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Veranstaltungsberichte

Deutschlandseminar für Politiker aus Kenia

von Wolfgang Ahner-Tönnis

15.-24. Mai 2011 in Karlsruhe und Berlin

Bis zum Inkrafttreten einer neuen Verfassung im Jahr 2010 war Kenia ein zentral regierter Staat. Noch liegen noch keinerlei Erfahrungen mit dezentralen politischen Strukturen vor, bei denen untergeordnete Instanzen mehr Verantwortung übernehmen müssen. Die Partner der KAS in Kenia benötigen daher dringend neben der Beratung vor Ort eine Bildungsmaßnahme in Deutschland, bei der sie sich mit den Grundlagen einer dezentralen politischen Ordnung auseinandersetzen können.

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Motivation

Bis zum Jahr 2010 war Kenia ein zentral regierter Staat, bei dem die politische Macht letztlich in den Händen des Präsidenten lag. Im August 2010 haben die kenianischen Wähler mit überzeugender Mehrheit für eine neue Verfassung gestimmt, in der mehr Entscheidungskompetenzen an untergeordnete staatliche Behörden delegiert wurden.

Doch liegen noch keinerlei Erfahrungen mit dezentralen politischen Strukturen vor, bei denen untergeordnete Instanzen, letztlich die Bürger, mehr Verantwortung übernehmen müssen.

Das Land steht also vor einer doppelten Herausforderung: Die in der neuen Verfassung verankerten Grundsätze in das bestehende Gesetzeswerk einzubauen bzw. neue Gesetze zu beschließen, zum anderen zu lernen, welche neuen Chancen sich damit auftun. Die politischen Parteien sind außerdem aufgefordert, Kandidaten für die neuen Aufgaben in den noch zu wählenden Vertretungen auf unterer Ebene auszusuchen und auszubilden.

Die Partner der KAS in Kenia benötigen daher dringend neben der Beratung vor Ort eine Bildungsmaßnahme in Deutschland, bei der sie sich mit den Grundlagen einer dezentralen politischen Ordnung auseinandersetzen können, und eine Strategie entwerfen, wie ein Lösungsweg für die dringendsten Probleme des Landes aussieht und dieser auch umgesetzt werden kann.

Teilnehmer

Die Teilnehmer waren überwiegend führende Vertreter von konservativen und demokratischen Parteien, mit denen die Konrad-Adenauer-Stiftung in Kenia zusammenarbeitet. Außerdem war die unabhängige Wahlkommission vertreten, die in Kenia eine wichtige Rolle auch in der politischen Bildung spielt.

Programm

Das Programm umfasste Gespräche mit folgenden Institutionen:

  • Europaparlament Straßburg

  • Bundesverfassungsgericht

  • Rathaus der Stadt Karlsruhe

  • Karlsruher Verkehrsverbund – KVV

  • Landtag Baden-Württemberg, CDU-Fraktion

  • Bundesrat

  • Bundestag: Gespräch mit deutschen Abgeordneten Hartwig Fischer, Sprecher für Afrika-Politik in der CDU/CSU-Fraktion

  • Bundeskanzleramt: Gespräch mit MinRat Mario Sander von Torklus

  • Auswärtiges Amt: Gespräch mit Botschafter Walter Lindner, Beauftragter für Afrika-Politik im AA

  • Bundesministerium für Frauen, Senioren, Familie und Jugend: Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Hermann Kues, MdB

  • CDU: Gespräch mit dem Leiter des Büros für Auswärtige Beziehungen, Bertil Wenger und dem Referenten für strategische Planung, Dr. Jens Nordalm

    • Gespräch mit der Bundesgeschäftsführung der Jungen Union

    • Diskussion mit den Vertretungen christlich-demokratische Arbeitnehmer und Mittelstandsvereinigung

  • Konrad-Adenauer-Stiftung: Dr. Hardy Ostry, Teamleiter Afrika-Nahost, Andrea Kolb, Referentin Ost-Afrika

Gesprächsinhalte und Verlauf

Zum Auftakt des Seminars führte Herr Andreas Erlecke, Politik- und Kommunalberater, in das politische System und die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik ein. Dabei arbeitete er vor allem die verschiedenen Ebenen heraus, auf denen in der Bundesrepublik die politische Verantwortung verteilt ist. In einem weiteren Schritt zeigte er, wie das Prinzip der „Subsidiarität“ funktioniert und wies auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit hin.

