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Veranstaltungsberichte

Workshop "Schreibwerkstatt"

Jugendpolitiktag „25 Jahre Mauerfall"

Unter Anleitung einer Journalistin und in Zusammenarbeit mit einer Redakteurin der Berliner Zeitung haben die Schüler eine komplette Seite gestaltet, die dann in dieser Zeitung abgedruckt wurde. Die Aufgabe bestand darin, Texte in den unterschiedlichen journalistischen Darstellungsformen zu verfassen und darin besonders die eigene Betroffenheit und die persönliche Meinung mit einfließen zu lassen. Workshopleiterin:Greta Taubert, Journalistin Christine Dankbar, Berliner Zeitung

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GELD ALS MAUER von Livia

Geld bestimmt uns. Nicht nur als Statussymbol.

Es bestimmt unseren Lebensstil, unser Umfeld,

unsere ganze Verhaltensweise.

Schon der Aufwand, den wir für unser Abi aufbringen,

zielt auf ein Studium, auf einen guten Job, auf Geld hin.

Es öffnet uns alle Möglichkeiten, doch nimmt sie uns auch.

Wie frei sind wir in einer Gesellschaft, die nur auf Gewinn aus ist?

Für mich ist Geld eine der größten Mauern, die mich in diesem System

umgibt. Es nimmt mit mir Chancen. Ein Auslandsjahr kommt für

mich nicht in Frage. Die Reise nach der Schule muss ich mir selbst ersparen.

Aber eigentlich könnte man diese Schranken doch lösen.

Dem Geld die Bedeutung nehmen.

Dafür müsste man einiges an Komfort aufgeben, aber vielleicht gibt es dafür

endlich die absolute Freiheit.

Scheiß auf den Konsum und raus in die Welt.

Selbst anbauen, selbst jagen, selbst heizen. Typischer Alltag eines Selbstversorgers. Es gilt einiges aufzugeben.

Ob wir dadurch wirklich freier sind ist fraglich.

Und eine Revolution funktioniert selten allein.

Vielleicht sollten wir wieder auf den direkten Konsum, das Tauschsystem umsteigen. Alle ziehen mit, Geld verliert den Wert.

Eine sehr freigeistige Vision. Aber ein Versuch wert.

Psychische Mauern durch Druck der Gesellschaft von Jessica und David

Wir sind zwei 16 Jährige Jugendliche aus dem Westen Berlins. Die Historie der Berliner Mauer berührt uns nicht. Wir als Schüler haben mit den Mauern in unserem Leben zu kämpfen. Die größte Mauer in unserem Leben ist der Erfolgs- und Konkurrenzdruck in der Schule.

Er ist für uns beide strapaziös. Gute Noten und ein ausgezeichnetes Abitur sind Pflicht. Das wurde uns von unseren Eltern vorgegeben. Dieser Druck hat aber auch seine Vorteile, da er uns hilft gute Leistungen in der Schule zu bringen.

Die Erwartungen der anderen und die damit verbundenen Zwänge sind für uns die am schwersten zu überwindenden Mauern. Das gesellschaftliche Ansehen spielt für uns eine große Rolle. Es ist Abhängig von der Meinung anderer. Es sind Zwänge in Form vom Kleidungsstil, den Hobbys, dem Freundeskreis und der schulischen Karriere, die uns Druck machen. Der Kleidungsstil muss gut gewählt sein. Der Stil muss modern und nicht provokant sein bzw. zu freizügig. Entspricht der Kleidungsstil dem nicht wird man von Mitschülern und Eltern seines Umfelds verurteilt. Passt also die Kleidung nicht wird man auf seinen Stil reduziert und es wird über einen geredet.

Wenn man raucht, trinkt und zu oft Party macht gilt man ,nach den Eltern seines Umfeldes als schlechter Umgang für seine Freunde.

Zu dem muss die Karriere dem gesellschaftlichen Ideal entsprechen. Hat man kein gutes Abitur oder ist man gar ein Schulabbrecher wird man von den Älteren verachtet.

