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Warum wir unsere kritische Infrastruktur nicht an China verkaufen sollten

Kritische Infrastruktur und Investitionsgüter sind im 21. Jahrhundert eine der Hauptwaffen im globalen Systemkonflikt und geoökonomische Auseinandersetzung werden diese kommenden Jahrzehnte prägen. Es ist daher von höchster Wichtigkeit für unsere nationale Sicherheit und Souveränität unsere kritische Infrastruktur nicht leichtsinnig zu verkaufen, schon gar nicht an China.

Am 17. Oktober fand im Bundestag eine Anhörung der Präsidenten der drei deutschen Nachrichtendienste – Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst – statt. Einhellig warnten sie vor der Gefahr, die die Volksrepublik China für die Bundesrepublik darstelle. Politisch, militärisch und vor allem auch ökonomisch bedrohe China sicherheitsrelevante Kerninteressen der Bundesrepublik Deutschland. BND-Präsident Kahl warnte nachdrücklich vor unangebrachter Naivität gegenüber China. Die Aussage des Verfassungsschutz-Präsidenten Haldenwang „Russland ist der Sturm, China der Klimawandel“ ging im Netz viral.

Nicht einmal drei Tage später wurde bekannt, dass das Bundeskanzleramt und maßgeblich der Kanzler selbst, den Teilverkauf eines Terminals im Hamburger Hafen an den chinesischen Staatskonzern Cosco unbedingt realisieren wollten. Sechs Bundesministerien, alle Nachrichtendienste, die EU-Kommission und zahlreiche nationale und internationale Think Tanks hatten zuvor ausdrücklich davor gewarnt. Als Reaktion auf den massiven öffentlichen Druck wurde am 26. Oktober ein Kompromiss verabschiedet. Statt der ursprüngliche vereinbarten 35 Prozent des Terminals, die Cosco kaufen wollte, sind es nun 24,9 Prozent. Zugleich solle Cosco untersagt werden, Vetorechte in Sachen strategischer und Personalentscheidungen in Anspruch zu nehmen oder Mitglieder in der Geschäftsführung zu benennen. Ohne diesen Kompromiss hätten zu Monatsende die zunächst vereinbarten 35 Prozent verkauft werden müssen. Eine Reaktion aus China steht noch aus.

Diese Entscheidung war offenbar der gesichtswahrende Versuch des Kanzleramts, den Verkauf von Cosco doch noch durchzudrücken. Altgediente Hamburger Kontakte des Bundeskanzlers waren in die Verkaufsabsichten involviert. So Andreas Rieckhoff, langjähriger Staatsrat in der Hamburger Wirtschaftsbehörde und seit 2020 Aufsichtsratsmitglied des Hamburger Hafenbetreibers HHLA, deren Anteile Cosco übernehmen will. Die HHLA hatte den Verkauf bereits genehmigt, bevor der Vorgang öffentlich bekannt wurde.

Auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte sich aktiv für den Verkauf eingesetzt. Er argumentierte mit der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit des Hafens, ließ dabei allerdings völlig außer Acht, dass genau solch kurzfristiges Gewinnstreben in langfristige Abhängigkeiten führt und Deutschland strategisch erpressbar macht.

China nutzt seit vielen Jahren seine wirtschaftliche Macht, um politische Ambitionen durchzusetzen. Länder wie Japan, Australien oder Litauen können ein Lied davon singen, mit welch aggressiven Methoden China Investitionen und Wirtschaftsbeziehungen missbraucht, um sich für Kritik am Umgang mit Menschenrechten oder für freundliche Äußerungen über Taiwan zu rächen.

„Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine war plötzlich für jedermann offensichtlich, dass die Hoffnung auf „Wandel durch Handel“ im Umgang mit Autokratien gescheitert ist.“

Robin Wehebrink

Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine war plötzlich für jedermann offensichtlich, dass die Hoffnung auf „Wandel durch Handel“ im Umgang mit Autokratien gescheitert ist. Weite Teile der deutschen Wirtschaft argumentieren, China sei nicht Russland. Doch es gibt nichts daran zu rütteln, dass der Westen einem Trugschluss aufgesessen ist. Ist China in den letzten 20 Jahren marktwirtschaftlicher, demokratischer oder freier geworden? Nein, im Gegenteil. Wirtschaftliches Wachstum war für die Kommunistische Partei Chinas schon immer eine der zentralen Säulen ihrer Legitimität. Zwar haben auch wir massiv am wirtschaftlichen Aufstieg Chinas verdient, doch das Blatt wendet sich.

Die Lehren aus dem Verkauf von Kuka, bei dem Augsburger Maschinenbauer stieg China zunächst mit einem Minderheitenanteil ein und hält inzwischen 95 Prozent, die 5G-Debatte und die Rolle von Huawei, der Ausverkauf der nahezu gesamten deutschen Solarindustrie Anfang der 2010er-Jahre oder die Causa um den Hafen von Piräus – nur einige Beispiele des wirtschaftlichen Expansionsdrangs Chinas. Und um es nochmal ganz deutlich zu sagen: Die Belt and Road Initiative (Neue Seidenstraße) ist genauso wenig ein privatwirtschaftliches Projekt wie Nord Stream 2.

