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Die Skepsis auf beiden Seiten bleibt groß

Befunde der gemeinsamen israelisch-palästinensischen Meinungsumfrage vom Juni 2012

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Um die Aussichten auf weitere Verhandlungen steht es in der öffentlichen Wahrnehmung derzeit schlecht. Sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite herrschen Pessimismus und gegenseitiges Misstrauen vor.

Weder Israelis noch Palästinenser hegen derzeit große Erwartungen an den weiteren Verlauf der Verhandlungen oder die Abnahme gewaltsamer Zusammenstöße. Nur 6% der Israelis und 18% der Palästinenser erwarten ein Ende der Gewalt und die Fortsetzung der Gespräche. Rund 36% der Israelis und 32% der Palästinenser glauben zwar an eine baldige Wiederaufnahme der Gespräche, aber gleichzeitig erwarten sie auch einige gewaltsame Zusammenstöße. Die Hälfte der Israelis (fast 50%) glaubt weder an weitere Verhandlungen noch an ein Ende der Gewalt. Bei den Palästinensern sind hingegen nur 19% derart skeptisch; allerdings wurde ihnen eine weitere Antwortmöglichkeit angeboten, in der nicht eine Fortsetzung, sondern sogar eine Zunahme der Gewalt prognostiziert wird – dies betrachten 21% als wahrscheinlich. Generell erwarten also Mehrheiten auf beiden Seiten, dass die Gewalt kein baldiges Ende findet.

Gründung eines palästinensischen Staates und Siedlungspolitik

Auch die Chancen auf Gründung eines palästinensischen Staates innerhalb der nächsten fünf Jahre werden als niedrig gesehen. 71% der Israelis und 68% der Palästinenser halten die Chancen für gering oder nichtexistent. Im Vergleich zu den Ergebnissen vom Juni letzten Jahres wird zudem deutlich, dass auf beiden Seiten der Glaube an eine palästinensische Staatsgründung weiter zurückgegangen ist. Schon damals hatten 62% der Palästinenser die Chancen für gering oder nichtexistent gehalten. Noch stärker ist die Entwicklung auf israelischer Seite: Im Vergleich zu Juni 2011 stieg die Zahl der Skeptiker um 18 Prozentpunkte von 53% auf 71%.

Interessant ist diese Entwicklung auch in Hinblick auf die israelische Einstellung zum Abbau der meisten israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten. In dieser Frage ist die öffentliche Meinung in Israel gespalten, wobei die Zahl der Gegner eines solchen Abbaus knapp vor der Zahl der Befürworter liegt. Kürzlich sorgte der Bericht einer von der Regierung Netanjahu beauftragten Kommission für Aufsehen, welche die Legalisierung von israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten empfahl.(1) Diese Empfehlung könnte sich demoskopisch auf den Befund stützen, dass 50% der Israelis den Abbau der meisten Siedlungen ablehnen, während ihn 45% befürworten.

Gegenseitige Anerkennung als jüdischer und palästinensischer Staat

Eine weitere wichtige Frage in Bezug auf eine dauerhafte Beilegung des israelisch-palästinensischen Konflikts ist die wechselseitige Anerkennung Israels als Staat des jüdischen und Palästinas als Staat des palästinensischen Volkes.(2) Momentan wird diese Anerkennung durch 53% der Israelis und 43% der Palästinenser unterstützt. Im Vergleich zu letztem Jahr ist diese Bereitschaft von 58% (Israelis) und 47% (Palästinenser) leicht gesunken. Die so genannte Identitätsfrage ist zuletzt deshalb so bedeutend, weil sie einen endgültigen Verzicht auf beiden Seiten impliziert: Die Palästinenser müssten von historischen Ansprüchen auf israelisches Staatsgebiet und auf ihr Rückkehrrecht, die Israelis von historisch-biblischen Ansprüchen auf die in der Westbank gelegenen Gebiete von Judäa und Samaria endgültig Abschied nehmen. Aus israelischer Sicht ist die Selbstdefinition als jüdischer Staat – und das heißt immer auch: als Staat mit jüdischer Bevölkerungsmehrheit – von herausragender Bedeutung. Wie die Umfrage zeigt, betrachten 38% der Israelis eine jüdi-sche Mehrheit als wichtigsten Wert für die Zukunft ihres Landes, 26% nennen Frieden als erste Priorität, 23% Demokratie und 12% Groß-Israel (d.h. ein Staatsterritorium unter Einschluss der biblischen Gebiete Judäa und Samaria).

Bedrohungswahrnehmung

Die Bedrohungswahrnehmung zeigt eine gegensätzliche Entwicklung auf israelischer und palästinensischer Seite. Während sich das Sicherheitsgefühl der Israelis anscheinend verbessert hat und sich im Gegensatz zu 59% im letzten Jahr heute nur noch 51% bedroht fühlen, liegt der Anteil der sich bedroht fühlenden Palästinenser nicht nur deutlich höher; er ist im Vergleich zu letztem Jahr sogar geringfügig angestiegen. Hatten sich im Juni 2011 noch 70% bedroht gefühlt, sind dies heute 74% und somit über 20% mehr als bei den Israelis.

Durchführung der Umfrage

Bei der Befragung unter der palästinensischen Bevölkerung betrug die Stichprobengröße 1200 Erwachsene, welche in persönlichen Gesprächen im Westjordanland, Ostjerusalem und dem Gazastreifen zwischen dem 21. und dem 23. Juni 2012 an 127 zufällig ausgewählten Orten interviewt wurden. Die Fehlerquote liegt bei 3 Prozent. Bei der Befragung unter der israelischen Bevölkerung betrug die Stichprobengröße 602 volljährige Israelis, die zwischen dem 17. und dem 21. Juni 2012 am Telefon auf Hebräisch, Arabisch und Russisch interviewt wurden. Die Fehlerquote liegt bei 4,5%.

Die Umfrage wurde von Prof. Yaacov Shamir vom Harry S. Truman Research Institute for the Advancement of Peace und dem Department of Communication and Journalism an der Hebräischen Universität in Zusammenarbeit mit Prof. Khalil Shikaki, Direktor des Palestinian Center for Policy and Survey Research (PSR), geplant und betreut.

Fußnoten

(1) Vgl. für nähere Informationen über den Bericht: PM to decide on Levy report with settle-ment c'tee (Jerusalem Post Online, 7. Juli 2012, http://www.jpost.com/DiplomacyAndPolitics/Article.aspx?id=276802); Levy Report rights historical wrongs (Ynetnews, 7. Juli 2012, http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4253087,00.html); Netanyahu-appointed panel: Israel isn't an occupying force in West Bank (Haaretz Online, 7. Juli 2012, http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/netanyahu-appointed-panel-israel-isn-t-an-occupying-force-in-west-bank.premium-1.449895).

(2) Vgl. Die Formel von Präsident Obama in seiner Rede bei der AIPAC Policy Conference 2011: „The ultimate goal is two states for two people: Israel as a Jewish state and the homeland for the Jewish people and the State of Palestine as the homeland for the Palestinian people -- each state in joined self-determination, mutual recognition, and peace.“ (http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2011/05/22/remarks-president-aipac-policy-conference-2011).

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