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Wenn Zwei-Staaten-Lösung, dann jetzt

Michael Borchard, Leiter des Büros in Israel, zu Gast beim Außenpolitischen Gesprächskreis

Dr. Michael Borchard, der Leiter des Auslandsbüros Israel, sprach just an dem Tag in der Akademie, an dem um Mitternacht die Frist zur Regierungsbildung für Benjamin Netanjahu abläuft. Er beschrieb das Ringen um das Zustandebringen einer Regierungskoalition als äußerst schwierig und als ein Zerren auf Hochtouren.

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Der Israel-Experte ging auf die taktischen Erwägungen Naftali Bennetts, Chef der rechten Siedlerpartei „Das Jüdische Heim“, ein, dessen acht Mandate Netanjahu nach der Absage Avigdor Liebermanns und dessen Partei „Unser Haus Israel“ dringend braucht, um mit 61 Mandaten im 120-köpfigen Parlament zumindest die minimale Mehrheit zu erreichen. Borchard führte aus, dass Bennett gegenwärtig auf dem Justizministerium beharre, auf das der Likud jedoch kaum verzichten könne.

Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen wagte der Referent einen Blick in die Zukunft. Dabei ging er der Frage nach, ob es eine Chance für den Frieden gibt und ob sich Netanyahu in der Erkenntnis, dass es sich wohl um seine letzte Amtszeit handelt und er einen positiven Eintrag in den Geschichtsbüchern anstrebe, ähnlich wie Yitzhak Rabin vom Falken zur Taube entwickeln könnte. Dieses Szenario hielt er jedoch u.a. aufgrund Netanjahus persönlichen Credos, dass Israel allein dasteht und ums Überleben kämpft, für relativ wenig wahrscheinlich. Der Bildung einer Großen Koalition räumte er ebenfalls wenig Chancen ein.

Berechtigt erschien ihm die Frage, inwieweit eine Regierung, die nur über 61 von 120 Sitzen verfügt, eine stabile Regierung stellen kann. Schließlich komme es in den kommenden Jahren darauf an, eine stabile Regierung zu haben, die in der Lage sei die dringenden Probleme zu lösen. Dazu zählen für Borchard der Abbau des Haushaltsdefizits, eine bessere Sozialpolitik, um das starke Gefälle zwischen Arm und Reich auszugleichen und die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Den Hauptbrandherd dieses Konflikts sieht er nicht alleine im Westjordanland, sondern vor allem im Gaza-Streifen und in Ostjerusalem, wo die Situation am gefährlichsten sei, so Borchard. „Das Schicksal des gesamten Nahen Ostens kann sich am Tempelberg in Jerusalem entscheiden, wenn man aus dem eher national geprägten Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern mit religiösen „Einsprengseln“ einen religiösen Konflikt mit nationaler Konnotation heraufbeschwöre.“ Letzteres sei noch schwieriger zu beherrschen.

Das Bedrohungspotenzial, das von der Hamas und Hisbollah ausgeht, schätzt er als extrem gefährlich ein. Sollten eine große Anzahl der 120.000 Raketen, über die die Hisbollah im Südlibanon verfügt, gleichzeitig auf Israel abgeschossen werden, so könne sie auch kein Iron Dome aufhalten, so der Referent. Angesprochen auf die Bedrohung durch eine iranische Bombe führte er aus, dass man in emotionale Seite der Israelis nicht unterschätzen dürfe. „Das Trauma der Scud-Angriffe 1991 aus dem Irak, bei dem man nicht wusste ob Chemiewaffen auf den Sprengköpfen sind, ist noch heute ein Trauma in der Seele der Bevölkerung“.

Aus Sicht Borchards kann die Antwort auf die Lösung des Nahostkonflikts gerade auch mit Blick auf die demographische Entwicklung nur die Zwei-Staaten-Lösung sein, für deren Herbeiführung man nicht unbegrenzt Zeit habe. „Das Fenster für die Zwei-Staaten-Lösung wird nicht dauerhaft geöffnet sein. Israel wird Seite an Seite mit einem palästinensischen Staat leben, oder in seiner Eigenschaft als demokratischer und jüdischer Staat gefährdet sein.“ Die Erkenntnis liegt laut dem Referenten in Israel zwar nicht zuletzt bei Sicherheitsexperten wie z.B. hochrangigen Militärs vor, nur die Umsetzung ist schwierig, da die Politik eher auf kurzfristige Lösungen abziele. Er berichtete, dass Umfrageergebnisse zeigen, dass die Zustimmung für eine Zwei-Staaten-Lösung innerhalb der israelischen Bevölkerung immer mehr abnehme (momentan liegt sie bei 50%, Tendenz fallend). Überdies werde die israelische Jugend immer religiöser, nationalistischer und militaristischer, was auch Auswirkungen auf das deutsch-israelische Verhältnis habe. Sein dringender Appell lautete daher, dass Israel bestrebt sein müsse, die Zwei-Staaten-Lösung rasch in Angriff zu nehmen. Die vermittelnde Rolle Deutschlands sei dabei nicht zu unterschätzen.

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