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Veranstaltungsberichte

Staatsschuldenkrise – Vertrauenskrise – Europa-Krise?

von Philippe Göpfert

Wie sieht Europas zukunft aus?

Das Bildungswerk Erfurt der Konrad-Adenauer-Stiftung lud am 12. September zu einer Informationsveranstaltung, mit anschließender Diskussionsrunde, zum Thema Euro- und Europakrise ein.

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Im Rahmen der KAS-Rednertour Europa am 12. September zum Thema „Staatsschuldenkrise – Vertrauenskrise – Europakrise? Wie sieht Europas Zukunft aus?“ konnte das Bildungswerk Erfurt wieder kompetente Referenten und zahlreiche Besucher begrüßen.

Tagungsleiter Daniel Braun wies schon in seiner Begrüßung auf das denkwürdige Datum hin, hatte das Bundesverfassungsgericht doch nur wenige Stunden zuvor die Weichen für den ESM gestellt. Im Anschluss daran begann Herr Dr. Menhart, Chefvolkswirt der Munich Re, eines größten Rückversicherers der Welt, mit seinem Impulsvortrag. Zunächst machte er, anhand von Firmenstatistiken, deutlich, dass Europa kein globaler Big-Player ist und weniger Einfluss hat als vermutet. Europa müsse seiner Meinung nach mehr dafür tun, zu den großen drei der Welt, neben Amerika und China, zu gehören. Dazu gehört auch eine klare Struktur für Europa zu etablieren und auf das „Zielfoto“ einer starken Gemeinschaft hinzuarbeiten, die zwar komplex aber trotzdem transparent für die Bürger ist.

Neben den Kriterien für ein starkes, machtpolitisches Europa, konzentrierte sich Herr Menhart aber auch auf die Gemeinschaftswährung. Er zeigte, dass nahezu alle Eurostaaten das auferlegte Haushaltdefizit von maximal 3% des BIP, in der Vergangenheit überschritten hatten und daher eine „Ex-post-Bestrafung“ seiner Meinung nach nicht hilfreich ist. Weiterer wichtiger Punkt seines Vortrages war das Problem des „to big to fail“, also die Rettung vermeintlich systemrelevanter Institutionen durch den Steuerzahler, statt einer marktwirtschaftlichen Bereinigung. Dies führe zu teilweise unkontrollierbaren „moral hazard“und somit weiteren Verschärfung der Probleme. Hier plädierte Dr. Menhart in bewusster Abgrenzung zu Branchenkollegen für eine stärkere Regulierung und Bankenunion. Diese sollte jedoch nicht, wie in der EU-Kommission angedacht, bei der EZB liegen.

Dr. Menhart befürwortet die gemeinsame Anstrengung zur Rettung der Gemeinschaftswährung kritisierte jedoch die Ankündigung der EZB, im Notfall unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen. Diese zu Niedrigzinsen und möglicherweise zu höherer Inflation führende Politik, bestrafe vor allem kleine Sparer und stellt Finanzunternehmen vor das Dilemma, kaum noch Investments mit Rendite erzielen zu können, wodurch bereits abgeschlossene und zukünftige Altersvorsorgeprodukte z. B. Lebensversicherungen schwer refinanziert bzw. angeboten werden können. Dies unter dem Aspekt einer europaweit alternden Bevölkerung, sei sehr gefährlich.

Dennoch werden mutige Maßnahmen von EU und Europas Regierungen gefordert sein, um den Währungsraum zu erhalten.

Anschließend sprach Dr. Mario Voigt aus politischer Perspektive zu den Anwesenden. Voigt stützte seinen Vortrag auf fünf Kernthesen, die er im Laufe seiner Ausführung erläuterte. Seiner Meinung nach muss Europa aus der Krise besser lernen und neues Vertrauen aufbauen, denn nur durch Vertrauen kann die Stärke erwachsen, die die EU braucht. Er sieht die Kombination aus ESM und Fiskalpakt als den richtigen Weg und lehnt Eurobonds, also die Schuldenvergemeinschaftung ab.

