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Veranstaltungsberichte

Das neue Grundsatzprogramm der CDU aus Sicht Bulgariens

Vortrag von Prof. Hristo Todorov am 8.April

Im Rahmen der Reihe "Politik und Werte" hat die KAS am 8. April eine Diskussion über das neue Grundsatzprogramm der CDU im Sofioter Radisson-Hotel organisiert. Im folgenden der Text des Referats von Prof. Hristo Todorov von der Neuen Bulgarischen Universität.

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Sofia, den 8. April 2008

Das neue Grundsatzprogramm Bulgariens

Prof. Dr. Christo Todorov (NBU, Sofia)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, allem voran möchte ich mich bei dem Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung Bulgarien und namentlich seinem Leiter Herrn Andreas von Below für die Einladung zu dieser Veranstaltung herzlich bedanken. Es ist mir in der Tat eine Ehre und Freude, heute vor Ihnen sprechen zu dürfen. Meine Aufgabe, so wie ich sie verstehe, ist, Ihnen einen Eindruck vom neulich verabschiedeten Grundsatzprogramm der CDU zu vermitteln. Da die Zeit wie immer sehr begrenzt ist, wird mein Bericht bestimmt schematisch ausfallen.

Wessen Partei ist die CDU?

Bevor ich mit meinen Ausführungen über das Grundsatzprogramm beginne, möchte ich eine allgemeine Charakteristik der CDU als Partei geben, indem ich auf die typischen Züge der Menschen hinweise, die die CDU als Mitglieder, Anhänger, Helfer und Wähler unterstützen und tragen. Dabei werde ich zum Teil auch aus eigener Erfahrung sprechen. Also, wessen Partei ist die CDU?

Die CDU ist eine Partei unabhängiger Menschen. Das sind Menschen, die mit ihrem eigenen Leben und dem Leben ihrer Familien gut zurecht kommen, die nicht glauben, dass etwa die Sorge um ihr eigenes Wohl, um ihre Gesundheit, um den Frieden in ihren Familien, um die Erziehung ihrer Kinder von anderen getragen werden soll. Das sind Menschen, die glauben, dass die Pflichten der anderen zu ihnen niemals größer sein dürfen als ihre eigenen Pflichten zu den anderen.

Die CDU ist eine Partei verantwortungsbewusster Menschen. Es geht um Menschen, die klare moralische Orientierungen haben und die bereit sind, selbst für ihre Entscheidungen und Handlungen Verantwortung vor den anderen und vor dem eigenen Gewissen zu tragen. Es ist daher kein Zufall, dass Verantwortung dasjenige Schlüsselwort ist, das im Grundsatzprogramm am häufigsten vorkommt.

Die CDU ist eine Partei gesellschaftlich aktiver Menschen. Das sind Menschen, die nicht glauben, dass für die Angelegenheiten ihrer Gemeinden und der Gesellschaft als Ganzes andere sorgen müssen. Dementsprechend sind sie immer bereit, sich persönlich zu engagieren und selbst für das Gemeinwohl etwas zu opfern. Das erklärt die ganz große Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips für die CDU.

Die CDU ist eine Partei von Menschen, die auf eine eher unspektakuläre, nicht laute aber dafür sehr tiefe und vor allem tätige Art und Weise ihr eigenes Land lieben und sich an der Gestaltung seiner Zukunft aktiv beteiligen.

Gerade weil die CDU eine Partei unabhängiger, verantwortungsbewusster, moralisch stabiler und gesellschaftlich aktiver Patrioten ist, ist sie eine Partei von Menschen, die eine im Grunde genommen positive Einstellung zum Leben als Ganzes und zu den anderen haben. Oft nimmt diese Einstellung die Form echter Herzlichkeit und bewunderungswürdiger Herzensgüte an.

Welche historischen Verdienste hat die CDU?

Die CDU hat durch ihre Tätigkeit das Leben der Bundesrepublik Deutschland bereits seit ihrer Gründung 1949 entscheidend geprägt. Hier möchte ich ganz kurz die wichtigsten historischen Leistungen der CDU in Erinnerung rufen.

Die CDU ist die Partei, die in der Nachkriegszeit den bei weitem größten Beitrag zur Gründung einer gerechten funktionsfähigen liberal-demokratischen Verfassungs- und Rechtsordnung geleistet hat. Hier sei an die Person von Konrad Adenauer erinnert.

Die CDU ist die Partei, die durch die Etablierung des gesellschaftlichen Modells der sozialen Marktwirtschaft das Land aus dem wirtschaftlichen Ruin heraus geführt hat, zum wichtigsten Faktor des „deutschen Wirtschaftswunders“ geworden ist und die Voraussetzungen für den „Wohlstand für alle“ geschaffen hat. In dieser Sache sind die Verdienste Ludwig Erhards nicht zu übersehen.

