EDITORIAL
Sehr geehrte Damen und Herren,
eine Parlamentswahl, die dieser Tage kaum Erwähnung fand, vollzog sich unlängst in der Republik Kongo. Im „kleinen“ Nachbarland der Demokratischen Republik (flächenmäßig ist Kongo-Brazzaville beinah genauso groß wie Deutschland) installierte einst der General de Gaulle den Sitz des Freien Frankreich. Seine „Hütte“ (La Case de Gaulle) am Ufer des Kongo steht heute immer noch und dient Frankreichs Botschaftern seit 1960 als Residenz.
So viel zur Geschichte.
Vergangene Woche gab nun der Verwaltungsminister des Landes das vorläufige Ergebnis der ersten Runde der Parlamentswahl bekannt. Danach erhielt die regierende „Arbeiterpartei“ (Parti congolais du travail, PCT) 110 der insgesamt 151 Sitze der Nationalversammlung. Für die Partei von Staatspräsident Sassou Nguesso wäre es der vierte Wahlsieg in Folge. Seit Wiedereinsetzung des Mehrparteiensystems Anfang der 1990er Jahre haben in der Republik Kongo insgesamt sechs Parlamentswahlen stattgefunden.
Für den Kontinent und seine 54 Staaten ist 2022 kein Superwahljahr. Neben den Allgemeinen Wahlen im kommenden August in Kenia entscheiden im gleichen Monat noch die Wähler in Angola über ihr Parlament und damit über den Präsidenten. Es folgen Parlamentswahlen in Senegal, São Tomé und Principe, Äquatorialguinea, Lesotho und im Dezember in Tunesien. Libyen, Tschad und Sudan sind dagegen Wackelkandidaten. Dass die dortigen Wähler wie eigentlich vorgesehen noch in diesem Jahr an die Wahlurnen dürfen, ist mindestens ungewiss.
Stellen Wahlen in Afrika für einige Regierungen nach wie vor ein eher geringeres „Risiko“ dar, bereiten vielen aktuell die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs weit größere Sorgen. Seine Folgen haben Afrikas Volkswirtschaften unter erheblichen Druck gebracht. Die Vorgänge in Sri Lanka in diesem Zusammenhang sind nicht unbemerkt geblieben, zumal das Land sehr hohe Schulden bei China hat. Das trifft auch auf eine Reihe afrikanische Staaten zu.
Die ölfördernde Republik Kongo, OPEC-Mitglied seit 2018, kann im Vergleich der Zukunft vermutlich gelassener entgegenblicken. Auch tat Peking vor einem Jahr etwas, worum es in Zukunft noch öfter gebeten werden dürfte. Es erließ Brazzaville einen Teil seiner Schuld und bewahrte es damit vor der Zahlungsunfähigkeit.
Wenn nun in diesen Tagen viele der ins Wanken geratenen Länder Afrikas den Finger heben und um einen Schuldenschnitt angesichts der Krise bitten, wird der Internationale Währungsfonds bei einer Reihe von ihnen zuallererst nach Peking zeigen. Ob China dazu bereit ist und es dies überhaupt im Akkord leisten könnte, muss die Supermacht zeigen.
Mit diesem etwas kürzeren Überblick aus Addis Abeba über die Geschehnisse an der Afrikanischen Union verabschieden wir uns für die Sommerpause. Der nächste AU-Newsletter wird Sie wieder im September erreichen.
Mit freundlichen Grüßen,
Benno Müchler
KAS-Büroleiter Äthiopien/Afrikanische Union
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ÜBERBLICK DER ENTWICKLUNGEN AN DER AU
Russlands Außenminister reist nach Afrika:
Kommende Woche wird Außenminister Lavrov nach Afrika reisen. Neben Ägypten, Uganda und der Republik Kongo wird er auch Äthiopien besuchen, wo im Oktober der Russland-Afrika-Gipfel stattfinden soll.
Wirtschaft und Finanzen:
Die Pläne für die Schaffung einer afrikanischen Rating-Agentur laufen weiter. Vergangene Woche bekräftigte Ghana abermals seine Unterstützung.
Bildung:
Die Pan-Afrikanische Universität, ein Projekt der AU und Verbund mehrerer afrikanischer Universitäten, vergab im vergangenen Studienjahr rund 2.600 Stipendien an Studierende aus 51 Ländern Afrikas, wie der algerische AU-Kommissar für Bildung Belhocine beim Treffen der AU-Außenminister in Sambia in diesem Monat berichtete.