Johannes Weberling: 30 Jahre RCDS, in: 30 Jahre RCDS. 30 Jahre Einsatz für Meinungspluralismus, Studentische Interessenvertretung, Menschenrechte überall, S. V.)
Gründung: Für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte
Die Entstehungsgeschichte der Union fand in der Bildung christlich-demokratischer Studentengruppen ihr Pendant in den Hochschulen. Programmatischer Kerngedanke ist das christliche Menschenbild. Es geht von der unveräußerlichen Würde, der Gleichwertigkeit, Verschiedenheit und Unvollkommenheit des Menschen aus. Aus letzterem folgt, dass menschliche Erkenntnisse nicht als sicher und endgültig betrachtet werden können und daher alle politischen und wissenschaftlichen Absolutheitsansprüche abzulehnen sind. Im Mittelpunkt steht der einzelne Mensch, das Individuum, nicht das marxistische Kollektiv.
Die offizielle Gründung des RCDS ist auf das Wochenende der ersten Bundesdelegiertenversammlung vom 25. bis 27. August 1951 in Bonn zu datieren. Doch die ersten christlich-demokratischen Hochschulgruppen entstanden bereits 1945, kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, vorneweg im Oktober an der Friedrich-Schiller-Universität zu Jena, aber auch in Berlin, Leipzig, Halle, Rostock. Seit 1946 folgten Gründungen in der amerikanischen (München, Würzburg, Erlangen, Eichstätt, Heidelberg, Stuttgart, Marburg), der britischen (Bonn, Köln, Münster, Göttingen, Aachen) und ab 1949 in der französischen Zone (Freiburg, Mainz).
In der sowjetischen Besatzungszone entwickelten sich die Hochschulgruppen rasch zu Zentren des Widerstands gegen die Hochschulpolitik der SED. Mit Verhaftungswellen und der Durchsetzung der Freien Deutschen Jugend als alleinige Interessenvertretung waren auch die Studentenräte in der DDR abgeschafft, und die Gruppen konzentrierten ihre Arbeit zunehmend auf die Bundesrepublik Deutschland und Berlin. Zahlreiche aus der SBZ bzw. DDR geflohene Mitglieder gründeten dort neue Hochschulgruppen.
(Konrad Kraske: Verantwortung für die Freiheit, in: 40 Jahre Bundesverband Ring Christlich-Demokratischer Studenten, Bonn 1991, S. 4.)
Die Kräfte bündeln sich
Am 20. Januar 1947 war in Königstein im Taunus die Junge Union auf Bundesebene gegründet worden. Seitens der studentischen Initiativen gab es vom 7. bis 10. März 1947 bei einer Tagung in Marburg den Versuch, den „Arbeitsausschuss der Studenten der Union Deutschlands“ ins Leben zu rufen mit dem Ziel, die Arbeit in studentischen Kreisen im Sinne des christlich-demokratischen Gedankenguts sowie die Koordinierung auf gesamtdeutscher Ebene zu übernehmen. Anwesend waren Vertreter aus Jena, Leipzig, Marburg, Münster, Bonn, Köln, Kiel, Göttingen, Heidelberg, Würzburg, Erlangen, München und möglicherweise Rostock und Berlin. Doch die Forderung mancher Hochschulringe nach strikter parteipolitischer Unabhängigkeit bzw. der gegenteilige, insbesondere in Bayern vorgetragene Anspruch, einen unionsnahen gesamtdeutschen Studentenverband zu gründen sowie die unterschiedlichen Organisationsstrukturen und nicht zuletzt die schwierige politische Betätigung in der SBZ ließen das Vorhaben zunächst scheitern.