Die CDU ist die Partei, die durch ihre Außen- und vor allen Dingen Europapolitik die Rückkehr Deutschlands in die Völkerfamilie möglich gemacht und den Grundstein eines vereinigten Europas gelegt hat.

Die CDU ist die Partei, die die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 vollzogen hat, durch die eine der schlimmsten Wunden des Zweiten Weltkrieges geheilt wurde. In diesem Zusammenhang muss man unbedingt an Helmut Kohl erinnern.

Warum braucht die CDU ein neues Grundsatzprogramm?

Seriöse politische Parteien ändern ihre Programmatik nur wenn wichtige gesellschaftliche Veränderungen eingetreten sind. Ich möchte hier vier Komponenten des tiefen gesellschaftlichen Wandels in Deutschland benennen, auf den das neue Grundsatzprogramm eine überzeugende Antwort sucht, ohne sie an dieser Stelle diskutieren zu können. Diese Komponenten sind: die Effekte der Globalisierung, die zunehmende Rolle des Wissens für alle gesellschaftlichen Prozesse, die demografischen Veränderungen und namentlich die zunehmende Alterung der Gesellschaft und die veränderte Rolle Deutschlands in Europa und in der ganzen Welt nach der Wiedervereinigung.

Was ist das Bezeichnende für die CDU angesichts des neuen Grundsatzprogramms?

Die CDU ist und wird auch künftig eine konservative Partei sein. Dieser Konservatismus ist grundsätzlich. Er beruht auf der Auffassung, die vor einigen Jahrzehnten der prominente Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde formuliert hat, eine Auffassung, nach der der moderne freiheitliche Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann (Art. 278 des Grundsatzprogramms). Die wichtigsten moralischen Werte, die die Grundlage der Gesamtprogrammatik der CDU bilden, sind die Achtung der Menschenwürde, die Freiheit, die Achtung vor dem Gesetz, die Toleranz, die individuelle Verantwortung usw.

Nun möchte ich sechs Beispiele geben, die sich auf die Haltung der CDU zu konkreten politischen Fragen beziehen. Diese Beispiele sind von mir mehr oder weniger frei gewählt. Ich hoffe, dass man angesichts solcher Beispiele sich eine Vorstellung von der Politik der CDU in konkreten Bereichen bilden könnte.

  1. Das erste Beispiel ist aus dem Bereich der Familienpolitik. Im Artikel 80 heißt es: Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf verwirklichen. Wir erkennen an, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind. Dies gilt nicht nur für nicht-eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern. Dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung. Eine Gleichstellung mit der Ehe zwischen Mann und Frau als Kern der Familie lehnen wir jedoch ebenso ab wie ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Die CDU erkennt also das Recht der Menschen an, selbst die Form ihrer Partnerschaft zu wählen, zugleich aber will sie als eine christliche Partei die privilegierte Stellung der Ehe nicht aufgeben.

  2. Das zweite Beispiel kommt aus der Schul- und Bildungspolitik. Im Artikel 98 handelt es sich um die in Deutschland bestehenden Schultypen: Das vielfältige gegliederte Schulwesen hat sich bewährt und erfolgreich weiterentwickelt. Das Konzept der Einheitsschule lehnen wir ab. Unsere Devise lautet vielmehr: Für jeden Abschluss einen Anschluss. Es müssen die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Schulen stetig besser und den Schülern gerecht werden. Jeder Schüler kann etwas und hat eine Schule verdient, die es schafft, seine Stärken zu stärken. Wir erwarten, dass eine Schule unter ähnlichen Bedingungen keine schlechtere Bilanz aufweist als vergleichbare Schulen. Im Unterschied vor allem zur SPD und anderen Parteien vertritt die CDU in der Schulpolitik einen gemäßigten Traditionalismus.

  3. In meinem dritten Fall geht es um Wirtschaftspolitik. Ich zitiere Artikel 161:Wir müssen uns wieder stärker auf die grundlegenden Ordnungsprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft besinnen und sie in die richtige Balance bringen, um die Ziele Vollbeschäftigung, stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum, solide Haushalte und stabile soziale Sicherungssysteme zu erreichen. Dazu gehört auch, die Schöpfung zu bewahren und schonend mit den natürlichen Ressourcen umzugehen. Dann sind wir auch künftig das Land von Freiheit und Gerechtigkeit, Aufstieg und Sicherheit, Miteinander und Füreinander. Leitlinie muss das Subsidiaritätsprinzip sein. Es muss gelten: So wenig Staat wie möglich, so viel Staat wie nötig. Deutschland braucht grundlegende Reformen, damit wir unseren Wohlstand sichern und mehren können und damit es gerecht zugeht. Dabei misst sich soziale Gerechtigkeit vorrangig an den Lebenschancen der Bürger. An dieser Stelle haben wir die Formulierung des ganz wichtigen Subsidiaritätsprinzips.

