Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

"Europa ist für Deutschland ein Segen"

Michael Stübgen beim Stadteilgespräch zur Krise in Europa

Müssen wir Europa angesichts der anhaltenden Krise neu denken? Müssen die Grundlagen der Wirtschafts- und Währungsunion überdacht werden? Über diese Fragen diskutierte Michael Stübgen MdB beim Stadtteilgespräch Berlin-Reinickendorf. Das Finanzsystem habe große Schwächen, „doch im Augenblick haben wir kein besseres“, resümierte der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Eine Exportnation wie Deutschland profitiere zudem vom Euro.

Asset-Herausgeber

„Wir haben keine Eurokrise, sonst wäre unsere Währung abgestürzt“, erklärte Michael Stübgen gleich zu Beginn seines Vortrages. Allerdings sei es ein großes Problem, dass erstmalig in der Geschichte souveräne Staaten zwar eine gemeinsame Währung hätten, gleichzeitig aber weiterhin eine voneinander unabhängige Fiskalpolitik betrieben, so der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion.

Die im Zuge der Krise immer wieder in die Kritik geratene Europäische Zentralbank sei einst auf Drängen Deutschlands in Anlehnung an die Bundesbank als unabhängige Institution eingerichtet worden. Ihre Hauptaufgabe sollte darin liegen, die Geldwertstabilität zu garantieren. „Diese Grundidee geht auf die Erfahrungen Deutschlands mit der Hyperinflation und ihren verheerenden Auswirkungen in den zwanziger Jahren zurück. Eine Erfahrung, die andere Länder in Europa nicht gemacht haben.“

Dadurch erkläre sich auch die andere Philosophie der mediterranern Länder bei der Rolle einer Zentralbank. „Dort erwartet man unterstützende Maßnahmen bei einer politischen Krisenbewältigung, wie verstärktes Gelddrucken.“ Das sei jedoch mittel- und langfristig das „unsozialste Instrument“, findet Stübgen, da es zu Geldentwertung führe und so am Ende vor allem kleine Vermögen enteigne.

Menschlich sei es verständlich, dass die Regierungen der Krisenländer nach einfachen Rezepten gegen die Krise suchten, aber an tiefgehenden und schmerzlichen, strukturellen Änderungen werde kein Weg vorbei führen. Am Ende müsse in Europa eine Bankenunion stehen, in der alle Banken kontrolliert werden können. Zudem bedürfe es Instrumente, um im Notfall auch in die Haushaltspolitik der Einzelstaaten durchgreifen zu können. Sollte zum Schluss des Prozesses so etwas wie ein europäischer Finanzminister stehen, müsse dieser zudem über eine eindeutige demokratische Legitimation verfügen.

„Mit den Rettungsschirmen sind wir den kurzfristigen Problemen wirksam begegnet, die langfristige Problembewältigung steht uns aber noch bevor.“ Europa sei deshalb so mühsam, weil es „nur bei Sonnenschein“ reibungslos funktioniere. „Kommt es aber zur Krise, brechen sofort wieder alte Rivalitäten auf, wie die letzten zwanzig Jahre immer wieder zeigten.“ Wenn es ernst wird, habe es Europa jedoch immer geschafft, zu einer zielführenden Lösung zu kommen.

Im Anschluss an seinen Vortrag stellte sich Stübgen den zahlreichen Fragen des Auditoriums. „Hätte man Griechenland angesichts der Kosten nicht vielleicht doch besser fallen lassen sollen“, wollte ein Schüler wissen. „Die Staatspleiten der letzten zwanzig Jahre in Brasilien, Argentinien, Russland und anderswo haben alle gezeigt, dass wenn ein Land am Abgrund steht, sich selbst überlassen bleibt und die eigene Währung massiv abwerten muss, die Menschen am Ende davon nicht mehr Leben können“, erklärte Stübgen. Ohne überbrückende Finanzstütze sei so etwas nicht zu schultern. Außerdem habe die Pleite der Bank Lehmann Brothers eine Lehre hervorgebracht. „Durch das internationale Geflecht können Dominoeffekte ausgelöst werden, die am Ende keiner beherrscht. Die erste Schockwelle lässt sich voraussehen, aber Zweit- und Drittrunden-Effekte sind unkalkulierbar.“ Daher sei es richtig gewesen, Griechenland zu helfen.

„Wie sieht es mit den eigenen finanziellen Baustellen hierzulande aus? Warum wird milliardenschwere Hilfe nach Griechenland gezahlt, während Schulen, Krankenhäuser und Infrastruktur Abstriche machen müssen“, wollte ein Familienvater wissen. „Die Lage in Deutschland ist alles in allem gut, auch wenn sie im Ausland meist zu rosig gezeichnet wird“, so Stübgen. Es sei jedoch ein Missverständnis, dass große Geldsummen in die Krisenländer flössen. „Bislang haben wir nach Griechenland keinen Cent überwiesen sondern nur Bürgschaften ausgestellt“, erläuterte er. Am Ende dürfe man bei aller berechtigten Kritik nicht vergessen, dass Europa für Deutschland ein Segen sei und drei von fünf Arbeitsplätzen hierzulande am Export hingen. „Ich weiß, dass Wirtschafts- und Finanzsystem ihre Schwächen haben, aber im Augenblick haben wir kein besseres System.“

Asset-Herausgeber

Kontakt

Rita Schorpp

comment-portlet

Asset-Herausgeber