Ab Mai 1948 entwickelte sich aus dem Kreis ein Netzwerk zwischen dem Christlich-Demokratischen Hochschulring (CDH) an der Philips-Universität zu Marburg/Lahn und dem CDH an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. So sollte in kleinerem Rahmen ein Ersatz für den nicht zustande gekommenen gesamtdeutschen Zusammenschluss geschaffen werden. Die weiterhin ausbleibende Konzentration der studentischen Kräfte veranlasste wiederum die Junge Union zum Beschluss vom 27./28. Januar 1951, die Arbeit an den Hochschulen wieder zu aktivieren. Daraufhin tagte am 23./24. Februar 1951 in Bonn eine „Konferenz christlich-demokratischer Studenten“. Vertreter aus Bonn und Köln beschlossen den Zusammenschluss der „christlich-demokratischen Hochschulringe“ sowie der „Studentengruppen der Jungen Union“ und weiterer Arbeitsgemeinschaften zum „Bund Christlich-Demokratischer Studenten Deutschlands“ (BCDS). Gleichzeitig wurde die Einrichtung eines vorläufigen Vorstands („Ausschuss“) und die Einberufung einer Konferenz Christlich-Demokratischer Studenten zum Anfang des Sommersemesters 1951 beschlossen.
Erleichtert wurde die Gründung durch finanzielle Mittel für politische Studentengruppen aus dem Bundesjugendplan. Eine Delegation des RCDS beteiligte sich an der Gründung des „Ringes freier und politischer Studentengruppen und Gemeinschaften“ am 24. Februar 1951 in Bonn. Anfang Mai zählte der „Bund christlich-demokratischer Studenten Deutschlands“ im gesamten Bundesgebiet und in Westberlin sechs Gruppen.
1. Delegiertenversammlung
Die erste ordentliche Delegiertenversammlung, die so genannte „erste Bundesarbeitstagung“ fand vom 25. bis 27. August 1951 im Bundeshaus in Bonn statt. Hier schlossen sich die 20 föderal gegründeten westdeutschen und Berliner Gruppen zusammen: Berlin (FU, TU, DHfP), Bonn, Braunschweig, Clausthal-Zellerfeld, Erlangen, Frankfurt, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Heidelberg, Karlsruhe, Köln, Mainz, Marburg, München, Münster, Stuttgart und Würzburg. Sie gaben dem Verband eine Ordnung – und einen neuen Namen: „Ring Christlich-Demokratischer Studenten“. Erster Bundesvorsitzender wurde Fritz Flick (Bonn), sein Stellvertreter Ernst Benda (Berlin). In das „Bundeskuratorium des RCDS“ wurden Ernst Majonica, Kurt-Georg Kiesinger, Friedrich-August von der Heydte und Ernst Bach berufen.
Programmatische Schärfung durch „68“
Mit den „Leitsätzen des RCDS zur Hochschulreform und Studienförderung“ verabschiedete der RCDS 1957 sein erstes Grundsatzprogramm. Doch seine politische Schlagkraft gestaltete sich weiterhin schwierig. Die Studenten hatten kein Interesse an „Parteipolitik“, die konservativen Interessenten und potentiellen Wähler wurden mehrheitlich von vorwiegend katholischen Studentenverbindungen, -gemeinden und Fachschaften repräsentiert. Erst als ab Mitte der 1960er Jahre die Universitäten in den Mittelpunkt ideologischer Auseinandersetzungen gerieten, gewann der RCDS in den Studentenparlamenten an Einfluss, wurde im Rahmen der Studentenbewegung schließlich Zielscheibe und Kristallisationspunkt. Der RCDS wurde zum Gegenspieler des neomarxistischen Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS), dem Wortführer der Protestbewegung und der außerparlamentarischen Opposition. Dieser profilierte sich durch mediengerecht inszenierte Demonstrationen und Sit-Ins. Auch der moskautreue Marxistische Studentenbund (MSB) Spartakus dominierte viele Studentenparlamente. Maoistische K-Gruppen nutzten Hochschulen als Operationsbasis und die terroristische RAF fand hier manchen Sympathisanten.
