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Veranstaltungsberichte

Deutsch-Chinesisches Symposium über Urbanisierung

von Mira Luthe
Gemeinsam mit der People’s Association for Friendship with Foreign Countries veranstaltete die KAS/ Peking ein Symposium über Urbanisierung. Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutierten in der Stadt Xuzhou über die großen Herausforderungen und Chancen, die der aktuelle Verstädterungsprozess für China darstellt. Experten gehen davon aus, dass Urbanisierung - erklärtes Ziel der chinesischen Regierung - in den kommenden Jahren erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und Gesellschaftsstruktur des Landes haben wird.

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Das deutsch-chinesische Symposium über Urbanisierung wurde von der KAS/ Peking und der Chinese People’s Association for Friendship with Foreign Countries (CPAFFC) initiiert und durchgeführt. Es fand am 5. November 2013 in der zwischen Shanghai und Peking gelegenen Stadt Xuzhou statt.

Eröffnet wurde das Symposium durch Herrn Li Jianping, Vizedirektor CPAFFC, Herrn Wang Hao, ständiges Mitglied des Komitees der KPCh der Stadt Xuzhou und Herrn Thomas Awe, Büroleiter KAS/ Peking mit einführenden Grußworten. Peter Götz, Weltpräsident der Global Parliamentarians on Habitat, wies in seinem Vortrag auf die globale Bedeutung einer nachhaltigen Stadtentwicklung hin. Eine solche Entwicklung müsse als Gemeinschaftsprojekt angegangen werden, mit aktiver Einbindung der Bevölkerung. Arbeitsschwerpunkt bei der Stadtentwicklungsplanung solle Klimawandel und Energiepolitik der Städte sein. Nachhaltige Energieerzeugung und Energieeffizienz seien Schlüsselthemen. Des Weiteren gelte es, Lösungen für den Erhalt kulturellen Erbes, für den Verkehr sowie die Versorgung mit Wasser, Energie und Abwasserversorgung zu finden. Luo Songshan, Direktor des Forschungsinstituts für Investitionen der Nationalen Kommission für Entwicklung und Reform (NDRC), sprach primär Probleme an, die sich im Urbanisierungsprozess herausbilden, und stellte umfangreiche Forderungen. Er betonte die Identität von Städten als wichtigen Aspekt der Stadtplanung. Problematisch sei, dass Urbanisierung der Industrialisierung hinterher hinke. Ressourcenallokation und Distribution verlaufen asymmetrisch. Die Provinzhauptstädte würden bereits so viele Mittel verwenden, dass für andere Provinzstädte ungenügend Gelder blieben. Verbessert werden könnte dieser Missstand, in dem Verwaltungshierarchien vereinfacht und regierungsunmittelbare Bezirksstädte als Teil einer Re-institutionalisierung eingeführt werden. Herr Luo forderte in seinem Vortrag ganz deutlich die Abschaffung des diskriminierenden Systems der Haushaltsregistrierung (Hukou), das die Freizügigkeit der Bevölkerung bis heute stark einschränkt. Auch das sensible Thema Transfer und Nutzung von Land, sprach Herr Luo offen und kritisch an. Prof. Dieter Hassenpflug, Bauhaus-Universität Weimar, zeichnete in seinem Beitrag ein Bild der chinesischen Stadt aus soziologischer Perspektive. Er stellte die grundlegende Hypothese von zwei Modernisierungskonzepten auf: das der offenen (europäischen) und das der geschlossenen (chinesischen) Stadt. In letzterer zeige sich besonders deutlich die Bedeutung von Gemeinschaft und von Hierarchien. Merkmale seien, dass die Wohnbereiche geschlossen und introvertiert seien und stets einer Südausrichtung folgten. Jörn Beißert, Botschaftsrat der Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft Peking, stellte in seinem Beitrag die Verbindung zwischen Chinas Urbanisierung und draus resultierenden Potenzialen für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit her; die Kooperation beider Länder werde weiter vertieft. Als Beispiele der erfolgreichen bilateralen Kooperation nannte Herr Beißert die deutsch-chinesische Klimapartnerschaft, die Zusammenarbeit im Bereich der Elektromobilität sowie der Energieeffizienz von Gebäuden. Chinas Urbanisierung habe großes Potenzial für Investitionen deutscher Unternehmen in China. Der Prozess in China werde von der deutschen Wirtschaft daher aufmerksam verfolgt. Ding Yifan, Vizedirektor des Forschungsinstituts für Weltentwicklung des Forschungs- und Entwicklungszentrums des Staatsrates, betonte die Entwicklung des Menschen als wichtigsten Aspekt der Urbanisierung, eine intelligente Gestaltung des Prozesses sei daher essentiell. Ziel der chinesischen Zentralregierung sei es, dass bis 2030 rund 70% der Bevölkerung in Städten lebe. Der Umweltschutz, die Stadtplanung und die Integration Zugezogener seien dabei von zentraler Bedeutung. Li Gang, Direktor des Amts für Landressourcen der Stadt Xuzhou, sprach von einer neuen Form der Urbanisierung, bei der ein Ausgleich zwischen kleinen und mittleren Städten stattfinden müsse, an Stelle des weiteren Wachstums der Megastädte. Besonders die Förderung kleiner Städte müsse stärkere Berücksichtigung finden. Problematisch sei, dass sich die Fläche vieler Städte im Verhältnis zur Bevölkerung ausdehne. Die effiziente Landnutzung sei eine große Herausforderung. Im Bereich der Umweltbelastung hätten viele Städte bereits eine rote Linie überschritten. In Xuzhou arbeite man aktiv daran, die Umweltsituation zu verbessern. In einem Kooperationsprojekt mit dem Land Nordrhein-Westfalen habe man erfolgreich den stillgelegten Bergbau renaturiert. Im Anschluss an die Vorträge entstand eine rege Diskussion, in der sich die deutschen und chinesischen Experten über Erfahrungen und mögliche Zukunftsmodelle offen und pluralistisch austauschten.

Am Nachmittag folgte dem Vortrags- und Diskussionsteil des Symposiums eine Podiumsdiskussion. Thomas Awe leitete das Gespräch zwischen drei deutschen und drei chinesischen Rednern, die sich über ihre Vorstellungen einer Stadt mit Charakter austauschten. Peter Götz hob als besonders wichtig hervor, dass jede Stadt ihr kulturelles Erbe erhalte. In diesem Zusammenhang brachte Prof. Hassenpflug ein, dass die Städte ihre individuellen Merkmale beibehalten sollten. Diese Ansicht teilte auch Ding Yifan. Inzwischen gebe es zunehmend Stimmen, die sich für stärkere Varietäten und Bewahrung lokaler Herausstellungsmerkmale einsetzten. Auch Luo Songshan sprach sich dafür aus, dass jede Stadt ihr eigenes Gesicht wahren sollte. Leider sei China in einer Phase, in der die historischen Viertel vieler Städte abgerissen würden, was bedeute, das Herz der Orte zu entfernen. Langsam entstehe jedoch ein Bewusstsein in China, das den Wert lokaler Charaktereigenschaften erkenne. Li Gang erinnerte daran, dass in der Bewahrung von Charaktermerkmalen auch kleine Städte berücksichtigt werden sollten.

Aus den Beiträgen der Experten und der Diskussion mit dem Publikum ging klar hervor, dass das Interesse an einer Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China im Bereich der Urbanisierung groß ist und sich in Zukunft noch weiter intensivieren wird.

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Michael Winzer

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Leiter des Auslandsbüros Ungarn/Budapest

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