Asset-Herausgeber

Einzeltitel

Internationale Marktwirtschaft - Perspektiven für einen globalen Ordnungsrahmen

von Johannes von Thadden
Nicht zuviel oder zu schnelle Globalisierung, sondern zu wenig Soziale Marktwirtschaft ist die Ursache für viele der Probleme die der Globalisierung angelastet werden. Nach Johannes von Thadden, stellv. Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung hat die Soziale Marktwirtschaft das Potential als Wirtschaftsordnung für die Welt.KAS-Schriftenreihe China Nr. 24, Beijing, Deutsch/Chinesisch, 23 Seiten.

Asset-Herausgeber

Rede zum Thema Globalisierung von Johannes v. Thadden, stellv. Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Globalisierung polarisiert.

Globalisierung hat als Prügelknabe das Erbe des Kapitalismus angetreten. Die Globalisierung wird für alle Übel in der Welt verantwortlich gemacht, von Armut und Unterentwicklung in der Dritten Welt über Arbeitslosigkeit und kulturellen Verfall in Industrieländern bis hin zu dem Vorwurf, sie sei die Fortsetzung des Imperialismus mit neuen Mitteln.

Befürworter der Globalisierung dagegen sehen in dem Sieg der marktwirtschaftlichen Ordnung über sozialistisch-bürokratische Systeme einen entscheidenden Sieg der Freiheit über Diktatur und Unterdrückung und eine große Chance für Arm und Reich in aller Welt, ihre Lebensbedingungen nachhaltig zu verbessern.

In der Welt ist die Zahl derer, die menschenwürdig leben können, deutlich gewachsen. Der Anteil der Menschen in absoluter Armut ist ebenso zurückgegangen wie die Kindersterblichkeit. Lebenserwar-tung und Bildungsniveau weltweit steigen.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung befürwortet die Globalisierung: Die zunehmende Integration der Weltmärkte hat dazu geführt, dass so viele Menschen so gut wie noch nie in der Geschichte der Menschheit leben können. Die deutlich steigende Lebenserwartung in vielen Ländern ist dafür ein guter Indikator.

Aber wir sind nicht blind oder unkritisch: Es gibt nach wie vor viel Ungerechtigkeit, viel Unfreiheit, viel Armut in der Welt

- zum Teil, weil einzelne Gesellschaften den Sprung in Demokratie, Marktwirtschaft, offene Märkte und gerechte Gesellschaftsstrukturen noch nicht vollzogen haben,

- zum Teil, weil die Globalisierung noch nicht weit genug gegangen ist,

- zum Teil aber auch, weil die Globalisierung neue Herausforderungen schafft.

Viele Menschen haben Sorgen und Ängste. Wir suchen deshalb den Dialog mit so genannten Globalisierungskritikern, zum Beispiel auf dem Ökumenischen Kirchentag.

Die Konrad – Adenauer – Stiftung läuft der Globalisierung nicht hinterher. Wir versuchen, sie aktiv zu gestalten – mit Büros in 50 Ländern der Welt und Projekten in 100 Ländern.

Heute funktionieren wichtige Teile der Weltmärkte entweder gar nicht, weil sie von protektionisti-schen Regierungen abgeschottet werden, oder es herrschen ungezügelte Strukturen wie in frühkapitalistischen Zeiten. Denken Sie an die Agrarmärkte, auch bei uns in Europa, die mit hohen Subventionen und hohen Hürden umgeben sind. Denken Sie an die Finanzmärkte, in denen täglich mehr gehandelt wird als das gesamte Weltsozialprodukt eines Jahres. Soziale Marktwirtschaft ist etwas ganz anderes als Protektionismus oder Kapitalismus. Soziale Marktwirtschaft ist ein eigenständiger Weg und für die Zukunft der Welt der richtige Weg.

Unbestreitbar gibt es in der Welt jede Menge beklagenswerter Umstände.

Wir leben längst in einer Welt, in der die Probleme der einen untrennbar verknüpft sind mit dem Schicksal aller anderen Menschen.

Genau so wie die Gründerväter der Sozialen Marktwirtschaft erkannt haben, dass alle Gesellschafts-schichten in Deutschland nach dem Krieg Teil haben mussten am Wiederaufbau und am wachsenden Wohlstand – genau so wie damals müssen wir heute erkennen, dass die Globalisierung auf Dauer nur akzeptiert und erfolgreich sein wird, wenn alle Menschen in der Welt von ihr profitieren. Es ist eine Illusion, wir könnten die Vorteile der Globalisierung im Norden der Welt genießen, wenn nicht auch die Menschen im Süden profitieren – überdurchschnittlich sogar; denn die Menschen im Süden müssen meist erst aus tiefer Armut herauskommen.

