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Justizreform auf dem Weg

Risiko bleibt

Nach einer Woche zäher Verhandlungen, die oft vor dem Scheitern standen, zeichnet sich nun die Struktur einer Justizreform ab - das zentrale Reformvorhaben der Gerb-Regierung unter Boiko Borissov.

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Da die Regierung nicht die benötigte Zweidrittelmehrheit (160 Stimmen) der Abgeordneten stellen kann, ist sie auf die Stimmen der Partei der ethnischen Türken (DPS) oder der der Sozialisten (BSP) angewiesen.

Gespräche des MP mit dem Vorsitzenden der BSP, Mikov, scheiterten am Mittwoch. Die BSP legte auch keine Alternativvorschläge vor.

Dies tat allerdings die DPS am Dienstag während der Gespräche mit Borissov und dem Reformblock. Mestan, der Vorsitzende der DPS, versprach eine Mehrheit von 180 Stimmen und einen schnellen Vollzug der Reform noch vor den Kommunalwahlen Ende Oktober. Die Vorschläge der DPS würden die Reform in ihrer Wirkung allerdings deutlich abschwächen: Die Aufteilung des Obersten Justizrates in ein Gremium der Staatsanwälte und eines der Richter soll zwar umgesetzt werden, aber die wichtigen Personal- und Disziplinarentscheidungen sollen nicht, wie vorgesehen, getrennt nach Staatsanwälten und Richtern von diesen beiden Gremien getroffen werden. Sie soll das Plenum, d. h. alle Mitglieder des OJR treffen, wie bisher. Damit bliebe es bei der gegenseitigen Beeinflussung beider Gruppen und der starken Stellung des Generalstaatsanwalts gegenüber den Richtern. Zudem soll es weiterhin bei der geheimen Wahl bleiben, was das Erkennen von Abhängigkeiten und Netzwerken erschwert oder unmöglich macht. Die Reduzierung der Wahlperiode der Mitglieder des OJR soll nicht von fünf auf vier Jahre verkürzt werden.

Borissov mahnte an, dass ein Scheitern der Reform den Schengen-Beitritt des Landes auf längere Zeit verhindern würde und der Abstand zu Rumänien, dessen Justiz eine beachtenswerte Kehrtwende vollzogen hat, größer werde, was Einfluss auf die CVM-Berichte der EU-Kommission haben werde.

Wohl auch deshalb kam es am Mittwochnachmittag erneut zu Gesprächen der Regierungsparteien mit der DPS. Die DPS gab in der Frage der Zuständigkeiten der beiden Gremien der Richter und Staatsanwälte nach; sie sollen so, wie im Regierungsentwurf festgelegt, verabschiedet werden.

Hingegen konnte die DPS durchsetzen, dass die Wahl im OJR weiterhin geheim bleibt. Strittig blieb die Frage der Zusammensetzung der beiden Gremien der Richter und Staatsanwälte, weil der RB dem Vorschlag der DPS nicht folgen wollte. Die DPS strebt an, dass die Anzahl der vom Parlament bestimmten Mitglieder des Gremiums der Staatsanwälte nicht höher sein dürfe als die Zahl der von den Staatsanwälten selbst bestimmten Mitglieder (6:6 statt 6:5). Bei den Richtern soll das Verhältnis von 5:8 auf 6:8 verbessert werden (8 vom Parlament bestimmt).

Der Reformblock diskutierte den Kompromissvorschlag der DPS am Mittwochabend und lehnte ihn ab.

Am Donnerstag kam es zu erneuten Gesprächen, die den Durchbruch brachten. Demnach akzeptiert die DPS die Kompetenzen der Gremien der Richter und Staatsanwälte ebenso wie ihre zahlenmäßige Zusammensetzung. Das Inspektorat des OJR bekommt erweiterte Befugnisse. Dieses Aufsichtsgremium darf die Eigentumsverhältnisse der Richter prüfen und Interessenkonflikte feststellen. In diesen Punkten konnte der RB bzw. der Justizminister den Entwurf durchsetzen.

Nicht verändert wird allerdings die geheime Wahl und die Dauer der Amtsperiode des OJR (5 Jahre). Der Justizminister hat bei Personalentscheidungen kein Stimmrecht, und die einfachen Gerichte dürfen sich nicht an das Verfassungsgericht wenden. Hier obsiegte die DPS.

Allerdings, und das ist der Wermutstropfen, vereinbarten die Parteien, dass das Verfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der von der Regierung eingebrachten Veränderungen zwischen 1. und 2. Lesung prüfen soll. Das dürfte in etwa Anfang September der Fall sein. Ferner wurde vereinbart, dass der Entwurf, sollte das VerfGer negativ entscheiden, in veränderter Form angenommen werden soll. Diese Version entspräche dann dem DPS-Entwurf bzw. einer Justizreform „light“.

Fraglich ist, ob die EU - Kommission eine solche Justizreform, die mehr oder minder alles beim Alten ließe, als Fortschritt werten würde.

Die von der Regierung gewünschten Veränderungen liegen nun in den Händen des VerfGer, und es ist der Reform zu wünschen, dass die Richter positiv entscheiden werden.

Begleitet wurden die Diskussionen über die Reform von einer Plakataktion in der Nacht vom 12. auf den 13. Juli in Sofia. Die Plakate zeigten die Portraits vom Fraktionsvorsitzenden des RB, Kanev, Gesundheitsminister Moskov, Außenminister Mitov und Justizminister Ivanov sowie Akteure der Protestbewegung von 2013 gegen die BSP/DPS-Regierung mit der Unterschrift „Diese Männer stören unsere Liebe zu Russland“. Die Verfasser blieben anonym. Moskov kommentierte dies bei Nova TV wie folgt: „Wenn die Liebe zu Russland bedeutet, dass das Gerichtssystem die gleiche Kloake bleibt, dann Merci!“.

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