Bei allem Verständnis: Wir hätten es manchmal gerne etwas entspannter.

von Domenico

Meine Mauern sind für andere unsichtbar. Ich magerte ab. Verlor innerhalb weniger Monate mehr als 40 Kilo Gewicht. Ich versuchte den herrschenden gesellschaftlichen Normen zu entsprechen, um mir ein wenig von dem auf mich ausgeübten Druck von den Schultern nehmen zu können. Ich sprang über eine Mauer, eine nicht reale Mauer und doch war mir so als könnte ich sie fast greifen. Der Druck der heutigen Gesellschaft erfolgreich und ohne Makel zu sein hatte auch mich erreicht. Ich war schon von Beginn meiner schulischen Karriere an eine eher fragile Persönlichkeit, leicht zu beeinflussen und auch körperlich nicht dem herrschenden Ideal entsprechend. Ich ließ Kritik äußerlich nicht an mich heran, doch innerlich stellte ich mich dauerhaft in Frage. Daher war es für mich äußerst schwierig, wenn ich selbst in Kleinigkeiten übertrumpft wurde. In der Grundschule noch intellektuell überlegen, stieß ich spätestens auf dem Gymnasium auf intelligentere Menschen und damit auch auf das Problem, nicht mehr der Beste zu sein. Mir wurde von der ersten Minute vermittelt, dass es in der heutigen Gesellschaft nicht mehr ausreicht, nur der Zweitbeste zu sein. Es wird in den Bildungsanstalten von heute ein Ideal angestrebt, welches es früher so nicht gab. Natürlich muss es der Anspruch der Schule sein Bildung zu vermitteln. Doch zu welchem Preis? Es baut sich unter den Schülern etwas Neues auf, ein nie dagewesenes Streben nach Sieg im Konkurrenzkampf untereinander. Es werden Noten verglichen, Lehrer umschmeichelt und auch untereinander Zwist gesät. Es baut sich ein gewaltiger Druck auf, dem ich nur durch die Flucht in eine Sucht begegnen konnte. Ein Entkommen war nur möglich, indem ich meine Wohnsituation veränderte. Ich zog nach Italien, wo ich zwar auch in eine Schule ging, diese aber völlig frei von gesellschaftlichem Druck erleben konnte.

Protokoll von Lennard

Computerspiele sollten eigentlich entspannen und Spaß machen. Doch auch hier wird man als Spieler von Mauern eingeschränkt. Ich erfahre sie bei fast jeder nicht optimal verlaufenden Runde. Es gibt dann immer wieder diesen einen Spieler. Er kritisiert jede meiner Handlungen und beleidigt mich. Selbstverständlich verliere ich sofort die Lust am Spiel. Ganz besonders, wenn jemand zurück flucht und ein Hin und Her aus Beleidigungen entsteht. Meist verliert man dadurch nicht nur den Spaß sondern auch das Spiel. Hinzu kommt, dass ich aus solchen Spielen nichts lernen kann. Ich habe also nicht die Möglichkeit mich zu verbessern, wenn ich nicht schon gut genug bin.

Außerdem wird man als Spieler danach bewertet, wie gut man in Spielen ist.

Obwohl viele Spielbetreiber versuchen, derartiges Verhalten zu beenden, hat sich noch nichts verändert. Diese „Mauer“ scheint nur schwer überwindbar zu sein.

Protokoll von Leon

Das Mauerfall- Jubiläum ist überall. Im Mauerpark bei den heliumgefüllten Luftballons, im Geschichtsunterricht und auf dem Jugendpolitiktag. Die Berliner Mauer ist zwar seit 25 Jahren gefallen, aber in unserem eigenen Leben gibt es trotzdem noch Mauern und Grenzen. Gerade an Orten und Situationen, in denen man es am wenigsten erwartet.