- Leitsätze des RCDS zur Hochschulreform und Studienförderung, 1957. (pdf)
- 39 Thesen zur Reform und zu den Zukunftsaufgaben deutscher Politik. (pdf)
- "eine Linie". (pdf)
- Der RCDS - ein politischer Studentenverband, von Wulf Schönbohm, Bundesvorsitzender. (pdf)
- Broschüre: RCDS - entschieden demokratisch. Geschichte, Programm und Politik, 1971. (pdf)
„Für mich war zum Beispiel der letzte Anstoß, 1965 im RCDS an der Freien Universität Berlin aktiv zu werden, die Arroganz, mit der die SDS-Vertreter ihre alleinseeligmachenden Theorien verkündeten und die Intoleranz, mit der sie politisch Andersdenkende behandelten. Wer einmal in einer Versammlung von der vereinigten Linken niedergeschrien und mundtot gemacht worden war, weil er es gewagt hatte, ihr zu widersprechen, der wußte, was der SDS in Wirklichkeit unter Demokratie verstand.
Der Abqualifizierung des demokratischen Rechtsstaates als faschistischen Staat, der überzogenen Agitation gegen die Notstandsgesetze, gegen das amerikanische Engagement in Vietnam oder die Springer-Presse und das Großkapital sind wir entgegengetreten. Aber unsere reformistische Argumentation war dem revolutionären und moralischen Pathos des SDS hoffnungslos unterlegen. Trotzdem haben wir dies als eine vorrangig politische Aufgabe des RCDS angesehen: die fundierte kritische Auseinandersetzung mit den Theorien und politischen Forderungen des SDS.“
(Wulf Schönbohm: 1968, in: 40 Jahre Bundesverband Ring Christlich-Demokratischer Studenten, Bonn 1991, S. 22f.)
(Wulf Schönbohm: 1968, in: 40 Jahre Bundesverband Ring Christlich-Demokratischer Studenten, Bonn 1991, S. 31.)
„Im RCDS haben sich demokratische Studenten zusammengeschlossen, um studentische Interessen in Hochschule und Gesellschaft wirksam zu vertreten und politische Konzeptionen zur Gestaltung einer offenen solidarischen Gesellschaft zu entwickeln. ... Aufgrund der Übereinstimmungen in den wesentlichen politischen Grundwerten ist der Hauptansprechpartner unter den Parteien die CDU bzw. die CSU.“
Mit der Union ist der RCDS-Bundesverband in den Grundpositionen verbunden, jedoch organisatorisch von ihr getrennt. Als „Sonderorganisation“ macht er mit inhaltlichen Stellungnahmen seinen Einfluss geltend.
Kontinuität in den Themen
Seit Anbeginn stellten die Grundsatzarbeit, die Hochschul- und Bildungspolitik, die Gesamtdeutsche Arbeit und die Europaidee, die Auslands- und Menschenrechtsarbeit die Hauptfelder der politischen Arbeit des RCDS dar. Er war stets im Einsatz für den freiheitlich-demokratischen Staat und gegen rechts- und linksextreme Tendenzen in den Hochschulen. Ein allgemeinpolitisches Mandat in den Gremien der Hochschulen lehnte er jedoch aufgrund des Charakters der Verfassten Studentenschaft als Zwangskörperschaft stets ab.
Der RCDS war stets europäisch orientiert. Bereits 1958 lud er zu seiner Delegiertenversammlung ausländische Studenten ein und beteiligte sich zwei Jahre später an einer ersten studentischen Europa-Konferenz in Stockholm, richtete die Folgekonferenz im selben Jahr in Bonn aus. Am 14 Mai 1961 gehörte der RCDS zu den Gründungsmitgliedern der International Christian Democratic and Conservative Student Union (ICCS), die sich 1975 in European Democratic Students (EDS) umbenannte. Der RCDS setzte sich bereits in den 1960er Jahren für eine vertiefte Integration Europas ein, forderte entsprechende Studiengänge, die Koordination der Forschung und die Anerkennung der akademischen Grade und Vergleichbarkeit der Studienzeiten und -inhalte.
