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Länderberichte

Marokkos neue Regierung

von Thomas Schiller

Primat der Kontinuität

Die Regierung des neuen Premierministers Abbas el Fassi steht. Trotz einiger neuer Gesichter ist sie vor allem ein Symbol der Kontinuität.

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Nach langen, schwierigen Verhandlungen zwischen den Parteien der bisherigen Regierungskoalition und unter tätiger Mithilfe der Berater des Königs, konnte am 15.Oktober 2007 die neue marokkanische Regierung präsentiert werden. Die konservativ-nationalistische Istiqlal (Unabhängigkeitspartei), die liberal-konservative, ehemalige Partei des Königspalastes RNI (Rassemblement National des Independents), die sozialistische USFP (Union Socialiste des Forces Populaires) und die ex-kommunistische PPS (Parti du Progrès et du Socialisme) werden – wie bisher – die Regierung tragen.

Damit findet sich die moderat-islamistische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung PJD (Parti de la Justice et du Développement), die zweitstärkste Partei im neuen Parlament, erneut in der Opposition wieder. Die liberale, der Berberbevölkerung nahestehende, Partei MP (Mouvement Populaire) verlässt die Regierung.

Die Fortführung der bisherigen Regierungsmehrheit ist keine Überraschung und setzt vor allem nach innen wie nach außen deutlich das Zeichen der Kontinuität. Es ist davon auszugehen, dass damit die Politik der behutsamen Reformen und der Modernisierung des Landes – im Einklang mit den Wünschen des Königs – fortgesetzt wird.

Der neue Premierminister

Mit Abbas el Fassi, dem Vorsitzenden der Istiqlal, des knappen Wahlsiegers vom 7.September, hat der König nach dem parteilosen Driss Jettou wieder einen Parteipolitiker zum Premier ernannt. El Fassis Benennung wurde von der marokkanischen Presse und Öffentlichkeit eher zurückhaltend aufgenommen. Der Vorsitzende der Istiqlal gilt vielen Intellektuellen als zu wenig unabhängig gegenüber dem König. Allerdings ist an dieser Stelle hervorzuheben, dass der König mit der Benennung el Fassis dem Wahlergebnis Rechnung getragen hat: el Fassis Istiqlal ist schließlich, wenngleich knapp, als Sieger aus dem Urnengang hervorgegangen. Es entspricht der demokratischen Logik, den Vorsitzenden des Wahlsiegers mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Abbas el Fassi ist ein alter Fahrensmann der marokkanischen Politik. Er kann auf eine lange politische Erfahrung verweisen, die bis in die siebziger und achtziger Jahre zurückreicht. Neben mehreren Jahren als Minister, u.a. für Handwerk und Arbeit, war el Fassi auch lange Jahre als Botschafter Marokkos in Tunesien und Frankreich tätig. Die dabei gesammelte nationale und internationale Erfahrung dürfte ihm in seiner neuen Funktion zugute kommen.

Das neue Kabinett

Das neue Kabinett umfasst 33 Minister und Staatssekretäre und ist damit größer als ursprünglich vorgesehen. Die Schlüsselressorts, die sog. „Souveränitätsministerien“, bleiben in der Hand parteiloser Vertreter des Königs. Sowohl Innenminister Benmoussa, der beigeordnete Minister für die Verteidigung Abderrahmane Sbai, der Generalsekretär der Regierung Abdessadek Rabil wie auch Religionsminister Ahmed Toufiq behalten ihre Posten. Taieb Fassi Fahri, bisher Nummer 2 im Außenministerium und international anerkannter Diplomat, rückt nun an die Spitze des Hauses und ersetzt Außenminister Benaissa. Die wichtigen Dossiers wie die innere Sicherheit, die Sahara-Frage oder Religionsangelegenheiten bleiben damit „domaine reservé“ des Königs und seiner Vertrauensleute.