In meinem eigenen Leben sind es zum Beispiel die zahllosen Zukunftsmöglichkeiten, die sich wie eine Mauer um mich ziehen und mir meine Grenzen aufzeigen. Nach dem Abschluss an einem renommierten Berliner Gymnasium in einem Jahr werden mir so viele Optionen offenstehen, was Studium, Auslandsaufenthalte und Berufswahl angeht. Ich will und muss die richtige Entscheidung treffen, und dieses Bewusstsein setzt mich unter Druck. Ich habe Angst, an der Entscheidung zu verzweifeln oder die falsche Wahl zu treffen. Der Druck der baldigen Entscheidung umgibt mich ständig, keine Woche vergeht, in der ich nicht gefragt werde, welchen Beruf ich später ausüben will.

Die Berliner hatten vor 25 Jahren den Mut und die Kraft, die physische Mauer, die sie umgab, einzureißen. Noch weiß ich nicht, woher ich die Kraft nehmen soll, meine eigene psychische Mauer zu überwinden und mich an die richtige Entscheidung zu wagen.

Diesen Herausforderungen müssen wir uns heute stellen, sie kommen uns genauso groß und unüberwindbar vor wie den Menschen in der DDR die Berliner Mauer.

Protokoll

Mauern auch zu Hause von Marie

Halb vier am Nachmittag, es ist gleich geschafft, dann kann ich endlich nach Hause. Die Sonne geht schon langsam unter. Ich fahre nach Hause und das erste was ich machen muss sind Hausaufgaben. Kaum aus der Schule gekommen und schon wieder lernen. Es stehen viele Tests und Klausuren an. Ich bin sehr müde und geschafft vom Tag. Das ist nicht immer so aber sehr oft. Zeit, sich kurz auszuruhen oder meinen Interessen, wie zum Beispiel reiten oder tanzen, nachzugehen, bleibt nicht viel. Für mich sind das Mauern, ich gehe in die Schule, strenge mich an, wenn ich das Schulgebäude verlasse bleiben die Mauern hinter mir. Das täuscht, sobald ich nach Hause komme geht es weiter, die Mauern sind wieder da. Ich würde gerne öfter mal etwas mit Freunden unternehmen, Schlittschuh laufen gehen, ins Kino oder auch einfach etwas backen. Aber die Mauern der Schule engen mich ein. Sie sind immer da und deshalb kann ich mich nicht richtig entfalten.

von Leo

Unsere Eltern und Großeltern erzählen uns von ihren Erlebnissen in den Tagen des Mauerfalls. Zutiefst bewegend. Geteilte Familien sind endlich wieder vereint. Ein Land wächst zusammen. Bilder von euphorischen Menschen auf der Mauer gehen um die Welt. Deswegen werden diese Begebenheiten im Geschichts-, politikwissenschaftlichen, und sogar Deutschunterricht intensiv behandelt. Außerdem werden Veranstaltungen wie der Jugendpolitiktag der Konrad-Adenauer-Stiftung organisiert, wo Zeitzeugen – also im Grunde alle, die älter sind als wir – leidenschaftlich von dem emotionalen Moment erzählen. Ulrike Poppe, Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, hat vor dem Plenum dieses Jugendpolitiktages berichtet, wie unglaublich ihr dieses Ereignis erschien. Unglaublich durch seine Dimension. Unglaublich durch die weitreichenden Folgen. Die gesamte Weltordnung einer Generation wurde auf den Kopf gestellt.

