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Veranstaltungsberichte

Innovation in Afrika – Aufschwung durch Afrolabs

Auf dem Vorplatz der Station Berlin tummeln sich hunderte von Menschen. Kleine Schlangen bilden sich am Eingangsbereich, ein bunter Mix aus alt und jung, aus Europa und der Welt. Alle haben sie eins gemeinsam: ihr Interesse an Innovation. Für re:publica, eine der größten europäischen Konferenzen für Internet und soziale Medien, finden sich vom 06. bis 08. Mai wieder zahlreiche Blogger, Journalisten und Internet-Begeisterte zusammen. Unter dem Motto „In/Sight/Out“ nimmt dabei auch erstmals die Situation im Afrika südlich der Sahara einen größeren Schwerpunkt ein.

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Von Katharina Gorges, Praktikantin KAS Medien Afrika

Unter den Teilnehmern und Sprechern aus über 50 Ländern der Welt sticht einer besonders hervor, der den Auftakt der diesjährigen Konferenz gestalten darf. Mit Erik Hersman, oder „White African“ („der weiße Afrikaner“) wie er sich selbst gerne nennt, würde man auf den ersten Blick wohl eher Autoteile und schweres Gerät in Verbindung bringen. Doch sobald der groß und breit gewachsene gebürtige Sudaner zu sprechen beginnt, kann man seine Leidenschaft für Innovation und digitalen Fortschritt spüren. Seit etwa acht Jahren, so genau kann er sich auch nicht mehr erinnern, ist er nun schon Blogger und Internetaktivist.

Afrika wird erfasst von einer Welle innovativer Entwicklungen

Hernsman lebt in Nairobi, einem der Innovationszentren Afrikas. Um das große technische und innovative Potential der Stadt zu fördern, gründete er 2010 iHub, einen interaktiven, offenen Arbeitsplatz, in dem sich Startup-Unternehmer und Tüftler treffen, gemeinsam neue Ideen entwickeln und mit potentiellen Investoren in Verbindung treten können. Inzwischen sind über 150 Firmen im iHub vernetzt, in dem vielversprechenden Kreativen von Unternehmensberatung, über die Bereitstellung von Technik und Material, bis hin zu Marktforschungen eine Reihe von Hilfsmöglichkeiten angeboten werden.

Gleich zu Beginn seiner knapp einstündigen Rede räumt Hersman mit dem omnipräsenten Vorurteil eines innovativ unterentwickelten und von Gewalt und Bürgerkrieg geprägten Afrika der 80er und 90er Jahre auf und kritisiert die ausbleibenden oder sehr zurückhaltenden Investitionen vieler potentieller Geldgeber. Gerade Materialknappheit und wochenlange Strom- und Internetausfälle machten Menschen erst spontan, vielseitig, innovativ und ermöglichten kreative Erfindungen und Weiterentwicklungen von Technologie aus der eigenen Not heraus, so seine Erfahrung.

„Ich weiß nicht, wer das gebaut hat, aber er hat definitiv eine Auszeichnung verdient“

Dass Schiffscontainer beispielsweise zu mehr zu gebrauchen sind, als Ware von Kontinent zu Kontinent zu transportieren, zeigt das Bild eines Bürogebäudes, das ausschließlich aus wild aufeinander gestapelten und miteinander verschweißten Containern besteht. Ausgetrennte oder defekte Wände wurden durch Fenster ersetzt, an der Seite prangt ein großes Plakat. Was aussieht, wie ein modernes Architekturprojekt war ursprünglich eine Notlösung. Solche und viele weitere Projekte fördert der in Kenia lebende Technologieexperte in seiner Kreativwerkstatt, um experimentierfreudige Köpfe in die IT-Branche zu bringen.

Are you a villager?