Organisation
Mit der Deutschen Einheit 1990 kam es zur Wiedergründung des Verbandes in den neuen Ländern. Heute setzt sich der RCDS-Bundesverband aus mehr als 100 selbständigen Gruppen im ganzen Bundesgebiet zusammen. Jedes einzelne Mitglied ist Mitglied der Gruppe am Hochschulort und jede Gruppe ist Mitglied im Bundes- und im jeweiligen Landesverband, von denen es 14 an der Zahl gibt. Auf der jährlichen Bundesdelegiertenversammlung wählen die Delegierten der Gruppen einen dreiköpfigen Bundesvorstand. Die Arbeit der Landesverbände wird vom Bundesausschuss koordiniert. Zur Bearbeitung spezifischer Politikfelder ernennt der Bundesvorstand einen Politischen Beirat.
Die Arbeit des RCDS ist von einer sehr hohen Fluktuation geprägt. Jedes Semester schwappen neue Personen und Ideen in die Hochschulgruppen, die das Herzstück des RCDS darstellen und die Hauptarbeit leisten: Sie erkämpfen Sitze in Studentenparlamenten und akademischen Gremien. Die Hauptaufgabe des Bundesvorstands (und auch der Landesverbände) besteht darin, die Arbeit der Gruppen vor Ort zu unterstützen.
Seit seiner Gründung wird der RCDS aus öffentlichen Mitteln, Zuschüssen der CDU und sonstigen Spenden finanziert. Die Gründung des Freundes- und Fördererkreises 1975 stabilisierte die finanzielle Lage und sicherte eine größere Unabhängigkeit.
Einrichtungen und Dienste des RCDS sind das 1982 gegründete Bildungs- und Sozialwerk für Sozialpolitische Projekte (Behindertenstudium, Studienplatztausch, Praktikantenbörse). In dem 1991 gegründeten Ring Christlich-Demokratischer Akademiker (RCDA) sind ehemalige Mitglieder organisiert.
Zeitschriften:
- „Civis“ (1954–1969, 1983–1995)
- „Sonde“ (1968–1994)
- „Civis mit Sonde“ (seit 1995)
- „Demokratische Blätter“ (1971–1992)
- „Campus“ (1990–2005)
Literatur:
- Weberling, Johannes: Für Freiheit und Menschenrechte. Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) 1945-1986, Düsseldorf 1990.
- Last, Dorlies: „Für eine offene und solidarische Gesellschaft“. Helmut Kohl und der Ring Christlich-Demokratischer Studenten, in: Die Politische Meinung, Nr. 424, 2005, S. 64-68.
- RCDS (Hg.): RCDS – entschieden demokratisch. Geschichte, Programm und Politik, zusammengestellt von Wolfgang Kirsch, RCDS-Schriftenreihe Nr. 8, Bonn 1971.
- RCDS (Hg.): 1951 1981. 30 Jahre RCDS. 30 Jahre Einsatz für Meinungspluralismus, Studentische Interessenvertretung, Menschenrechte überall, o.O. 1981.
- RCDS-Bundesvereinigung Freundes- und Fördererkreis e.V. (Hg.): RCDS. Verantwortung wagen. 40 Jahre Bundesverband Ring Christlich-Demokratischer Studenten, Krefeld 1991.
- RCDS Bundesvorstand (Hg.): Der RCDS – Fünf Jahrzehnte gelebte Studentenpolitik, Erlangen 2001.
- Stephan Convent und RCDS (Hg.): Agenda 2030. Wider die Apologeten. Eine Aufsatzsammlung über Rahmenbedingungen der Zukunft und Reformbedarfe der Gegenwart, 2. Auflage (erschienen als Festschrift zu, 60. Jubiläum des RCDS-Bundesverbandes), Berlin/Brüssel 2012.