Für die Teilnehmer war es ein beeindruckendes Erlebnis, am Nachmittag des ersten Tages durch die Gebäude des Europäischen Parlamentes in Straßburg geführt zu werden. Nach der Führung und Erläuterungen über das Funktionieren von Parlament, Kommission und andern Einrichtungen ging Herr Dr. Philipp auf die Fragen der Zusammensetzung, der Kompetenz und der Auswirkungen auf die nationale Politik der Mitgliedsländer ein.

Am zweiten Seminartag war der Öffentliche Nahverkehr im Blickpunkt des Interesses. Dr. Ludwig, ehemaliger und renommierter Experte stellte das System am Beispiel Karlsruhe so dar, dass es auch für die Gäste aus Kenia Anreize bot, ihren Öffentlichen Nahverkehr zu erneuern und auf eine solide gesetzliche und strukturelle Grundlage zu stellen.

Im Rathaus der Stadt Karlsruhe wurden die Gäste von Oberbürgermeister Fendrich persönlich empfangen. Danach machte Frau Mergen, erste Bürgermeisterin und Dezernentin für Wirtschaftsförderung deutlich, was es heißt, mit seiner Gemeinde oder Kreis als Standort im Wettbewerbern mit anderen Gebietskörperschaften zu stehen. Sie machte auch deutlich, dass darin gerade der besondere Reiz liegt, die eigene Region attraktiv für Investoren zu machen. – Am Beispiel Energie- und Wasserversorgung konnte gezeigt werden, was es konkret bedeutet, mit der Versorgung der Bevölkerung mit den Lebensgrundlagen beauftragt zu sein.

Abends fand ein Gespräch mit Dr. Vogt statt, lange Jahre Mitglied des Stadtrates Karlsruhe. Er berichtete über seine Erfahrungen, die von den Teilnehmern dankbar aufgenommen wurden.

Herr Kast, Mitarbeiter der Kreisverwaltung, erläuterte Organisation und Arbeit eines Landkreises, wo den Teilnehmern Parallelen, aber auch Unterschiede zu den angestrebten Counties in Kenia deutlich wurden.

Der Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe, Herr Staab machte das Gesetzgebungsverfahren in der Bundesrepublik anschaulich. Von den Teilnehmern wurde dies als ganz besonders wichtig eingestuft, berührte es doch ihre Aufgaben, mit denen sie sich in Kenia seit einem halben Jahr intensiv beschäftigen. Im Gespräch mit Prof. Herbert Landau, Richter am Bundesverfassungsgericht, wurden diese Fragen vertieft.

Eine nächste „Ebene“ wurde erreicht, als in Stuttgart Gespräche mit der Landtagsfraktion geführt wurden, wobei deutlich wurde, dass eine Demokratie einen Führungswechsel nicht nur gut verkraften kann, sondern sogar braucht. Den Teilnehmern wurde auch vor Augen geführt, wie wichtig die gute Zusammenarbeit und Abstimmung auf den verschiedenen Ebenen ist, in diesem Fall zwischen Kreis- und Landesebene.

Bevor Herr Gregosz, Referent im Team Wirtschaftspolitik, in die Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft einführen konnte, haben die Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung die Arbeit und Projekte in Ostafrika vorgestellt und neue Perspektiven diskutiert. – Nach den Grundlagen der Marktwirtschaft wurden auch die konkrete Politik aus unterschiedlicher Warte diskutiert: Aus Sicht der Arbeitnehmer wie aus der Sicht des Mittelstandes. So wurde auch deutlich, dass beide Seiten berechtigte Interessen haben, die aber am gleichen Ziel orientiert sein müssen.