Natürlich besteht die Gefahr, dass wichtige politische Themen verzerrt und instrumentalisiert werden. So finden sich unter den Globalisierungsgegnern offenkundig solche, die mit einer freiheitlich-marktwirtschaftlichen Ordnung nichts anfangen können. Dies gilt auch für ATTAC, unter deren Dach sich auch linksradikale Strukturen verbergen, die ihre alten zerstörerischen Ziele unter der neuen Überschrift „Kampf gegen die Globalisierung“ fortsetzen. Wenn diese Gruppen – wie etwa der „schwarze Block“ – dann auch noch gewalttätig werden, sind die Organe der inneren Sicherheit für sie der richtige Dialogpartner.

Andererseits gibt es zweifellos auch unter den Unternehmen „schwarze Schafe“, die unter „Chancen der Globalisierung“ die Gelegenheit zum Abbau erreichter Sozialstandards sehen und die wenig Bedenken haben, mit Diktaturen einträgliche Geschäfte zu machen. Beiden, „Schwarzem Block“ und „schwarzen Schafen“, muss Einhalt geboten werden – deswegen benötigen wir zur Sicherung einer gerechten Rechts- und Wirtschaftsordnung einen starken Staat bzw. starke internationale Institutionen, die die notwendigen Spielregeln aufstellen und durchsetzen.

Dies ist auch das erklärte Ziel der internationalen Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung: Menschenrechte, Rechtsstaat, Demokratie und Soziale Marktwirtschaft in aller Welt zu fördern, um damit für alle Menschen Freiheit und Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Wohlstand zu ermöglichen. Dies bringt mich zu meiner ersten These:

Globalisierung ist nicht nur ein wirtschaftliches Phänomen

Gewiss wird sie durch die wirtschaftliche Entwicklung und durch wirtschaftliche Interessen vorangetrieben. Langfristig wichtiger als die weltweite Verbreitung von Coca Cola und Mercedes ist die Globalisierung von Wissen und Werten. In dem hoch interessanten, wenn auch umstrittenen Buch von Samuel Huntington „Clash of Civilizations“ findet sich der richtige Satz: „The essence of Western culture is not the Magna Mac but the Magna Carta.“ Und dann fragt Huntington, wer im Westen denn die Magna Carta als Basis unserer politischen Wertkultur noch kenne.

Politische Überzeugungen breiten sich dank der Massenmedien viel schneller aus als je in der Vergangenheit. Sogar Saddam Hussein ließ Wahlen abhalten, um sein Regime wenigstens scheinbar zu legitimieren. „Westliche Werte“ haben die Welt also zumindest rhetorisch erobert.

Aber nicht nur Werte treten einen Siegeszug um die Welt an, auch Wissen ist global verfügbar geworden – nützliches und gefährliches. So ist es offenbar möglich, das zum Bau von Atombomben benötigte „Know how“ im Internet zusammenzusuchen. Computerviren wie auch „echte“ Viren können in kurzer Zeit verbreitet werden und Schäden von wahrhaft globalem Ausmaß anrichten.

Viren gehören also ganz zweifellos zu den Globalisierungsgewinnern, nicht nur der SARS - Virus. Auch der moderne Terrorismus ist ein globales Phänomen und verdankt seine Existenz im Wesentlichen der Globalisierung: der schnellen und kostengünstigen Möglichkeit zur weltweiten Mobilität. Ich befürchte leider, dass wir in diesem Jahrhundert ganz neue Arten von Bedrohungen erleben werden: Kriege, die nicht mehr nur zwischen Staaten geführt werden, sondern von staatlich unterstützten Terrorstrukturen ausgehen. Früher oder später – das ist eine Frage der Wahrschein-lichkeit – wird es Angriffe auf uns mit biologischen, chemischen oder gar atomaren Waffen geben. Der 11. September und der Irak – Krieg sind, befürchte ich, nur ein Auftakt dieser Entwicklung, die ebenfalls Teil der Globalisierung ist.

Es ist also offenkundig, dass Globalisierung Chancen und Risiken birgt. Es kommt darauf an, ihre Vorteile zu nutzen und ihre Risiken zu begrenzen.

