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Veranstaltungsberichte

„Der Begriff Sünde wird heute banalisiert“

Theologen und Schriftsteller diskutierten beim 29. Interdisziplinären Salon über die Sünde

Oft wird der Begriff Sünde als eine Floskel im Alltag von vielen benutzt, wenn sie kulinarisch über die Stränge geschlagen haben oder wenn es um „Steuersünder“ geht. Prof. Dr. Christoph Markschies, evangelischer Kirchenhistoriker und ehemaliger Präsident der Berliner Humboldt-Universität, kritisierte die Banalisierung des Sünden-Begriffs. „Wir lassen uns zu sehr theologische Begriffe enteignen und kämpfen nicht um sie“, sagte er bei der Diskussionsveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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Die Akademie hatte zusammen mit der Salonreihe des Interdisziplinären Salons zu einem Diskussionsabend mit Gästen aus Theologie und Kultur eingeladen, um über die Begriffsdefinition von Sünde und ihrer Bedeutung im Alltag zu diskutieren.

Markschies stellte die These auf, dass der Grund für die Banalisierung der Sünde mit dem fehlenden Angebot, darüber zu sprechen, zu tun habe. „Die Menschen haben keine Sprache mehr dafür“, sagte er. Der Theologe bemängelte, dass die katholische und evangelische Kirche es in den vergangenen Jahrzehnten nicht intensiv genug versucht hätten, das Thema Schuld und Sünde in den gesellschaftlichen Diskurs zu bringen. Es müsse darauf geachtet werden, dass theologisch zwischen „Sünde“, „Sünden“ oder „Schuld“ differenziert werde. Er sieht an der Stelle Handlungsbedarf. „ Es ist eine Kommunikationsaufgabe beider Kirchen, den Begriff so zu erklären, dass ihn die Menschen richtig verstehen“. Eigentliche gehe es dabei auch um die Abwendung von Gott. Er plädierte dafür, dass die Kirchen Gesprächsangebote im Alltag für die Menschen machen müssten. So habe der Einzelne die Möglichkeit, ehrlich mit sich umzugehen und besser zu leben.

Biblischer Sünde-Begriff

Prof. Dr. Thomas Eggensperger, Sozialethiker und geschäftsführender Direktor des Instituts M.-Dominique Chenu, bedauerte, dass bei der Rede von Sünde immer gleich über Sexualität gesprochen werde. In seinem Impulsvortrag erläuterte er die verschiedenen Bedeutungen von Sünde in der Bibel. Denn es gebe keine einheitliche Theorie von Sünde im Alten und Neuen Testament, erläuterte der Theologe. Ursprünglich wurde sie im Alten Testament verstanden als realisierte und mögliche Verfehlung eines Menschen, der dann seine Schuld eingestehe und anschießend um Vergebung bitte. Als konsequent erwartete ihn Bestrafung oder Begnadigung. In den Paulusbriefen hingegen werde die Sünde als Ursünde verstanden, die jeder Mensch von Geburt an Inne habe. Doch mit Jesu Auferstehung erfahre die Christenheit Erlösung von der Ursünde, erläuterte Eggensberger die dahinter liegende Theologie.

Beichte als Problemlösung

Im Neuen Testament stehe mehr die Überwindung der Sünde im Fokus. Dort stelle sich Jesus eher die Frage, wie nun mit der Sünde umgegangen werde solle. Von Bedeutung sei die ehrliche Umkehr, das Eingeständnis etwas falsch gemacht zu haben und die Absicht, es nicht zu wiederholen. Diesen Ansatz begrüßt Eggensberger und hält ihn für alltagstauglich. „Es steht kein Horrorszenario im Mittelpunkt, sondern Sünde und Schuld, die aufgegriffen werden müssen und die daran schließende Frage, wie eine Person oder Gemeinschaft dies bewältigen kann“, sagte Eggensberger. Die Kirche habe das System der Beichte, die die Lösung des Problems in den Fokus nehme.

Arnold Stadler, Schriftsteller und Essayist, berichtete von seinen ersten positiven Beichterfahrungen und ordnete der Sünde eine existenzielle Dimension zu. Es sei heute eine ungeheure Trivialisierung des Wortes, wenn in der Öffentlichkeit über Steuersünder, Punktesünder in Flensburg oder Süßigkeitensünden die Rede sei. „Die Menschen, die heute nicht mehr beichten, denen ist die metaphysische Dimension des Begriffs abhanden gekommen“, so Stadler. Viele würden eher den Weg zum Psychiater ansteuern. Zum Abschluss las Stadler in einem literarischen Intermezzo Passagen aus seinem Roman „Einmal auf der Welt. Und dann so“ und einige selbstverfasste Psalmen, die sich an biblische Verse anlehnen, vor.

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