Aus den Reihen der Istiqlal behalten die beiden jungen und effizienten Minister Karim Ghellab (Verkehr) und Taoufiq Hejira (Stadtentwicklung/ Wohnungsbau) sowie der Minister für die Beziehungen zum Parlament Mohamed Saad Alami ihre Posten. Die dynamische Yasmina Baddou, die sich in ihrem Wahlkreis in Casablanca eindrucksvoll behaupten konnte, steigt zur Gesundheitsministerin auf. Nizar Baraka, ein Verwandter el Fassis, wird beigeordneter Minister für allgemeinen Angelegenheiten. Nicht in der neuen Regierung findet sich Adil Douiri, der bisher den für Marokko nicht unwichtigen Tourismussektor erfolgreich betreute.

Die USFP kommt trotz ihres 5.Platzes bei den Wahlen verhältnismäßig gut bei der Postenverteilung davon. Der ehemalige Präsident des Parlaments Abdelwahed Radi wird neuer Justizminister während der Parteivorsitzende Mohamed el Yazghi vom Umweltministerium in das Amt eines Staatsministers ohne Portefeuille wechselt. Die USFP stellt u.a. auch den Arbeitsminister (Jamal Aghmani).

Der RNI erhält das wichtige Portefeuille für Wirtschaft und Finanzen (Salahedinne Mezouar) und stellt mit Mustapha Mansouri den Präsidenten der Repräsentantenkammer des Parlaments.

Die PPS stellt den Kommunikationsminister und Regierungssprecher (Khaled Naciri) sowie mit Frau Nouzha Skalli die Ministerin für soziale Entwicklung und Familie.

Dem Kabinett gehören auch erneut zahlreiche Seiteneinsteiger ohne parteipolitische Bindung an. Der prominenteste ist sicherlich der Unternehmer Aziz Akhannouch, der Minister für Landwirtschaft und Fischerei wird. Die Olympiasiegerin von Los Angeles von 1984 im 400-Meter-Hürdenlauf Nawal el Moutawakel erhält das Ressort für Jugend und Sport.

Die MP gehört überraschend der neuen Regierung nicht mehr an. Der bisherige Landwirtschaftsminister Mohand Laenser war laut Pressemeldungen bereits für den Posten des Parlamentspräsidenten gesetzt, musste nun aber Mustapha Mansouri vom RNI an sich vorbeiziehen sehen. Einige unabhängige Mitglieder der neuen Regierung firmieren daher nicht mehr unter dem Label MP. Wahrscheinlich hat die MP bei der Postenverteilung zu hoch gepokert.

Bilanz und Perspektiven

  • Die Kontinuität der marokkanischen Politik sowie die starke Rolle des Königs und seiner Vertrauten bleiben erhalten. Das Signal der Kontinuität und Stabilität, das von der neuen Regierung ausgeht, mag dazu beitragen, den behutsamen Reform- und Modernisierungskurs fortzuführen, wirft aber zugleich die Frage auf, welche neuen Impulse und Prioritäten die Regierung setzen wird und kann.
  • Die PJD bleibt in der Opposition. Das aus Sicht der PJD schlechte Abschneiden bei der Wahl – die Partei war vielfach zuvor als wahrscheinlicher Sieger gehandelt worden – wird aller Wahrscheinlichkeit nach zu Spannungen innerhalb der Partei führen. Der kompromissbereite Kurs der Führung um Saad Edine el Othmani gegenüber den Richtungsentscheidungen der Monarchie war von vielen Parteianhängern kritisiert worden.
  • Mehr Frauen, zahlreiche Seiteneinsteiger. Das neue Kabinett umfasst zahlreiche Frauen in herausgehobenen Ministerien, sicherlich ein positiver Aspekt. Das bekannteste Beispiel ist die neue Gesundheitsministerin und Hoffnungsträgerin der Istiqlal Yasmina Baddou. Auch die „Technokratin“ Amina Benkhadra übernimmt mit dem Umwelt- und Energieministerium ein bedeutendes Ressort. Die zahlreichen Seiteneinsteiger ohne parteipolitische Vergangenheit zeigen allerdings auch deutlich, dass die Parteien bei der Regierungsbildung nicht das letzte Wort haben.
  • Ein Fragezeichen bleibt weiterhin die künftige Rolle des ehemaligen beigeordneten Ministers im Innenministerium, und Klassenkameraden des Königs, Fuad Ali el Himma. Nach seinem überraschenden Rücktritt vor dem Urnengang und seiner anschließenden Wahl als parteiloser Abgeordneter seiner Heimatregion Ben Guerir (nahe Marrakesch) hat el Himma angekündigt, seine eigene politische Formation zu gründen. Zahlreiche Vertraute des ehemaligen Ministers sind zudem Mitglied der neuen Regierung. Bahnt sich womöglich die Gründung einer neuen Partei der „schweigenden Mehrheit“ (el Himma) an ? Diese Frage stellen sich momentan zahlreiche Beobachter.

