbrecherin gemacht, darüber muss sie bis zu ihrem Freikauf durch die Bundesrepublik ständig nachdenken: „Ich habe immer wieder meine Hände betrachtet und gedacht: Ich habe mit diesen Händen nichts getan!“

Während ihres Vortrags suchte Mäge regelmäßig den Kontakt zu den anwesenden SchülerInnen und band sie durch direkte Ansprachen in ihren spannenden und anrührenden Vortrag ein. In der anschließenden Fragerunde interessierte die SchülerInnen besonders der von Einsamkeit und Isolation geprägte Gefängnisalltag. Dazu Mäge: „Fast die ganze Zeit war ich allein in der Zelle. Was das mit einem macht, kann ich Ihnen nicht richtig beschreiben.“

Mäges Entrüstung darüber, dass sie der SED-Staat zur Verbrecherin erklärte, war während ihres Vortrags immer wieder zu spüren. „Sie können zu Hause erzählen, dass sie heute eine Staatsverbrecherin gesehen haben“, bemerkte sie mit ironischem Unterton. In diesem Zusammenhang kam Mäge auch noch einmal auf die Inhalte der KAS-Ausstellung zu sprechen und schloss mit einem beeindruckenden Plädoyer gegen das Vergessen des DDR-Unrechts: „Diese Bilder hinter mir: das war Alltag!“, betonte sie.

Die Ausstellung „DDR-Stasi – Spitzel von nebenan“ ist noch bis zum 26. Februar 2015 im Gymnasium Ottersberg zu sehen.

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Kontakt

Dr. Ralf Altenhof

Dr

Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Bremen

ralf.altenhof@kas.de +49 421 163009-0 +49 421 163009-9
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