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Bulgarien hat eine neue Regierung

Borissov formt ein Minderheitskabinett

Knapp fünf Wochen nach der Par-lamentswahl wird Boiko Borissov zusammen mit dem Reformblock (RB) ein Minderheitskabinett bilden. Eine entsprechende Vereinbarung wurde am Donnerstag (6.11.) unterzeichnet.

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Borissovs Partei Gerb wurde am 5. Oktober mit gut einem Drittel der Stimmen mit Abstand stärkste Kraft im Parlament, das sich aus insgesamt acht Fraktionen zusammensetzt .

Gerb und der RB kommen auf 107 von 240 Sitzen. Um die notwendige parlamentarische Mehrheit von mehr als 120 Sitzen zu erreichen, versicherte sich Borissov der Unterstützung der Patriotischen Front (PF, 19 Sitze) und der Alternative für Bulgarische Widergeburt (ABV, 11 Sitze) . Beide werden die Regierung im Parlament tolerieren. Am heutigen Freitag (7.11.) wurde Borissov mit 149 Stimmen zum zweiten Mal zum Premierminister Bulgariens gewählt . Das ist in der jüngeren Geschichte des Landes bislang einmalig.

Das Kabinett wird aus 18 Ministern bestehen, zehn davon wird Gerb besetzen, sieben der RB, und die ABV erhält einen Ministersessel. Zudem wird es vier Stellvertretende Ministerpräsidenten geben: Rumiana Bachvarova (Gerb), Tomislav Donchev (Gerb), Meglena

Kuneva (RB) und Ivailo Kalfin (ABV).

Die Verhandlungen zur Bildung des Kabinetts verliefen aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Parlament und die Heterogenität der Parteien äußerst schwierig. Die Bildung einer Großen Koalition aus Gerb und den Sozialisten kam über Ansätze nicht hinaus. Ein Zusammenschluss der bürgerlichen EVP-Parteien Gerb und RB war die nahe liegende Alternative, jedoch ohne parlamentarische Mehrheit und zunächst behindert durch Differenzen zwischen den Partnern .

Allerdings wollten alle Parteien Neuwahlen vermeiden, zumal diese die Politikverdrossenheit und Wahlabstinenz der Bevölkerung weiter angefacht hätten.

So ist die jetzt gefundene Lösung zwar die einzig machbare für Borissov, der um diese Aufgabe nicht zu beneiden war. Sie ist aber kompromissbehaftet: Die PF, ein Wahlbündnis aus zwei nationalistischen Parteien , stieß bei den europäischen Partnern schnell auf große Skepsis. Ihr werden russophile Tendenzen nachgesagt und eine Skepsis gegenüber dem Westen. Die PF hatte aber nach achtstündigen Verhandlungen dem Regierungsprogramm von Gerb und dem RB zugestimmt. Sie hält mit ihren Stimmen zukünftig den Schlüssel für die Regierungsmehrheit im Parlament in ihren Händen.

Nur Minuten später und in einem anderen Raum des Parlaments folgte die ABV mit einer entsprechenden Deklaration.

Warum sich Borissov dazu entschieden hat, die Unterstützung der ABV zu suchen und sie an der Regierung zu beteiligen, bleibt offen. Arithmetisch wäre dies nicht notwendig gewesen, denn die Stimmen der PF genügen zur Absoluten Mehrheit, hingegen würden nur die Stimmen der ABV nicht genügen. Die Hinzunahme der ABV macht so aus einer Mitte-Rechts-Koalition eine, die weit ins linke Spektrum hineinreicht und so ggf. instabiler werden wird. Borissov spricht von einer neuen politischen Kultur, die Brücken zwischen rechts und links baue.

Diese räumliche und zeitliche Trennung der Unterzeichnung der Adressen durch die PF und die ABV zeigt, dass die beiden Parteien, die das Kabinett tolerieren werden, miteinander wenige Gemeinsamkeiten haben, abgesehen vielleicht von einer russlandfreundlichen Haltung, die beiden nachgesagt wird. Allerdings wird die ABV mit Ivailo Kalfin als Stv. Ministerpräsidenten und Sozialminister prominent in der Regierung vertreten sein. Die PF stellt keine Minister. Das fördert zwar die Kabinettsdisziplin. Allerdings bemerkten die ABV und die PF, dass sie sich gegenteilige Meinungen nicht verbieten lassen wollten.

Der Einfluss der DPS („Türkenpartei“) scheint zumindest in der Regierung begrenzt. Nach dem Skandal um die Benennung von Deljan Peevski zum Direktor des Inlandsgeheimdienstes DANS und den fol-genden Protesten des Sommers 2013 ist ihr Ruf, auch auf europäischer Ebene, angeschlagen. Allerdings stellt sie eine große Fraktion und könnte, wenn das ausgehandelte Tolerierungsmodell scheitern sollte, „einspringen“ und so wieder an Macht gewinnen. Auch sorgt bei Beobachtern die Berufung von Vladislav Goranov (Gerb) zum Finanzminister für Bedenken, da ihm eine große Nähe zu Peevski nachgesagt wird, was er allerdings vehement bestreitet.

Wie stabil diese Regierung sein wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Entscheidend für ihren Erfolg wird sein, ob sie die für das Land dringend gebotenen Reformen durchsetzen kann, wie sie mit dem russischen Einfluss und den mit ihm verbundenen Energieinteressen (South Stream, Belene) umgeht und ob es ihr gelingen wird, den Einfluss oligarchischer Kreise zu begrenzen.

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