Dazu gehört die Gefahr kulturellen Einheitsbreis. Deshalb meine zweite These:

Kulturelle Vielfalt darf der Globalisierung nicht zum Opfer fallen

Kulturen sind das Ergebnis langer sozialer Evolution. Sie enthalten gespeichert das Wissen von Generationen, das oft genug teuer erkauft wurde: die Lehren aus Erfolgen und Irrtümern. Kulturen stellen eine Art immaterielles Kapital unserer Gesellschaften dar, sie regeln durch z. T. ungeschrie-bene Gesetze Verhalten, bieten Anreize oder verhindern unerwünschte Aktivitäten. Dadurch ersparen sie der Gesellschaft Kosten für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und definieren ihren Grundkonsens.

Eine der größten Ängste gerade nicht westlich-christlich geprägter Menschen, etwa der Muslime in Südostasien ist es, durch die Globalisierung ihre kulturelle Identität zu verlieren. Der malaiische Dorfjunge, der von der Ostküste Malaysias in seine Hauptstadt Kuala Lumpur wandert, um Arbeit zu finden, erlebt einen erheblichen Kulturschock. Die Werte, in denen er erzogen wurde, gelten plötzlich nur noch sehr begrenzt, seine soziale Orientierung und Verhaltenssicherheit gehen verloren. Er sieht sich umzingelt von Tabubrüchen und Sakrilegien. Gar nicht zu reden von jungen Menschen in Entwicklungsländern, die Opfer von westlichem Sextourismus werden.

Religiöser Fundamentalismus und Terrorismus haben ihre Ursachen zu einem guten Teil in der geistig-kulturellen Entwurzelung von Menschen.

In abgeschwächter Form findet sich diese Reaktion natürlich auch in westlichen Ländern.

Die Sorge der Menschen in Deutschland vor weiter wachsender Einwanderung von Menschen aus anderen Kulturkreisen hat viel zu tun mit der Furcht, kulturelle Identität zu verlieren. Hier haben die Globalisierungskritiker mehr recht als in ihren ökonomischen Argumenten. Erstaunlicherweise bestreiten linke Globalisierungskritiker in Deutschland, die sich weltweit gerne für die Erhaltung anderer Kulturen einsetzen, aber der eigenen Kultur in Deutschland die Schutzwürdigkeit. Ist eine Kultur erst einmal zerstört, lässt sie sich kaum wieder beleben. Genauso wenig wie ein Ökosystem, das zerstört wurde. Kulturelle Vielfalt ist aber genauso ein Wert wie Artenvielfalt.

Ich plädiere dafür, dass Kulturen ein Recht auf Überleben haben und Schutz verdienen. Andererseits sind sie nicht sakrosankt und enthalten oft Elemente, die aus späterer Sicht als inakzeptabel sind: Hexenverbrennungen oder Folterungen, Bestandteile der mittelalterlichen Kultur, sind Beispiele. Ähnliches gilt für Blutrache, verstümmelnde Körperstrafen, Steinigungen. Kulturschutz darf deshalb nicht umfunktioniert werden als Pauschalentschuldigung für Missstände und Fehlentwicklungen in einzelnen Kulturen. Menschenrechte gelten universell. Diesen Anspruch dürfen wir nicht aufgeben, auch wenn manche uns einreden wollen, dies sei westlicher Kulturimperialismus.

Zum Festhalten an eigenen Werten gehört auch, über die eigenen Werte zu sprechen und andere friedlich dafür gewinnen zu wollen. „Gehet hin und lehret alle Völker“ ist der älteste Aufruf zur Globalisierung und gleichzeitig der humanste. Auch hier versuchen manche, dieses umzukehren und verwechseln dabei Toleranz im Umgang mit Menschen anderen Glaubens oder anderer Meinungen mit Beliebigkeit in den Werten. Die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung in aller Welt basiert deshalb eindeutig auf unseren christlichen und christlich – demokratischen Werten.

Wir beeinflussen also die Globalisierung und können ihr eine inhaltliche Richtung geben – eine zentrale Erkenntnis. Aber genau deshalb meine dritte These:

Globalisierung ist das Ergebnis menschlichen Handelns aber nicht menschlichen Entwurfs

Zweifellos ist Globalisierung das Ergebnis menschlichen Handelns, ist sie das Ergebnis der Missionare und Weltumsegler, der Conquistadores und der Unternehmer, der Finanzstrategen wie George Soros und der selbstlosen Helfer wie Mutter Theresa. Sie ist Ergebnis der Erfindung des Mikroprozessors, des Internet, von Nachrichtensatelliten und von CNN.