Die Neue Seidenstraße, unzählige Investitionen in kritische Infrastruktur, die oft öffentlich wenig bekannten Unternehmungen in Afrika – China baut systematisch seine ökonomische, aber vor allem seine geostrategische Macht weltweit aus. Während in Deutschland noch vor einer Entkopplung von China als Handelspartner gewarnt wird, gehört sie für China zum strategischen Handwerkszeug. Im Rahmen der Made in China 2025-Strategie will China in zehn zukünftigen Kernindustrien und -technologien vollständig autark, d. h. auch unabhängig von Importen aus Deutschland, werden.

Hinter all diesen Entwicklungen steht die Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Ohne ihren Willen geschieht nichts im Riesenreich. Chinesische Auslandsinvestitionen werden grundsätzlich und bis ins letzte Details von ihr kontrolliert. Mit der Übernahme kritischer Infrastruktur verfügen die chinesischen Kommunisten über den Machthebel, in unsere Innenpolitik einzugreifen. So wurde bekannt, dass die chinesische Botschaft deutschen Unternehmen mit Repressionen gedroht haben solle, würden sie nicht bei der Bundesregierung intervenieren, den Verkauf des Hamburger Terminals – wie von China gewünscht – zu realisieren.

Lieferketten, Technologie, Handel und Investitionen: All das wird von China als Waffe benutzt. Schon jetzt ist unsere Abhängigkeit von China enorm. Als Absatzmarkt für unsere Exportindustrie ist China inzwischen fast unerlässlich. China dominiert den globalen Markt für Seltene Erden und andere wichtige Rohstoffe, wie sie etwa für die Herstellung von Solarpanels benötigt werden. 60 Prozent der Windturbinen, die weltweit im Einsatz sind, stammen aus chinesischer Produktion, zwei Drittel der weltweit produzierten Halbleiter aus Taiwan. Taiwan wiederum wird von China permanent militärisch bedroht. Erst vor wenigen Tagen betonte Xi Jinping, dass China es „niemals ausschließen werde“, die „Wiedervereinigung“ zur Not mit militärischer Gewalt zu erzwingen.

„Wir sollten unsere Abhängigkeit von China also keinesfalls noch vergrößern, indem wir ihnen unsere kritische Infrastruktur - wie gerade beschlossen - verkaufen.“

Robin Wehebrink

Wir sollten unsere Abhängigkeit von China also keinesfalls noch vergrößern, indem wir ihnen unsere kritische Infrastruktur – wie gerade beschlossen – verkaufen. Mit dem Verkauf von Anteilen des Hamburger Hafens wird es nicht getan sein. In anderen von China übernommen Häfen, in Griechenland, Kambodscha, in Pakistan, Sri Lanka oder Tansania wurde uns bereits vorgeführt, was dann folgt: Systematische Wirtschaftsspionage, politische Erpressung, Technologiediebstahl, kategorischer Vorrang für chinesische Schiffe und Produkte, Reparaturen werden ausschließlich von chinesischen Ingenieuren und chinesischem Personal durchgeführt, massenhafte Datentransfers nach Peking.

Im Falle eines militärischen Konfliktes um Taiwan, das die USA, so Präsident Biden, militärisch verteidigen würden, sähe sich Deutschland gezwungen, gemeinsam mit unseren Verbündeten scharfe Sanktionen gegen China zu erlassen. Deutschland ist in vielerlei Hinsicht besonders abhängig von China und daher auch besonders verwundbar. Was machen wir, wenn China sich entschließen würde, Teile des Hamburger Hafens zu schließen oder bestimmte Schiffe/Güter nicht mehr abzufertigen? Wir würden von Importen abgeschnitten, unsere Lieferketten könnten kollabieren, unsere Wirtschaft würde schwer beschädigt.

Es geht also um viel mehr als „nur“ um einen Hafen. Es geht um die Frage, wo Deutschlands Platz in der Welt ist. Auf welcher Seite wollen wir stehen? Haben wir aus unseren Fehlern der Vergangenheit gelernt? Sind wir in der Lage, unsere kritische Infrastruktur und unsere nationalen Kerninteressen zu schützen?

Deutschland darf keine Zweifel daran lassen, auf welcher Seite wir im Systemkonflikt zwischen den USA und China stehen. Niemand zwingt uns in die Abhängigkeit von China. Also überlassen wir unsere kritische Infrastruktur nicht einem Land, das uns und unseren Werten fundamental feindlich gegenübersteht.

 

Robin Wehebrink studiert im Master International Affairs an der Hertie School in Berlin und ist Werkstudent bei der Boston Consulting Group (BCG). Er befasst sich intensiv mit Geopolitik und internationalen Handelsbeziehungen.

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