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Vertraute Fremde – Muslime in Bulgarien (Teil III)

"Gut nachbarschaftliches Verhältnis"

Für eine von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sofia in Auftrag gegebene journalistische Recherche haben der Photograph Christian Muhrbeck und Frank Stier Anfang April 2015 von Muslimen besiedelte Provinzen bereist. 'Wie leben Muslime in Bulgarien und wie praktizieren sie ihren Glauben?' lautete ihr Erkenntnisinteresse. Außer mit Muslimen - Muftis, Imamen und Gläubigen – haben Muhrbeck und Stier auch mit Journalisten und Wissenschaftlern gesprochen, die einen Expertenblick auf das Thema haben.

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Wollen bulgarische Fernsehsender das Thema „radikaler Islam in Bulgarien“ illustrieren, so greifen sie gern zu Filmaufnahmen, die vollverschleierte Frauen im Roma-Viertel von Pasardschik zeigen. Auch Schaksine trägt eine nur die Augen frei lassende Burka, als sie uns im Gemeinderaum der Ebu Bekir-Gemeinde in Pasardschik gegenübersitzt und über ihren Übertritt zum Islam spricht.

Sie ist die Ehefrau des Predigers Ahmed Musssa, der als einziger der Angeklagten im Pasardschik-Prozess wegen angeblicher Aufstachelung zu religiösem Hass erstinstanzlich zu einer effektiven Haftstrafe verurteilt wurde. Schaksine hält die Inhaftierung ihres Mannes für ungerecht und beteuert, er habe sich der gegen ihn gerichteten Vorwürfe niemals schuldig gemacht. „Es war vor achtzehn / neunzehn Jahren, dass wir den Islam angenommen haben. Er hat unsere persönliche Beziehung sehr verbessert und unser Leben völlig verändert“, erzählt sie. Anfangs habe sie nicht einmal gewusst, wie man einen Schleier trägt, im Laufe ihrer religiösen Entwicklung aber begonnen, über die muslimische Kleiderordnung für Frauen nachzulesen und sich schließlich entschlossen, die Burka zu tragen. Diese Art der Kleidung wolle sie nicht als Zeichen der Abwehr gegenüber Andersgläubigen verstanden wissen, pflege in den Versammlungen der Frauen ihres Viertels normalen Umgang mit Frauen, die keinen Schleier tragen, sondern Jeans. Die Lebensverhältnisse im Roma-Viertel hätten sich stark zum Besseren gewandelt, dadurch dass in den vergangenen Jahren immer mehr seiner Bewohner zum Islam konvertiert seien, beteuert Schaksine.

„Anders als in Medienberichten behauptet, wird bei uns im Roma-Viertel Pasardschik-Istok kein Druck auf Frauen ausgeübt, die Burka zu tragen“, sagt Jaschar Mustafa. Auch sei es nur ein Mediengerücht, die Frauen würden für ihre Vollverschleierung bezahlt. „Sie bekommen dafür ebenso wenig Geld wie ich für meinen langen Bart. Hätte ich für ihn tatsächlich jeden Monat 500 € bekommen, müsste ich schon reich sein, immerhin trage ich ihn bereits seit zwanzig Jahren“.

Wie Schaksine sieht auch Jaschar Mustafa eine positive Entwicklung im Roma-Viertel von Pasardschik seit dem Übertritt vieler seiner Bewohner zum Islam. Habe es früher jede Woche einen Mord gegeben und viele Diebstähle, so herrsche jetzt mehr Ordnung und größere Solidarität. Im Grunde, so meint er, habe die muslimische Gemeinde die Arbeit geleistet, die eigentlich die Polizei hätte erledigen müssen. Das soziale Engagement sei dabei ein wichtiger Faktor. Regelmäßig würden Sammlungen durchgeführt, um Bedürftige mit Kleidern, Nahrungs- oder Geldspenden zu unterstützen. Welcher Konfession diese angehörten, spiele dabei keine Rolle.

„Während des Rammadans versorgen wir bedürftige Familien mit Sachen, die sie benötigen und machen dabei keinen Unterschied, ob es sich bei ihnen um Türken, Bulgaren oder etwas anderes handelt“, berichtet auch Beihan Mehmed von den sozialen Aktivitäten seiner Regionalmuftei in Kardschali.

Und Djevdjet Skenderov, Imam des überwiegend von Muslimen bewohnten Rhodopendorfs Osikovo, beschreibt das gutnachbarschaftliche Verhältnis zu den christlichen Mitbürgern so: „Unsere Religion lehrt uns, tolerant gegenüber allen Menschen zu sein, egal welcher Religion sie angehören. Als die Christen vor zwei Jahren Geld brauchten, um ihre Kirche zu renovieren, haben wir vom Verwaltungsrat der Moschee eine Spendenkampagne für sie durchgeführt. Die Summe war nicht sehr groß, aber es war unsere Geste, ihnen zu zeigen, dass wir sie als Mitbewohner im Dorf schätzen“.

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Thorsten Geißler

Thorsten Geißler

Leiter des Auslandsbüros Bulgarien

thorsten.geissler@kas.de +359 2 943-4388 +359 2 943-3459
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22. Juni 2015
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