Eines ist sie aber gewiss nicht: Das Ergebnis eines Planes oder Entwurfs, der all diesen Entwicklun-gen zugrunde liegt. Globalisierung ist viel mehr das ungeplante Gesamtergebnis unendlich vieler menschlicher Einzelaktivitäten. Globalisierung ist nicht das Ergebnis einer Verschwörung zur Weltbeherrschung. Globalisierung ist auch nicht das Ergebnis einer notwendigen historischen Entwicklung.

Karl Popper hat gezeigt, dass es in der Geschichte keine „ehernen Gesetze“ gibt. Auch die Globalisierung ist keine historische Notwendigkeit. Unter genügend drastischen Umständen kann sie zusammenbrechen.

Der Preis dafür, die Globalisierung aufzuhalten, ist prohibitiv. Andere sehen dies aber anders: Die Taliban und vor ihnen zum Beispiel die Khmer Rouge haben versucht, Entwicklungen zurückzudrehen. Die entschlossensten Globalisierungsverweigerer sind heute neben einigen westlichen Intellektuellen die nordkoreanischen Machthaber, die nicht zögern, ihre Bevölkerung einen bitteren Preis zahlen zu lassen.

Wir können Globalisierung beeinflussen. Das setzt jedoch entschlossenes Handeln voraus. Dazu will ich einige Eckpunkte setzen.

Meine vierte These dazu:

Neue Entwicklungen erfordern manchmal neue Spielregeln

Als die ersten Motorwagen über deutsche Wege rollten, reichte es, sich an die Verkehrsregeln für Ochsenkarren, Kutschen und Reiter zu halten. Dichter werdender Verkehr, stärkere Motoren machten aber die Fortentwicklung dieser Regeln notwendig, als es zu immer mehr Unfällen kam. Der Führerschein wurde zur Vorschrift, Verkehrsampeln zuerst erfunden und dann später zu „grünen Wellen“ zusammengeschaltet, die Haftpflichtversicherung und die Flensburger Punktekartei, Alkoholtests und TÜV-Untersuchungen wurden eingeführt, und so weiter und so weiter.

All dies sind Versuche, die Chancen einer neuen, stürmischen Entwicklung zu nutzen, sie zu ordnen und ihre negativen Nebenwirkungen zu begrenzen. Gewiss gab es auch damals „Motorisierungsgeg-ner“, die dem Teufelszeug misstrauten und es vermutlich am liebsten ganz verhindert hätten. Diese Parallele ist gar nicht so weit hergeholt, wie man vielleicht meinen könnte: Bewirkte die Motorisierung doch eine enorme Senkung der Transportkosten und damit verbunden eine erhebliche Steigerung der Mobilität von Personen, Gütern und Informationen. Und genau dies sind die Triebkräfte der Globalisierung: Senkung der Transportkosten und Beschleunigung des Austauschs von Informationen machen die weltweite Ausweitung der Märkte wirtschaftlich erst möglich.

Wir stehen vor einer Neuordnung der gesamten Weltordnung. Die Globalisierung ist dabei nur ein Teilaspekt. Vereinte Nationen, NATO und Warschauer Pakt, IMF und Weltbank waren lange die wichtigsten Institutionen der alten Ordnung. Mit der EU wuchs zunehmend ein neuer, viel versprechender Akteur.

Die Risse im Gefüge dieser alten Ordnung sind seit dem Krieg gegen Saddam Hussein unübersehbar geworden, eine neue Ordnung ist nicht einmal in Umrissen erkennbar. Deutlich ist aber, dass jede internationale Ordnung mit ihren Regeln auch durchgesetzt werden muss. Wir sind an der Schwelle von der Außenpolitik zur Weltinnenpolitik. Und im Inneren hat niemand ein Recht auf ungestraftes kriminelles Handeln. Dafür brauchen wir eine handlungsf ähige Weltinnenpolizei, die derzeit außer in den USA nirgends zu sehen ist.

Andererseits ist unilaterales Handeln einer Macht, die sozusagen ein Weltmonopol auf Machtaus-übung hätte, unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten nicht zu begrüßen. Ein Monopol – ob wirtschaftlich, politisch oder militärisch - stellt immer ein ordnungspolitisches Problem dar. Andererseits haben sich andere Akteure auf dem Markt für globale Sicherheitsdienstleistungen nicht gerade als besonders wettbewerbsfähig erwiesen. Die EU ist von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik leider noch weit entfernt.

Sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei ist aber keine nachhaltige Strategie. Globalisierung ist nicht nur das Erzielen von Gewinn in aller Welt, es ist auch die Globalisierung von Pflichten, wie etwa der Produktion von Recht, Ordnung und Sicherheit. Auch für die Globalisierung gilt: Man kann nicht nur die Gewinne internalisieren, die Kosten aber externalisieren. Auch hier zeigt sich die Notwendigkeit einer weltweiten Rahmenordnung, die allen Beteiligten faire Chancen gewährt.

Soziale Marktwirtschaft heißt wesentlich freier Wettbewerb. Wer in einer globalen Welt Märkte abschottet, der sorgt dafür, dass anstelle der Güter die Menschen wandern.

Globalisierung muss deshalb den Wettbewerb verstärken. Wettbewerb führt zur fünften These:

Wer heute Globalisierungsgewinner ist, kann morgen Verlierer sein - und umgekehrt

Deutschland zählt zu den Globalisierungsgewinnern - noch. Neu entstehende Märkte wie die für Computer und andere elektronische Produkte haben aus ehemaligen Rohstofflieferanten inzwischen aufblühende Industrieländer gemacht. Wenn China den Kurs marktwirtschaftlicher Reformen weitergeht, politisch stabil bleibt und sich halbwegs zu einem Rechtsstaat entwickelt, erwächst uns hier ein wahrhaft formidabler Konkurrent.

Wenn wir unsere schon seit zwanzig Jahren bekannten dringenden Probleme nicht endlich lösen, werden wir Deutschen in einer Generation zu den Globalisierungsverlierern gehören. Einen Teil unserer Arbeitskraft lassen wir zu hohen Kosten einfach brachliegen in Form von Arbeitslosigkeit oder Frühverrentung.

Einen anderen Teil bilden wir zu lange und unzureichend aus – siehe PISA - einen weiteren Teil setzen wir erst gar nicht mehr in die Welt und verzichten damit auch auf Menschen, die wichtige Innovationen hätten machen können.

Noch mag die im internationalen Vergleich hohe Qualität unseres Humankapitals seine sinkende Quantität überkompensieren, aber in anderen Ländern steigt die Qualität des Humankapitals zunehmend an, von der Quantität ganz zu schweigen. Wenn wir nicht aufwachen, haben wir bald unseren Vorsprung als Exporteur von wissensintensiven High-Tech-Gütern verloren. Globalisierung ist dynamisch wie jeder Marktprozess. Das bedeutet, dass einmal erreichte Positionen nur durch immer neue Anstrengungen gehalten werden können.

Was müssen wir konkret tun?

Die erste und wichtigste Forderung ist, die allgemeinen Rahmenbedingungen aller Länder, besonders aber der Entwicklungsländer zu verbessern. Sie haben einen entscheidenden Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung.

Zunächst geht es um eine stabile politische Ordnung und eine funktionierende Rechtsordnung. Niemand investiert da, wo seine Investition nicht halbwegs sicher ist oder wo er geschlossene Verträge nicht notfalls auch gerichtlich durchsetzen kann.

Zu viele Staaten leiden unter schlechten Regierungen. Auch großer Reichtum an natürlichen Ressourcen nützt dann nicht viel: Früher die Sowjetunion und heute etwa der Irak sind Beispiele. In diesem Sinne haben wir nicht zuviel Globalisierung, sondern zuwenig: Die weltweite Verbreitung des Rechtsstaates, der die Voraussetzung von Frieden und Wohlstand ist, hat mit der Verbreitung von Wissen, Gütern und Dienstleistungen nicht Schritt gehalten.

Oder anders ausgedrückt: Die Märkte in vielen Ländern sind gar keine Märkte im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft. Vielmehr sind es teils rechtsfreie, teils vermachtete oder korrupte Strukturen, die nur aussehen wie Märkte. Hier liegt nicht Marktversagen vor, sondern Staatsversagen bei der Produktion von Ordnung. Die Probleme dieser Länder können nicht durch eine Beschränkung der Globalisierung, sondern nur durch eine Beschränkung korrupter, versagender Staatsmacht gelöst werden.

Auch hier ist die Konrad-Adenauer-Stiftung aktiv: Vor einigen Jahren haben wir z. B. die Weltkonferenz von Transparency International zur Bekämpfung der Korruption unterstützt. Ein anderes Beispiel: Für Lateinamerika haben wir ein eigenes Programm, mit dem wir den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen konkret vorantreiben.

