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von Thomas Volk

Gambia nach dem friedlichen Regierungswechsel

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„Gambia is back“, verkündete am 1. Dezember 2016 der zum neuen Staatspräsidenten Gambias gewählte Adama Barrow nach seinem überraschenden Wahlsieg selbstbewusst. Das kleinste Land auf dem afrikanischen Festland, das anglophone und bis auf die Westküste vollends vom frankophonen Senegal umschlossene Gambia, befindet sich seither in einem tiefgreifenden und offenen Transformationsprozess. Die Stabilität des Landes ist mehr als drei Jahre nach dem friedlichen Regimewechsel fragil, und der anhaltende Transitionsprozess enthält zahlreiche Ungewissheiten.

Der Unternehmer Barrow, der 1988 als abgelehnter Asylbewerber aus Deutschland abgeschoben wurde und anschließend in Großbritannien lebte, erhielt 2016 von einer sieben Parteien umfassenden Koalition, darunter seiner United Democratic Party (UDP), als Präsidentschaftskandidat Unterstützung. Er löste mit 50.000 Stimmen Vorsprung überraschend den seit 1994 regierenden Machthaber Yaya Jammeh ab. Jammeh, der das Land noch im Dezember 2015 zur Islamischen Republik erklärte und für seine Folteranweisungen und Korruption bekannt war, wurde nach 22 Jahren an der Spitze des kleinen, isolierten Staates abgewählt. Nur widerwillig und auf äußeren Druck der fünfzehn Staaten umfassenden Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Economic Community of West African States, ECOWAS) verließ der Despot am 21. Januar 2017 Gambia und lebt seither im Exil in Äquatorialguinea. Ohne die Androhung einer militärischen Intervention, um das Wahlergebnis notfalls auch gewaltsam durchzusetzen, wäre Jammeh kaum zur Aufgabe seines Machtanspruchs bereit gewesen.

Die ECOWAS bewies durch ihre entschlossene und abgestimmte Haltung im Januar 2017 die Funktionsfähigkeit dieser Regionalorganisation und offenbarte erstmals auch ihren sicherheitspolitischen Gestaltungsanspruch. Unter der Führung senegalesischer Truppen und unterstützt von nigerianischen und ghanaischen Soldaten, ist die als ECOMIG (Mission in The Gambia) bekannte Militäraktion auf Wunsch der neuen gambischen Regierung bis heute im Land, vor allem, um die Sicherheit und Arbeitsfähigkeit der Regierung zu gewährleisten. Barrow, der im Januar 2017 aus Sicherheitsgründen in der Botschaft Gambias im Nachbarstaat Senegal zum neuen Staatspräsidenten vereidigt wurde, kehrte später nach Gambia zurück und verfolgt seither ein ambitioniertes Reformprogramm.

Das Bild von Adama Barrow als drittem Präsidenten Gambias seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1965 änderte sich binnen dreier Jahre vom Hoffnungsträger zum Spalter der Nation. Angetreten mit dem Versprechen, das Land vom Unrechtsregime Jammehs befreien und demokratisieren zu wollen, verkündete Barrow 2016 gemeinsam mit seiner ihn tragenden Koalition, für lediglich drei Jahre als Übergangspräsident zu fungieren und anschließend Neuwahlen abhalten zu lassen, jedoch ohne selbst anzutreten. Diese für Dezember 2019 angekündigte Neuwahl fand nicht statt, da sich Barrow inzwischen auf die verfassungsmäßig festgelegte fünfjährige Amtszeit beruft. In seiner Neujahrsansprache am 31. Dezember 2019 betonte Präsident Barrow nach heftigen Protesten und Demonstrationen gegen seine Regierung, dass er bei Amtsantritt unter Bezugnahme auf den Koran zweimal schwor, die Verfassung des Landes zu achten. Seine ursprüngliche Ankündigung, nur drei Jahre im Amt zu bleiben, könne er daher aus Verantwortung für das Land nicht berücksichtigen. Um die angestoßenen Reformen fortzusetzen und Stabilität zu gewährleisten, werde er die verfassungsmäßige Amtszeit von fünf Jahren einhalten und erst 2021 Präsidentschaftswahlen abhalten lassen.

