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Zur Freilassung von Alexander Kozulin

Am 16. August wurde der Oppositionspolitiker Alexander Kozulin auf der Grundlage eines Erlasses von Präsident Alexander Lukaschenko nach 2 ½ Jahren aus der Haft entlassen. Die EU und die USA begrüßten die Entscheidung und forderten die Freilassung der ebenfalls als politisch inhaftiert geltenden Andrej Kim und Sergej Parsjukiewitsch sowie weitere Schritte der Demokratisierung.

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In einer ersten Meldung am Samstag hieß es, Kozulin sei für das Begräbnis seines Schwiegervaters Freigang aus der Strafkolonie Witba-3 gewährt worden, doch die Verfügung, die der Gefängnisverwaltung vorlag, sah seine unbefristete Entlassung vor. Am Montag bestätigte Kozulin, dass er formal von Lukaschenko begnadigt worden sei, betonte aber zugleich, die Begnadigung aus „moralischen Gründen“ nicht zu akzeptieren: „Lediglich meine bedingungs-lose Freilassung und meine vollständige Rehabilitierung als unschuldiger Mensch sowie die sofortige Freilassung von Andrej Kim und Sergej Parsjukiewitsch können wirklich als ein realer Schritt des belarussischen Staates in Richtung einer Demokratisierung der Gesellschaft gesehen werden“, so Kozulin in Minsk.

Die Freilassung von Kozulin erfolgte vier Tage, nachdem dem OSZE-Botschafter Hans-Jochen Schmidt im Rahmen der Begleitung von Rechtsfällen, die zum Mandat der OSZE-Mission in Minsk gehört, ein Besuch beim inhaftierten Kozulin zugestanden worden war und zwei Tage, nachdem der deutsche Botschafter Gebhardt Weiss bei einem Arbeitstreffen in der Präsidialadministration ein breites Spektrum an Fragen erörtert hatte. Schon der Entlassung mehrerer politischer Gefangener Anfang des Jahres war ein Treffen von Botschafter Weiss seinerzeit mit Lukaschenko selbst vorangegangen.

Alexander Kozulin war von 1996 – 2003 Rektor der Belarussischen Staatlichen Universität, seit 2005 Vorsitzender der Belarussischen Sozialdemokratischen Partei (Gramada) und im März 2006 neben Alexander Milinkiewitsch Präsidentschaftskandidat der demokratischen Opposition. Während der Proteste gegen die Fälschung der Wahlen war er am 25. März 2006 inhaftiert und im Juli wegen grober Verletzung der öffentlichen Ordnung und Widerstand gegen die Staatsgewalt zu insgesamt 5 ½ Jahren Haft verurteilt worden. Im Herbst 2006 trat Kozulin aus Protest gegen die Missachtung rechts-staatlicher Grundsätze in Belarus in einen 53-tägigen Hungerstreik. Im Februar 2008 war ihm auf Drängen der internationalen Gemeinschaft ein dreitägiger Hafturlaub gewährt worden, um am Begräbnis seiner an Krebs verstorbenen Frau Irina teilnehmen zu können. Die EU und die USA hatten immer wieder auf die Freilassung Kozulins und anderer politischer Gefangener gedrängt.

Außenpolitisch kann die Entscheidung von Lukaschenko als ein Signal sowohl dem Westen als auch Russland gegenüber gewertet werden: Die EU hatte in zahlreichen Stellungnahmen seit Ende 2006 deutlich gemacht, dass die politischen Gefangenen das größte Hindernis auf dem Weg zu einer Normalisierung der Beziehungen mit Belarus seien. Sollten in den nächsten Tagen tatsächlich auch noch Parsjukiewitsch und Kim aus der Haft entlassen werden, würde die EU unter Druck geraten, entsprechend ihrer Strategie von 2006 zu reagieren, als sie in dem Papier „What the EU could bring to Belarus“ eine Reihe von Angeboten formulierte für den Fall, dass in Belarus demokratische Reformen eingeleitet würden. Die Liste der Angebote reicht von der Vertiefung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, der Intensivierung und Verbesserung von Kontakten zwischen Belarus und den EU-Mitgliedsstaaten (einschließlich der Frage einer Reduzierung von Visagebühren), bis zur Aufnahme von Belarus in das Programm der EU-Nachbarschaftspolitik. Ähnlich ist die Position der USA, die die Sanktionen gegen Belneftechim, einen der größten belarussischen Konzerne, im Frühjahr vor allem mit der Frage der politischen Gefangenen und hier insbesondere dem Schicksal Kozulins verknüpft hatten. Noch Ende Juli war Olga Kozulina im Weißen Haus von Präsident Busch empfangen worden, der ihr im Gespräch die baldige Freilassung ihres Vaters wünschte.