Globalisierung kann zu dieser Machtbeschränkung beitragen, indem sie entsprechende Regime verschärftem internationalen Wettbewerb aussetzt und zu „gutem Regieren“ zwingt. Dazu gehört natürlich auch Demokratisierung. Demokratie ist politischer Wettbewerb; die Erhaltung des Wettbewerbs verhindert Machtmonopole.

Wettbewerbspolitik

Wettbewerb braucht Schutz vor Kartell- und Monopolbildung. Dies verhindert der Markt aus sich heraus nicht immer. Ein wichtiges Element der Sozialen Marktwirtschaft ist deshalb die Wettbe-werbspolitik. Das Bundeskartellamt, das Europäische Kartellamt und ähnliche Institutionen in vielen Ländern haben hier wichtiges geleistet. In Indonesien etwa hat kürzlich eine Kartellbehörde ihre Arbeit begonnen, die mit durch die Beratungstätigkeit der Konrad-Adenauer-Stiftung entstanden ist.

Ich kann mir durchaus eine global zuständige Kartellbehörde vorstellen, die Wettbewerb auf den Weltmärkten sicherstellt. Gewiss klingt dies optimistisch in einer Zeit, in der die bereits bestehenden internationalen Institutionen ihre Schwächen offenbart haben. Das heißt aber nicht, dass man nicht entschlossen daraufhin arbeiten sollte. Waren nicht auch Europäische Union und eine europäische Wettbewerbspolitik vor nicht allzu langer Zeit utopisch? Inzwischen haben sie doch erheblich zur Sicherung des Binnenmarktes beigetragen.

Unserem Menschenbild folgend befürwortet die Konrad-Adenauer-Stiftung Instrumente, die möglichst nahe an den Menschen und bei den jeweiligen Problemen ansetzen. Dies steckt im Subsidiaritätsprinzip auch der christlichen Soziallehre. Bevor wir also über internationale und weltweite Strukturen nachdenken, sollten wir auf nationaler Ebene alle wesentlichen Möglichkeiten zur Verbesserung der Rahmenbedingungen auszuschöpfen. Dies ist aber bei weitem noch nicht der Fall. Zur Zeit besteht ein erhebliches ordnungspolitisches Nord-Südgefälle.

Die an der Weltwirtschaft und der Globalisierung beteiligten Länder müssen ordnungspolitisch auf dasselbe Niveau gebracht werden, um ihnen die gleichen Chancen zu gewähren, von der weltweiten Arbeitsteilung zu profitieren. Ordnungspolitische Ungleichheit bedeutet Ungleichheit der Chancen im weltweiten Wettbewerb. Gute Ordnungspolitik ist ein Standortfaktor. Ohne eine vernünftige Ordnungspolitik auf nationaler Ebene nützen auch die besten internationalen Institutionen wenig. Die Europäische Union ist hier ein grandioses Beispiel dafür, dass Menschen dieses lernen und umsetzen können.

Geld und Währung

Ein weiteres wichtiges Element der Sozialen Marktwirtschaft ist eine stabile Geld- und Währungsord-nung. Die Bundesbank war weltweit ein Modell, das erfreulich Schule gemacht hat – nicht zuletzt in der Europäischen Zentralbank. Aber auch eine solide Banken- und Börsenaufsicht sind feste ordnungspolitische Bestandteile einer funktionsfähigen Wirtschaftsordnung.

An all dem fehlt es in vielen Ländern noch. Indienstnahme von Noten- und Geschäftsbanken zu politischen Zwecken, unrealistische oder nicht aufrechtzuerhaltende Fixierungen von Wechselkursen, weitgehende Intransparenzen im Geschäftsgebaren, abenteuerliche Verschuldungen in Fremdwäh-rungen ohne Absicherungsgeschäfte haben viele Länder so verwundbar gemacht, dass sie feindliche Spekulation geradezu herausgefordert haben und ihr dann nur allzu leicht zum Opfer gefallen sind.

Hier müssen wir allerdings hinzufügen, dass leichtfertige Kreditvergabe durch Institute aus den Industrieländern oft die andere Seite der Medaille ist: Ohne westliche Kreditgeber hätte etwa Indonesien sich nicht in Höhe seines Bruttosozialproduktes in Dollar verschulden können.