  4. Dieses Beispiel bezieht sich auf das Verständnis der CDU des Sozialstaates. Hier sind vor allem Artikel 181 und 182 wichtig. Die CDU ist einer sozialen Politik verpflichtet, die die Lebenschancen der Menschen und das Miteinander in der Gesellschaft verbessert. Eine nur auf finanzieller Zuwendung beruhende Vorstellung von Sicherheit und Solidarität lehnen wir ab. Nur eine Kombination aus Eigenverantwortung, staatlichen Leistungen und bürgerschaftlichem Engagement kann die Sicherheit schaffen, die die Menschen brauchen. … Der Sozialstaat hat Großes geleistet. Er bleibt unverzichtbar. Die Systeme der sozialen Sicherung sind maßgeblich von der CDU gestaltet. Durch die solidarische Absicherung von Risiken geben sie den Menschen Sicherheit. Sie haben breiten Wohlstand, sozialen Frieden und Teilhabe gebracht. Sie können aber ihre Aufgabe in Zukunft nur erfüllen, wenn sie weiter entwickelt und verändert werden. Ziel ist der aktivierende Sozialstaat, der den Einzelnen verstärkt motiviert und in die Lage versetzt, im Rahmen seiner Möglichkeiten Eigeninitiative und Eigenverantwortung zu übernehmen. Die Hauptfunktion des Sozialstaates besteht also in der Förderung der Eigeninitiative und der Eigenverantwortung der Bürger.

  5. Durch das fünfte Beispiel möchte ich auf wichtige Positionen der CDU im Bereich der Biopolitik hinweisen. Ich zitiere Artikel 231: Die unantastbare Würde des Menschen als Geschöpf Gottes ist menschlicher Verfügung nicht zugänglich und ist zu schützen. Der Mensch ist immer Subjekt, er darf niemals Objekt sein. Die Würde des Menschen ist auch für die Bewertung bioethischer Herausforderungen Ausgangs- und Orientierungspunkt. Sie erfordert Achtung und Schutz des menschlichen Lebens in allen Phasen. Das noch nicht geborene Leben bedarf beginnend mit der Verschmelzung von Samen und Eizelle unseres besonderen Schutzes und unseres kritischen Umgangs mit den sich weiter entwickelnden Möglichkeiten der Pränataldiagnostik. Wir treten für ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) ein. Mit den hohen Abtreibungszahlen, die sich auch aus Spätabtreibungen ergeben, finden wir uns nicht ab. Wir müssen Frauen und Männern dabei helfen, sich für das Leben zu entscheiden. Aus diesen Sätzen geht hervor, dass sich die CDU im Unterschied zu anderen deutschen Parteien für eine christlich begründete restriktive Biopolitik einsetzt.

  6. Mein letztes Beispiel ist aus dem Bereich der Sicherheitspolitik. Artikel 288 lautet: Freiheit und Sicherheit sind elementare Grundbedürfnisse des Menschen. Sie schließen sich nicht aus, sondern bedingen einander. Aus dem hoheitlichen Anspruch des Staates auf das Gewaltmonopol resultiert seine Verpflichtung, Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten. Der Staat, der sich nicht gegen seine Feinde verteidigt, verspielt die Freiheit seiner Bürger. Wir brauchen daher Wachsamkeit gegenüber jeder Form von Intoleranz, Extremismus und Gewalt. Es darf keine Toleranz gegenüber Intoleranz geben. Nach den leidvollen Erfahrungen mit extremistisch motivierter Gewalt sind wir uns der großen Verantwortung im Kampf gegen rechts- und linksextreme Gruppierungen bewusst. Der Staat muss nach der CDU den Mut und die Kraft haben, sich gegen seine Feinde zur Wehr zu setzen. Was das genau bedeutet, kann man sich vorstellen, wenn man bedenkt, dass manche Parteien nicht einmal anerkennen, dass auch der demokratische Staat Feinde haben kann.

Meine Ausführungen präsentieren den Inhalt des neuen Grundsatzprogramms der CDU nur andeutungsweise und sehr schematisch. Ich würde mich aber freuen, wenn sie manche meiner Zuhörer dazu anregen, das ganze Programm zu lesen und darüber nachzudenken. Es lohnt. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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