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"Mich interessieren Klischees"

Judith Schalansky las aus "Der Hals der Giraffe"

In einer begeisternden Lesung stellte Judith Schalansky einer aufmerksamen Zuhörerschaft, die sie oftmals zum Lachen und Schmunzeln brachte, ihr Buch „Der Hals der Giraffe“ vor.

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Die junge Autorin, die 1980 in Greifswald geboren wurde und in Berlin lebt, hat eine Schwäche für Enzyklopädisches und insofern ist es wenig verwunderlich, dass einer ihrer Lieblingsorte die Berliner Staatsbibliothek ist. Hier starten viele ihrer Weltreisen und hier sammelt sie die Informationen für ihre Bücher. An diesem Hort des Wissens eignete sie sich auch die Biologiekenntnisse an, die für ihren Roman „Der Hals der Giraffe“ erforderlich waren.

Dieses Buch kann als Roman über das Nachhallen der DDR in der Gegenwart bezeichnet werden. In dem Buch, dessen Handlung in der tiefsten Provinz Mecklenburg-Vorpommerns spielt, werden aber auch aktuelle Gegenwartsthemen, wie Klimawandel, Landflucht und Überalterung aufgegriffen. Schalansky setzt sich aber auch intensiv mit ihrer Heimat Mecklenburg-Vorpommern und deren Bewohnern, die nicht wissen, ob das Festhalten an der Heimat nun Fluch oder Segen sein soll, auseinander. Zu ihrem Heimatbezug sagte sie in einem Interview: „Ich selbst habe Vorpommern verlassen. Wenn man mit der Schule fertig ist, stellt sich ja immer die Frage: Bleibt man oder will man sein Erwachsenenleben woanders beginnen? Ich musste weggehen – heute denke ich, auch um darüber zu schreiben. Dazu braucht es immer Distanz. Gleichzeitig ist mir das Zuhausebleiben sehr lieb. Die größte Herausforderung besteht ja heute darin, zu Hause zu bleiben.“

„Der Hals der Giraffe“ handelt vom Denken und Fühlen der alternden Lehrerin Inge Lohmark und spielt an drei über ein Jahr verteilten Tagen in ihrem Leben. Es besticht durch seinen satirisch, ironischen und höchstgeistreichen Ton. Es zeichnet sich jedoch nicht nur durch seinen Inhalt aus, sondern fällt auch aufgrund seiner äußeren Gestaltung und innere Aufmachung aus dem Rahmen. Der angebräunte Leineneinband mit dem Abbild eines kopflosen Giraffenskeletts ist ganz bewusst alten Lehrbüchern nachempfunden und auf den Innenseiten befinden sich zahlreiche detailgenaue Tierabbildungen.

Dieses Buch ist somit auch ein haptisches Erlebnis. Auch wenn die Autorin ihren Fokus inzwischen auf belletristische Literatur legt, ist sie ihren gestalterischen Wurzeln treu geblieben. Sie ist ihre eigene Setzerin und sucht Schrift, Papier, Farben und Material ihrer Bücher stets selbst aus, da es ihr ein Anliegen ist Form und Inhalt miteinander zu verschränken. „Inhalt ohne Form und Form ohne Inhalt habe ich noch nicht erlebt“, sagte Schalansky im anschließenden Gespräch. Diese Anstrengungen sind auch schon mehrmals belohnt worden. Die Stiftung Buchkunst zeichnete 2009 ihr Buch „Atlas der abgelegenen Inseln“ und in diesem Jahr ihren Roman „Der Hals der Giraffe“ als jeweils schönstes Buch des Jahres aus.

Sie verfügt nicht nur über ein besonders Talent in der Gestaltung von Büchern, auch ihre Art zu Schreiben ist sehr eigenwillig und kurios. Die Autorin verfasst ihre Texte zunächst per Hand, bevor sie sie in den PC tippt. Nach dem erfolgten Ausdruck seziert sie jede einzelne Seite in unterschiedlich große Stücke, um sie dann so lange auf unterschiedliche Weise zusammenzusetzen, bis sich der aus Ihrer Sicht passende Text ergeben hat. Zum Abschluss gibt sie die finale Form dann wieder in den PC ein.

Sie führte aus, dass sie ein Faible für Klischees habe, denn nur so ließe sich erklären, dass sie sich in ihren Büchern mit Matrosen, einsamen Inseln und einer Lehrerin an einer Provinzschule in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt habe. Sie bringt nicht nur ihr Publikum zum Lachen, sondern schmunzelt beim Schreiben oft selbst über die ihr spontan zugeflogenen Einfälle. „Mein Anspruch“, so Schalansky, „besteht darin, dass ich meine Bücher so schreiben will, dass man sie am Strand lesen kann“. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Autorin besteht darin, dass sie die Bücher nicht nur schlicht signiert, sondern sie auf Wunsch zusätzlich noch mit Tier- oder Pflanzenmotiven versieht, die sie hineinstempelt. So war es nicht verwunderlich, dass der Strom derer, die in diesen doppelten Genuss kommen wollten, nicht abreißen wollte.

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