Auch für uns, die wir nicht dabei waren, ist der Mauerfall unglaublich. Unglaublich weit weg, nicht greifbar. Die Distanz ist zu groß. Auch wenn wir am Ort des zentralen Geschehens leben, erscheint uns die Zeit fremd. Wir haben keinen direkten Bezug. Allerdings haben die Folgen des Mauerfalls großen Einfluss auf unser Leben – ebenso wie die französische Revolution, ohne die unser demokratisches System in dieser Form nie entwickelt worden wäre. Weil wir die Freiheit genießen, die im geeinten Deutschland garantiert wird, haben wir die Möglichkeit zu wählen, sowohl zwischen Möglichkeiten, unser Leben zu gestalten, als auch in politischen Wahlen. Aufgrund dieser Wahlmöglichkeiten jedoch entsteht neuer Druck, neue Zwänge, die uns belasten oder uns sogar wie Mauern den angestrebten Weg versperren. Nur weil wir überhaupt die Freiheit haben, eigene Entscheidungen zu treffen, haben wir die Qual der Wahl. Nur weil wir die Freiheit haben, verschiedensten Beschäftigungen nachzugehen, entsteht Zeitdruck. Nur weil wir die Freiheit haben, uns eine eigene Meinung zu bilden, können wir überhaupt Urteile fällen – auch ungerechtfertigte. Zu dieser Feststellung kamen wir auf dem Jugendpolitiktag. Erst als wir versuchten, zu sammeln, was wir mit dem fünfundzwanzigjährigen Jubiläum des Mauerfalls verbinden, wurden wir uns unserer Distanz zum Mauerfall bewusst, haben aber zugleich andere Mauern gefunden, die uns bestimmte Möglichkeiten verbauen. Dazu gehören physische wie psychische Mauern. Die Gesellschaft setzt Grenzen. Der Tag hat nur vierundzwanzig Stunden, Zeitdruck wird demnach als Mauer wahrgenommen, ebenso Vorurteile, die Chancen im Weg stehen, sowie Druck seitens der Gesellschaft. Auch wenn wir keinen Bezug zur innerdeutschen Teilung haben, haben wir doch immer noch unsere eigenen Mauern, denn Mauern bestehen weiterhin. Sie müssen eingerissen werden. Aber das geht nicht allein.

Ein Kommentar von Lisa

Es gibt eine Geschichte, die wir in diesem Jahr oft gehört haben.

Sie handelt von einer Mauer, die vor mehr als 25 Jahren viel Leid verursacht hat. Menschen wurden voneinander getrennt, konnten nicht reisen, starben bei Fluchtversuchen. Sie wollten das Leben in der DDR nicht mehr ertragen. Sie wollten frei sein und neue Möglichkeiten haben. Es war von der SED-Regierung verboten den Menschen bei der Flucht zu helfen. Trotzdem gab es Helfer. Sie waren mutig und schmuggelten Leute in den Westen. Sie wurden als Helden gefeiert – schon damals.

Die Geschichte geht noch weiter. Es gab eine friedliche Revolution. Die Mauer fiel. Die Menschen waren glücklich. Sie feierten und hatten Freudentränen in den Augen. „Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.“

Doch ich höre auch von einer anderen Geschichte. Sie handelt ebenfalls von einer Mauer. Sie führt nicht durch unser Land, wir sind nicht direkt von ihr betroffen. Diese Mauer trennt Europa vom Rest der Welt.

Die Mauer verursacht viel Leid. Menschen werden voneinander getrennt, können nicht reisen, sterben bei Fluchtversuchen. Sie wollen das Leben in ihrem Heimatland nicht mehr ertragen. Sie wollen frei sein, nicht mehr unter Krieg, Hunger oder Verfolgung leiden und neue Möglichkeiten haben. Es ist verboten den Menschen bei der Flucht zu helfen. Die Menschen, die das tun, werden als Schleuser und Kriminelle bezeichnet. Die Grenze wird stark bewacht. Hohe Zäune mit Stacheldraht, Patrouillen, Flugzeuge, die das Meer überwachen. Einige Flüchtlinge werden wieder in ihr Land zurückgeschickt oder verbringen lange Zeit in einem Auffanglager, das manchmal wie ein Gefängnis anmutet.

Wird diese Mauer fallen? Und wenn ja – würde das die Probleme lösen? Wie geht diese Geschichte weiter?

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Kontakt

Christian Schleicher

Christian Schleicher bild

Stellvertretender Leiter Politische Bildungsforen und Leiter Politische Bildungsforen Süd

Christian.Schleicher@kas.de +49 30 26996-3230 +49 30 26996-53230

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