IMF und Weltbank dürfen künftig keine derartigen Anreize mehr zu solch wirtschaftlich unvernünfti-gem Handeln schaffen. Grundsätzlich ist es richtig, ihre Hilfen an entsprechende Reformen des Finanzsystems der betroffenen Länder zu koppeln. Internationale Institutionen können aber immer nur ein letzter Nothelfer sein. Solange die Währungs- und Finanzinstitutionen auf nationaler Ebene nicht vernünftig funktionieren, werden die betroffenen Länder nicht dauerhaft erfolgreich an der Globalisierung teilnehmen können.

Aber selbst wenn alle Länder eines Tages ihre Hausaufgaben gemacht und alle Vorkehrungen für gutes Regieren und Transparenz getroffen haben, reicht eine rein nationale Betrachtung nicht mehr aus. Der internationale Finanzmarkt gehört zu den am stärksten globalisierten Märkten und wir müssen ihm unsere globale ordnungspolitische Aufmerksamkeit widmen.

Riesige spekulative Beträge – gegen die einzelne Volkswirtschaften vollkommen machtlos sind - können in Sekundenschnelle von einem Land in ein anderes transferiert werden und damit zu erheblichen Instabilitäten von Währungen, Volkswirtschaften und ganzen Staaten führen. Ein Herdeneffekt kann bewirken, dass eine ganze bislang prosperierende Region wie Südostasien in eine tiefe Krise stürzt. Hier ist es zweifellos nötig, auf globaler Ebene stabilisierende Elemente zu schaffen. Die Tobin-Steuer ist ein solcher Vorschlag, wird aber von vielen Experten als ungeeignet angesehen. Hier werden wir unsere ordnungspolitische Kreativität bemühen müssen: Neue Situationen erfordern neue – marktkonforme, nicht dirigistische - Lösungen.

Privatisierung, Deregulierung und Protektionismus

Privatisierung und Deregulierung spielen eine wichtige Rolle für Wachstum und Entwicklung. Große Unternehmen in Staatsbesitz, die noch dazu oft verdeckt oder offen politischen Zielen oder der Erzielung von Zusatzeinkommen von Personen mit guten politischen Verbindungen dienen, mindern überall auf der Welt den Wohlstand der Nationen. Auch Regulierungen dienen in Wirklichkeit oft nur dem Zweck der Wettbewerbsbehinderung oder der Erzielung von Einnahmen. Der Abbau der tarifären Handelshemmnisse im Rahmen der WTO kann durch nicht-tarifäre Hemmnisse unterlaufen werden.

Auch müssen wir uns selbstkritisch fragen, ob wir nicht allzu oft Heuchler sind: Von Entwicklungslän-dern die Öffnung ihrer Märkte für Finanzdienstleistungen zu verlangen, aber unsere eigenen Agrarmärkte abzuschotten, ist nicht nur unmoralisch sondern kostet uns seit Jahrzehnten Milliarden und behindert so unsere eigene Entwicklung. Kleine, politisch aber mächtige Lobbies verhindern hier aus partikularistischen Interessen dringend notwendige Reformen. Die Globalisierung erzwingt nicht nur von schlecht regierten Entwicklungsländern politische Reformen, sondern auch von verkrusten-den Volkswirtschaften Strukturwandel. Wir wären gut beraten, ihn freiwillig und rechtzeitig zu vollziehen.

Auch dies ist ein Ergebnis der Globalisierung: Es kann uns nicht mehr gleichgültig sein, wenn fern Völker aufeinander schlagen – oder verhungern. Aktive Entwicklung ist nicht nur ein Gebot der Humanität, sondern auch des Eigeninteresses. Die Konrad-Adenauer-Stiftung gibt deshalb etwa die Hälfte ihres Budgets für ihre internationale Arbeit aus.

Wenn die Entwicklungshilfe reformiert und die Empfängerländer die richtigen Voraussetzungen schaffen, dann sollten die Regierungen sich endlich entschließen, die versprochenen 0,7 % des Sozialproduktes für Entwicklungsarbeit zur Verfügung zu stellen und nicht als Verschwendung, sondern als Investition in eine von allen friedlich bewohnbare Welt bereitzustellen.

Schlussfolgerung: Soziale Marktwirtschaft hat Potential als Wirtschaftsordnung für die Welt

Meine zusammenfassende These ist, dass nicht zuviel oder zu schnelle Globalisierung, sondern zuwenig Soziale Marktwirtschaft die Ursache für viele der Probleme ist, die der Globalisierung angelastet werden. Richtige Institutionen schaffen Wohlstand in weit größerem Ausmaß als Rohstoffe. Die rohstoffarmen Länder Deutschland und Japan belegen dies.