Außerdem muss der Euro gestärkt werden, Motto muss sein: „Stabilitätsunion statt Transferunion“. Als Folge dessen müssen stärkere Sanktionen geschaffen werden, bis hin zum Ausschluss von Staaten aus dem Euro. Auch Mario Voigt sah den Niedrigzins als Problem, dieser bietet den Staaten nämlich keinen Anreiz Schulden abzubauen.

Seine dritte und vierte These schließt sich an den Wunsch von Herrn Menhart an, ein starkes Europa zu etablieren. Das Selbstverständnis der europäischen Bevölkerung muss wachsen, die Menschen sollen nicht nur die schlechten Seiten einer Währungsunion erfahren.

Auch die wirtschaftliche Chance der EU muss besser genutzt werden, nur 10% der globalen Wirtschaftsleistung stammen aus Europa, was auch Grund dafür ist, dass Europa irgendwann den Anschluss zur Spitze in der Welt verlieren könnte und so politische Mitsprache einbüßt.

Als letzten Punkt stellte Mario Voigt die Frage in den Raum, wie denn unser Europa aussehen soll. Die Ziele müssen klarer definiert werden, um den Bürgern Transparenz und Struktur zu vermitteln und um Identifikationspunkte zu schaffen. Dazu gehöre auch das Nachdenken über direkte Bürgerbeteiligung bei weiteren Integrationsschritten.

Im Anschluss an beide Impulsvorträge leitete Herr Prof. Dr. Freytag in die Diskussion über, hier war vor allem das Publikum gefragt, welches auch mit vielen Fragen aufwarten konnte.

Zunächst war die Frage, wie denn das oft angesprochene Zielfoto Europas aussieht. Dr. Michael Menhart erklärte, dass er sich mehr politische Integration wünsche und die Länder mehr Sicherheit im Gegenzug für die Abgabe von Souveränität bekommen müssten. Mario Voigt ist der Meinung, dass die EU sich vor allem wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren müsse und viele Fragen bereits auf nationaler Ebene geklärt und geregelt werden können also mithin das Gebot der Subsidiarität mehr zu berücksichtigen.

Als nächstes kam die Frage auf, was denn passiere, wenn ein zuverlässiger Mitgliedstaat die Euro-Gemeinschaft verlassen würde. Herr Menhart stellte dar, dass es wichtig sei, dies, durch das europäische Selbstverständnis und das Vertrauen in die Stärke des Euro, erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Eine Gemeinschaft, die möglicherweise ihre Zusammensetzung durch permanente Ein- und Austritte wechselt, wird nur bedingt Vertrauen der Investoren gewinnen können. Herr Dr. Voigt zeigte auf, dass obwohl die Verträge de iure keinen Austritt aus der Union vorsehen, ein Austritt de facto nicht zu verhindern wäre. Zudem seien als ultima ratio ein erzwungener Austritt für permanente Vertragsverletzer als Option wichtig.

Neben vielen weiteren Anmerkungen kam auch die Frage auf, ob denn die Krise nicht erst durch die starke Bankenregulierung ausgelöst wurde. Überraschenderweise merkte Herr Dr. Menhart an, dass die Krise eher durch zu wenig Regulierung ausgelöst wurde, allerdings stuft auch er die Rating-Agenturen als zu mächtig ein und weißt ihnen eine Mitschuld zu.

Abschließend diskutierten beide Referenten über den gezielten default einzelner Länder. Beide waren der Meinung, dass eine gezielte und strukturierte Staatspleite möglich ist, allerdings müssen die Risiken austariert werden und es dürfen dadurch keine anderen Länder infiziert werden. Dabei kam auch das Beispiel Kaliforniens ins Blickfeld. Hierbei erklärte Dr. Menhart, dass dieser nur deshalb relativ glimpflich ablaufen konnte, da die USA mit dem Dollar einen Währungsraum mit verbindlichen Regeln und Integration verfügen, welcher dies zulässt. Die Euroländer müssten dies als gemeinsames „Zielfoto“ anstreben.

Sowohl Herr Dr. Menhart, als auch Dr. Voigt sehen eine gute Zukunft für Europa, die aber durch klarere Strukturen und striktere Maßnahmen gesichert werden muss.


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