Die neue marokkanische Regierung

  • Abbas el Fassi, Premierminister
  • Mohamed el Yazhgi, Staatsminister
  • Abdelwahed Radi, Justizminister
  • Chakib Benmoussa, Innenminister
  • Taieb Fassi-Fihri, Minister für Auswärtige Angelegenheiten und Zusammenarbeit
  • Ahmed Toufiq, Minister für Habous und Islamische Angelegenheiten
  • Abdessadek Rabiî, Generalsekretär der Regierung
  • Mohamed Saâd Alami, Minister zuständig für die Beziehungen mit dem Parlament
  • Salaheddine Mezouar, Wirtschafts- und Finanzminister
  • Karim Ghellab, Minister für Ausrüstung und Verkehr
  • Ahmed Taoufiq Hejira, Minister für Wohnung, Städtebau und Raumentwicklung
  • Mohamed Boussaïd, Minister für Tourismus und Handwerk
  • Amina Benkhadra, Ministerin für Energie, Bergwerk, Wasser und Umwelt
  • Yasmina Baddou, Gesundheitsministerin
  • Nawal El Moutawakil, Ministerin für Jugend und Sport
  • Aziz Akhenouch, Landwirtschafts- und Fischereinminister
  • Ahmed Akhchichine, Minister für Nationale Erziehung, Hochschulwesen, Weiterbildung des Öffentlichen Sektors und Forschung
  • Khalid Naciri, Kommunikationsminister und Sprecher der Regierung
  • Jamal Aghmani, Minister für Arbeit und Berufsbildung
  • Ahmed Chami, Minister für Industrie, Handel und Neue Technologien
  • Abdellatif Maâzouz, Außenhandelsminister
  • Nouzha Skalli, Ministerin für Soziale Entwicklung, Familie und Solidarität
  • Touriya Jabrane, Kulturministerin
  • Abderrahmane Sbaï, Beigeordneter Minister, zuständig für Verteidigung
  • Nizar Baraka, Beigeordneter Minister, zuständig für Wirtschafts und allgemeine Angelegenheiten
  • Mohamed Abbou, Beigeordneter Minister, zuständig für die Modernisierung des Öffentlichen Sektors
  • Mohammed Ameur, Beigeordneter Minister, zuständig für die marokkanische Gemeinschaft im Ausland
  • Abdelkébir Zahoud, Staatssekretär, Ministerium für Energie, Bergwerk, Wasser und Umwelt
  • Anis Birou, Staatssekretär, Ministerium für Tourismus und Handwerk
  • Saâd Hassar, Staatssekretär, Innenministerium
  • Latifa Labida, Staatssekretärin Ministerium für Nationale Erziehung, Hochschulwesen, Weiterbildung des Öffentlichen Sektors und Forschung, zuständig für Schulwesen
  • Ahmed Lakhrif, Staatssekretär, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und Zusammenarbeit
  • Latifa Akherbach, Staatssekretärin, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und Zusammenarbeit
  • Abdeslam Al Mesbahi, Staatssekretär, Ministerium für Wohnung, Städtebau und Raumentwicklung, zuständig für Raumentwicklung

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