Kritiker schenken seinen Verlautbarungen nur wenig Glauben und befürchten, dass der Präsident, der bis zur Wahl 2021 eine neue Verfassung verabschieden möchte, anschließend erneut zweimal kandidieren könne. Der Präsident hat seit Amtsantritt wesentlich an Vertrauen verloren und wurde durch realpolitisch erforderliche Entscheidungen entzaubert. Barrow agiert politisch oft unberechenbar, gilt als kommunikationsschwach und bildete in zwei Jahren dreimal sein Kabinett um. Seit August 2019 sind mit dem früheren Polizeichef und dem früheren Botschafter Gambias in den USA zwei ehemalige Jammeh­Gefolgsleute zu neuen Ministern in Barrows Kabinett ernannt worden. Der Präsident entließ im Frühjahr 2019 außerdem den UDP-Vorsitzenden und Vizepräsidenten Ousainou Darboe sowie alle weiteren UDP-Minister aus der Regierung – und dies, obwohl er ohne die Unterstützung dieser Partei niemals Präsidentschaftskandidat geworden wäre. Spätestens seit dieser Entscheidung musste allen klar sein, was schließlich Ende Dezember 2019 folgte: Barrow gründete mit der National People’s Party (NPP) eine neue Partei, deren Vorsitzender er zugleich ist. Mit der Gambia for All (GFA) und der Citizens’ Alliance (CA) wurden zwei weitere neue Parteien etabliert, die bereits mit dem Vorwahlkampf begonnen haben.

Seit dem Amtsantritt Barrows sind eine außenpolitische Öffnung des Landes und ein innenpolitischer Reformeifer nicht zu verkennen. Dennoch steigt die Unzufriedenheit der Bevölkerung. Das Land ist seit 2018 erneut Mitglied des Commonwealth of Nations. Im Dezember 2019 machte es international auf sich aufmerksam, da es Myanmar vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag des Völkermords an den Rohingya bezichtigte. Innenpolitisch prägen die Kommission zur Aufarbeitung der Taten während des Jammeh­Regimes, die Erstellung einer neuen Verfassung sowie eine Sicherheitssektorreform und die Umsetzung des 2018 verabschiedeten und bis 2021 ausgelegten Entwicklungsplans die Agenda. Die Umsetzung erfolgt nur zögerlich und wird von der Europäischen Union (EU) bemängelt. Mehr als sechzig Prozent der circa zwei Millionen Gambier sind unter 25 Jahre, die Arbeitslosigkeit beträgt mehr als fünfzig Prozent, und die von Tourismus und Landwirtschaft geprägte Ökonomie ist wenig diversifiziert und importabhängig. Auf dem Human Development Index der Vereinten Nationen nimmt das Land Platz 174 von 189 aufgeführten Ländern ein und benötigt dringend (private) Investitionen, vor allem im Gesundheitsund Bildungsbereich. Allein 2020 werden vermutlich achtzig Prozent des Staatshaushalts in die Schuldentilgung fließen.

Zu den größten Herausforderungen der Regierung Barrows zählen die Schaffung von Arbeitsplätzen für die junge Generation, die Stärkung der schwachen Institutionen im Land und die Befriedung der Gesellschaft durch die Aufarbeitung der Jammeh-­Ära. Die derzeitige politische Fragmentierung und die teils unbeholfen wirkende Regierungsführung Barrows lassen die Bewältigung dieser vielfältigen Politikfelder ungewiss werden. Die Bevölkerung, nach zwei Jahrzehnten autoritärer Herrschaft zunehmend ungeduldig, erwartet spürbare wirtschaftspolitische Verbesserungen. Die derzeit öffentlich diskutierte Möglichkeit einer Rückkehr Jammehs aus dem Exil scheint bis 2021 noch Überraschendes möglich werden zu lassen.

 

Thomas Volk, Auslandsbüro Senegal der Konrad­-Adenauer­-Stiftung

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