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Der Blick auf Belarus aus Russland

von Dr. Wolfgang Sender

Medienspiegel, Folge 3/2018

2018 bietet die KAS Belarus einen Informationsservice zu den Beziehungen zwischen Belarus, Russland und der Region.

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Der ausgewählte Blickwinkel – Belarus „mit russischen Augen“ anzusehen – bietet Informationen über die teils impliziten Spannungen in den Beziehungen zwischen Belarus und seinem engsten Verbündeten Russland. Diese Spannungsfelder bestimmen häufig den außen- und innenpolitischen Spielraum für Belarus.

Das Hauptthema der russischen Medien bezüglich Belarus war den ganzen Februar hindurch das angekündigte Verbot der russischen landwirtschaftlichen Aufsichtsbehörde Rosselchosnadsor für die Einfuhr von belarussischer Trockenmilch aufgrund einer angeblichen Verletzung von veterinär-sanitären Normen. Die Einstellung zum beabsichtigten Vorstoß der russischen Aufsichtsbehörde durch die dortigen Medien reicht von nüchternen wirtschaftlichen Einschätzungen der Folgen - „zu viele … russische Produzenten hängen vom belarussischen Milchpulver ab, … es sei unmöglich, Rohstoff von der nötigen Qualität in Russland zu finden“ (Kommersant.ru), „Russland drohe das Käsedefizit“ (Moskovskij Komsomolez), „dem russischen Markt drohe eine neue Fälschungswelle“ (Agronews) bis zu politisierten Kommentaren in dem Sinne „Belarus stünde vor der Wahl: Entweder es trete der Russländischen Förderation bei und dann werde seine Produktion zur inländischen russischen Produktion gezählt, oder es versuche neue Absatzmärkte zu finden“ (Russische Informationsagentur „Novyj Den“). Das Wirtschaftsmagazin “Wsgljad” sieht die wahren Gründe des Konflikts hierin: Übersättigung des russischen Marktes durch das Milchpulver aus Belarus, was die Preise der russischen Milchproduzenten in den Keller drückt.

Der Medienbericht hierzu.

Einschätzung des Leiters des Büros Belarus der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Wolfgang Sender: Nach der Importembargoeinführung für EU-Produkte durch Russland erholte sich die russische Milchbranche einerseits, andererseits konnten die wegen des Embargos frei gewordenen Nischen vor allem belarussische Milchproduzenten besetzen, deren Anteil auf dem russischen Markt sich gegenwärtig auf über 80 Prozent beläuft. Das angekündigte Totalverbot begründet die russische Seite implizit auch dadurch, dass Belarus nicht nur die eigene, sondern angeblich auch die eigentlich sanktionierte EU-Milch verarbeite. Das gegenüber seinem Unionsbruderstaat als unfreundlich einzuschätzende Vorgehen Russlands ist eindeutig wirtschaftspolitisch motiviert: Die russischen Entscheidungsträger sind bereit, die Preissteigerung für Milchprodukte für die russischen Konsumenten wegen des eingeschränkten Angebots aus Belarus in Kauf zu nehmen, um dadurch die russischen Milchproduzenten zu unterstützen. Das Verbot verstößt indes eindeutig gegen die EAWU-Regeln. Seine Empörung über diese Einmischung in die Marktverhältnisse äußerte der belarussische Präsident höchstpersönlich. Im Ergebnis verschob die russische Seite das Verbot und zuständige Behörden aus Belarus und Russland nahmen Verhandlungen auf.

Diese Entwicklung zeugt einerseits von der bisherigen Mangel- und Lückenhaftigkeit des EAWU-Binnenmarkts und seiner Anfälligkeit für politische Eingriffe, andererseits von der übermäßigen Abhängigkeit der belarussischen Produzenten vom russischen Absatzmarkt. Solange diese Hintergründe der „Milchkonfrontation“ nicht beseitigt sind, können derartige Konflikte jederzeit und auch in anderen Branchen wieder aufflammen.

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Dr. Wolfgang Sender

Bild von Sowetskaja Belorussia zur Bebilderung von Belarus-Beiträge Frei verwendbar

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