Natürlich ist die Freilassung von Kozulin zu allererst eine große Chance, die seit Jahren festgefahrenen Beziehungen zwischen Belarus und dem Westen aus der Sackgasse herauszuführen. Obwohl die EU wie auch die USA in ihren Positionen gegenüber Lukaschenko in den zurückliegenden Monaten sehr auf die Frage der politischen Gefangenen fixiert waren, wird man sich jetzt aber nicht blenden lassen dürfen: Nüchtern betrachtet ist die Freilassung von Kozulin eher ein außenpolitisches Signal als der Beweis, dass Lukaschenko zu demokratischen Reformen im Land bereit ist. Am 28. September finden in Belarus Parlamentswahlen statt, und bislang weist wenig darauf hin, dass diese Wahlen demokratischen Standards genügen werden. Oppositionskandidaten werden unter Druck gesetzt, kaum unabhängige Vertreter in die Wahlkommissionen gelassen und der demokratischen Opposition kein Zugang zu den staatlich konrollierten Medien eingeräumt. Gleichwohl steht zu erwarten, dass Lukaschenko die Begnadigung Kozulins als Geste des guten Willens dem Westen gegenüber verkaufen und Gegenleistungen erwarten wird.

Die Freilassung von Kozulin kann vor den Entwicklungen der bilateralen Beziehungen zwischen Minsk und Moskau in der letzten Woche auch als ein Signal an Russland verstanden werden: In einer Stellungnahme vom 11. August kritisierte Russlands Botschafter in Minsk die belarussische Führung ungewöhnlich scharf für ihr Schweigen im Konflikt um Südossetien. Wie alle GUS-Staaten war auch Belarus um eine weitgehend neutrale Position in der Auseinandersetzung zwischen Russland und Georgien bemüht gewesen, eine Haltung, die in Moskau eindeutig als Verrat gewertet wurde. Am 13. August instruierte Lukaschenko dann auch noch Außenminister Martynow, Maßnahmen zur Verbesserung des Verhältnisses mit der EU und den USA zu erwägen. Der Schritt, Kozulin zu begnadigen, ist somit als Teil des üblichen Muskelspiels zu sehen, mit dem man in Minsk regelmäßig dem Nachbarn im Osten die eigene (zumindest politische) Unabhängigkeit demonstrieren will.

Innenpolitisch wird die Freilassung von Kozulin sicherlich zu einer Neuordnung innerhalb der demokratischen Opposition führen. Das betrifft vor allem die Sozialdemokratische Partei. Noch am 3. August war Kozulin auf einem Parteitag als Vorsitzender abgewählt worden mit der Begründung, er könne die Partei aus dem Gefängnis heraus nicht effektiv führen. Dieser vom sellvertretenden Vorsitzenden Lewkowitsch initiierte Coup war in der demokratischen Öffentlichkeit breit kritisiert worden. Ein freier Kozulin bedeutet auch für die Vereinigten Demokratischen Kräfte in Belarus eine Herausforderung, doch letztlich ist es erst einmal Kozulin selbst, der entscheiden muss, ob er in der belarussischen Politik in der Zukunft überhaupt wieder eine herausgehobene Rolle wird spielen wollen.

Gerade wurde gemeldet, dass auch Sergej Parsjukiewitsch und Andrej Kim aus der Haft entlassen wurden. (20.08.2008)

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