Nicht nur die fehlenden oder unbezahlbaren Materialien machen es den afrikanischen Tüftlern schwer, ihre Träume und Visionen zu verwirklichen. Auch die hohen Hürden der Unternehmensgründung und fehlende Investoren lassen viele früh scheitern. Eine zentrale Rolle spielt deshalb die Gemeinschaft, in der die geplanten Projekte realisiert werden. Den Gemeinschaftsgedanken, der auch im Slogan von iHub („Technology, Innovation, Community“) seinen festen Platz hat, hat Hersman schon in seiner frühen Kindheit verinnerlicht: Um eine stabile Hütte bauen zu können, brauchten die Menschen in seinem Heimatdorf ein bestimmtes Gras, das jedoch nur 50km entfernt wuchs. Um den Bau zu ermöglichen, bedurfte es der Mithilfe des gesamten Dorfes, deren Bewohner eine Strategie zum effektiven und schnellen Transport entwickelten und die Hütte somit innerhalb weniger Wochen fertig stellen konnten.

Grunglegend ist die Bereitstellung von Infrastruktur

Auch wenn er kein großer Fan von Hilfeleistungen „von oben“ sei, betont Hersman dennoch die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit und Kooperation. Besonders auf die Bereitstellung von Infrastruktur und Materialien aus dem Ausland seien die Menschen in Afrika stark angewiesen. Doch nicht nur der internationale Austausch von Material, sondern auch von Ideen und Know-How seien zentral, bei dem in den letzten Jahren vermehrt Innovationen aus Afrika nach Europa oder Amerika gelangt und dort mit großer Begeisterung aufgenommen und eingesetzt worden seien.

So wird die Idee von der von Hersmans mitbegründeten Crowdsourcing-Website „Ushahidi“, die ursprünglich für die Ortung von gewaltsamen Auseinandersetzungen während der Präsidentschaftswahlen in Kenia 2007 entwickelt wurde, inzwischen weltweit für unterschiedliche Zwecke genutzt. So wurde im Jahr 2009 die digitale Landkarte beispielsweise für Zeugenberichte und Beiträge über Gewalt während der politischen Krise in Madagaskar eingesetzt und bei den afghanischen Präsidentschaftswahlen zu einer Wahlaufsichtsplatform umfunktioniert. Verständlich also, dass der Unternehmensgründer davon schwärmt, Afrika werde von einer Welle innovativer Entwicklungen erfasst, von denen iHub und er selbst nur die Spitze seien.

Internetkultur fördern

Das enorme Potential netzbasierter Innovationen und Möglichkeiten hat auch KAS Media Afrika erkannt. Zu den geförderten Projekten zählt beispielsweise die „African News Innovation Challenge“ (ANIC), welche die Vernetzung von Informationstechnologie und Journalismus mit Hilfe eines Wettbewerbs voranbringt. Zu den Gewinnern des letztjährigen Wettbewerbs zählt beispielsweise AfricanDrone, ein Pilotprojekt, das erstmals in Afrika mit Kameras ausgerüstete Dronen einsetzt, um die Berichterstattung in schwierig zugänglichen Gebieten oder gefährlichen Situationen mit Bildern aus der Luft anzureichern. Wie die anderen Gewinner auch erhält das Projekt nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern wird auch durch ein Mentoringprogramm und Marketingkampagnen begleitet.

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 20 innovative Projekte ausgezeichnet, darunter digitale Anwendungen zur Aufdeckung von Korruption, Infographiken zur Veranschaulichung komplexer Sachverhalte oder der Einsatz von Bildschirmen und Endgeräten in öffentlichen Verkehrsmitteln zur besseren und schnelleren Nachrichtenversorgung der Bevölkerung.

Innovation kills the status quo. Dort, wo Innovation stattfindet, werden Lebensumstände verändert, Kräfteverhältnisse verschieben sich. Doch Innovation setzt auch immer das Bedürfnis nach Veränderung voraus. Dass die Menschen in Afrika diesem Bedürfnis trotz erschwerter Voraussetzungen so zielstrebig und engagiert nachgehen, zeigt einmal mehr, dass der Kontinent zu mehr fähig ist, als die Bilder von Bürgerkriegen und Hungersnöten erwarten lassen. Umso wichtiger ist es, das betont auch Erik Hersman gegen Ende seines Vortrags, neue und kreative Ideen in afrikanischen Ländern mit den notwendigen Mitteln auszustatten und gedeihen zu lassen.

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Kontakt

Christoph Plate

Christoph Plate bild

Leiter des Medienprogramms Südosteuropa

christoph.plate@kas.de +359 2 942-4971 +359 2 94249-79
Workshop
4. - 8. Oktober 2012
Sansiba / Tansania
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