Für die Gäste aus Kenia war das Gespräch mit dem Afrika-Beauftragten im Auswärtigen Amt ein besonderes Erlebnis: Botschafter Lindner war bis vor zwei Jahren selbst Botschafter in Kenia und einigen noch gut bekannt.

Ein weiteres Schlüsselerlebnis bot die Führung und das Gespräch im Bundesrat: Hier erfuhren die Politiker aus Kenia, nach welchen Prinzipien die Gewaltenteilung und Abstimmung politischer Prozesse in der Bundesrepublik organisiert ist. Besonderes Interesse zeigten die Teilnehmer an den Arbeitsstrukturen des Bundesrates, denn in Kenia soll ein Senat entstehen, welcher ähnlich dem Bundesrat die Interessen der 47 Counties vertreten soll.

Herr Preschle, früher selbst Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung, konnte am letzten Tag der Woche anschaulich vorführen, wie eine demokratische Partei einen Wahlkampf aufbaut, wie sie die Wähler erreichen will, aber auch, was an Rahmenbedingungen und gesetzlichen Vorschriften zu beachten ist.

Die Führung und das Gespräch in Potsdam am folgenden Tag waren nicht nur aus historischer Sicht interessant. Es konnte auch den Wiederaufbau einer Stadt nach Beendigung der sozialistischen Herrschaft deutlich machen.

Nach dem etwas ruhigeren Wochenende wurden die Teilnehmer am Montag, dem achten Tag des Programms nochmals gefordert: Nach einer Einführung in die aktuelle Politik der Bundesrepublik, in der vor allem die Rolle der Parteien und deren unterschiedlichen Wählerschichten herausgearbeitet wurde, hatten Herr Wenger und Herr Nordalm die Aufgaben vorgestellt, die eine demokratische Partei, die auch Volkspartei sein will, zu bewältigen haben. Für die Gäste war dies indes vor allem Motivation, sich den Aufgaben auch in ihrer Heimat stellen zu wollen.

Das wichtigste Gespräch in der Woche war wohl das mit dem Abgeordneten Fischer, der die Entwicklung in Afrika zu seiner persönlichen Aufgabe gemacht hat. Er konnte nicht nur die Leistungen der bisherigen Zusammenarbeit bewerten, vor allem hat er die Politiker auf ihre Verantwortung hingewiesen, die die Umsetzung der neuen Verfassung in einem Land mit sich bringt.

Der letzte Tag brachte noch zwei Ergänzungen, die unbedingt notwendig waren: Im Rahmen eines Besuchs im Bundeskanzleramt wurde die Wertschätzung deutlich, die von höchster Regierungsstelle gegenüber der Demokratischen Entwicklung in Afrika gezeigt wird. Gerade angesichts der Ereignisse in Nordafrika kann die politische Stabilität in Ländern wie Kenia nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Schließlich zeigte ein Besuch bei der Jungen Union, dass die Arbeit mit dem Nachwuchs einer politischen Partei nicht nur wichtig für die Zukunftsperspektiven ist, sondern auch Spaß machen kann.

Bewertung und Ausblick

Das Interesse der Teilnehmer war während des gesamten Programms ungebrochen. Sie verstanden dieses Seminar als eine Chance, ihre Arbeit vor Ort zu verbessern und von den Erfahrungen anderer Länder und Politiker zu profitieren.

Nach Einschätzung der Besuchergruppe wurden ihre Erwartungen erfüllt. Die Teilnahme hat sie sehr motiviert, die Erfahrungen in der neuen Gesetzgebung und ihrer Arbeit vor Ort umzusetzen. Es wurde eine Fortführung der Gespräche in Kenia vereinbart, die einmal im Monat durchgeführt werden sollte. – Vermisst wurde lediglich eine Art „Protokollant“, der die Ergebnisse für die Gruppe während des Seminars zusammenfasst.

Berlin, 16. Juni 2011

Wolfgang Ahner-Tönnis, Iris Föllner

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Kontakt

Iris Karanja

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