Der Export der Institutionen der Sozialen Marktwirtschaft hat nicht Schritt gehalten mit dem Export von Kapital, Gütern und Dienstleistungen. Dadurch sind Ungleichgewichte entstanden, die nicht durch eine Deglobalisierung der Märkte, sondern nur durch eine Verbesserung der Wirtschaftsord-nung in den Ländern mit defizitären institutionellen Strukturen beseitigt werden können.

Markt ist notwendig zur Überwindung der Armut und zur Schaffung von Wohlstand für alle, allein ist er aber nicht hinreichend. Nur ein solider ordnungspolitischer Rahmen kann dies leisten. Ein solcher Rahmen kann auf verschiedenen Ebenen existieren, auf nationaler Ebene, auf regionaler Ebene (z. B. EU) und auf globaler Ebene.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung arbeitet bisher erfolgreich auf der nationalen und der regionalen Ebene des ordnungspolitischen Dialoges mit: Wir stärken weltweit Menschenrechte, Rechtsstaat, Demokratie und Soziale Marktwirtschaft mit unseren Länderprogrammen sowie in regionalen Projekten. Künftig werden wir uns verstärkt an einem globalen Dialog beteiligen.

Wachstum, umweltschonend und nachhaltig, ist zweifelsohne der wichtigste Beitrag für eine gute Zukunft und für wachsende Gerechtigkeit in einer globalen Welt. An einem zentralen Element eines globalen ordnungspolitischen Rahmens dürfen wir dennoch nicht vorbeigehen – sozialer Ausgleich. Frieden kann es auf Dauer nur geben da, wo auch Gerechtigkeit herrscht. Dies kann man nüchtern ökonomisch betrachten: Gerechtigkeit und gerechte Verteilung von Wohlstand sind auf Dauer billiger als die Verteidigung ungerechter Zustände. Dies gilt auch in Entwicklungsländern.

Richtig verstandene Soziale Marktwirtschaft ist ein echter Exportartikel, für den wir auch eine Gegenleistung bekommen. Ihre institutionellen Lösungen, angepasst an die konkreten Bedingungen in anderen Ländern tragen dazu bei, dass diese Länder sich besser und schneller entwickeln. Dies wiederum wird dazu führen, dass wir neue Märkte mit unseren Produkten beliefern können, was wiederum unseren Wohlstand fördert. So wird Globalisierung zu einem echten Gewinn, wird sie für alle Beteiligten vorteilhaft – nicht nur materiell, sondern auch politisch, weil unsere Welt sicherer und freier wird. Gerade das entwicklungspolitische Engagement der politischen Stiftungen für Menschenrechte, Rechtsstaat, für politische, kulturelle und ökonomische Teilhabe sowie für sozial orientierte marktwirtschaftliche Ordnungen hat viel zur Pflege der Beziehungen Deutschlands beigetragen, von denen auch die Wirtschaft profitiert.

Aber geben wir uns keinen Illusionen hin: Dieser Weg ist hoch umstritten – zunächst bei denen, die unverändert auf Staatswirtschaft und Protektionismus setzen. Dieses Denken ist weit verbreitet, auch in Deutschland. Der SPD – Fraktionsvorsitzende Müntefering hat erst jüngst geäußert, die Menschen sollten sich beim Konsum zurückhalten und das Geld lieber über Steuern dem Staat geben. Dieser wisse besser, damit umzugehen.

Der Weg ist aber auch umstritten, weil manche ganz froh sind, dass die Weltmärkte derzeit wenig mit Sozialer Marktwirtschaft zu tun haben. Diese halten die Globalisierung für ein Instrument, ihre wirtschaftlichen Interessen ungebremst durchsetzen zu können. Auch dies dürfen wir nicht übersehen.

Der Weg ist umstritten, weil korrupte und despotische Regime dadurch ihre Macht verlieren werden, in arabischen Ländern, in Afrika und an vielen anderen Stellen.

Dieser Weg ist umstritten, weil auch bei uns viele vom Ausschalten der Märkte profitieren, weil das Pfründe und Macht schafft.

Der Weg ist umstritten, weil viele Menschen schlankweg Angst haben vor der mit neuer Freiheit verbundenen Verantwortung, Angst haben vor den Umbrüchen, die die Zukunft bringt, Angst haben um ihren eigenen Platz im Leben.

In unserer Arbeit für Menschenrechte, Demokratie und Soziale Marktwirtschaft sehen wir den vernünftigsten Weg in die globale Zukunft.

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber