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Länderberichte

Räumung des Außenpostens Migron

von Felix Dane, Jörg Knocha

Die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland

„Der Gerichtshof kommt zu dem Schluss, dass der Bau der israelischen Siedlungen in den besetzten Palästinensischen Gebieten (einschließlich Ostjerusalem) eine Verletzung des Völkerrechts darstellt.“

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In diesem Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs (International Court of Justice, ICJ) von 2004 spiegelt sich der weitgehende internationale Konsens bezüglich der israelischen Ansiedlungen im Westjordanland wider. Ein großer Teil der Weltgemeinschaft erkennt einen palästinensischen Staat zwar bereits an, doch sind es genau diese Ansiedlungen, die einem lebensfähigen palästinensischen Staat im Wege stehen. Immer mehr Länder üben daher scharfe Kritik an den vielfach als völkerrechtswidrig angesehenen israelischen Bautätigkeiten. Aber auch in Israel gibt es rechtliche Bedenken bezüglich einiger Ansiedlungen im Westjordanland. Die damalige Präsidentin des Obersten Israelischen Gerichtshofes, Dorit Beinisch, kritisierte in einem Plädoyer von 2008 die Verzögerungstaktiken der israelischen Regierung beim Abriss von Ansiedlungen, die sich auf privatem palästinensischem Land befinden und somit selbst gegen israelisches Recht verstoßen.

Über Jahre hinweg finanzierte das israelische Wohnungsbauministerium illegale Außenposten im besetzten Westjordanland. Einer der bekanntesten Fälle ist der des Außenpostens Migron. In den Archiven der für das Westjordanland zuständigen israelischen Zivilverwaltung lässt sich die Entstehungsgeschichte von Migron nahezu minutiös rekonstruieren. Es dauerte aber über neun Jahre bis der Oberste Israelische Gerichtshof im August 2011 die Räumung Migrons bis zum 31. März 2012 beschloss. Ein Kompromiss zwischen der israelischen Regierung und den Einwohnern von Migron sollte die Evakuierung bis zum Jahr 2015 verzögern – doch der Oberste Gerichtshof stimmte dagegen und ordnete die Räumung bis zum 1. August 2012 an. Doch Migron ist nur eine von etwa 250 israelischen Ansiedlungen im Westjordanland, das flächenmäßig nur etwa doppelt so groß wie das Saarland ist.

Die israelische Besiedlung des Westjordanlands

Sie tragen alttestamentarische Namen (Eli, Shiloh, Kiryat Arba) oder einfache geographische Bezeichnungen (Punkt 792, Hügel 857, Flaggenhügel): Die etwa 250 israelischen Ansiedlungen im Westjordanland und Ostjerusalem gehören aus palästinensischer Sicht schon seit langem zu den größten Hindernissen für einen israelisch-palästinensischen Frieden. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas weigert sich, Friedensverhandlungen mit der israelischen Regierung aufzunehmen, so lange der Siedlungsbau fortgesetzt wird. Die Ansiedlungen lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Als Außenposten werden in diesem Bericht alle diejenigen jüdischen Gemeinden bezeichnet, die nicht offiziell autorisiert sind. Die autorisierten Gemeinden werden Siedlungen genannt.

Die Geburtsstunde des israelischen Siedlungsbaus war der Sechs-Tage-Krieg 1967, in dem Israel u.a. das Westjordanland, Ostjerusalem und den Gazastreifen eroberte. Zwar zogen bereits kurz nach dem Ende des Krieges die ersten Israelis in die eroberten Gebiete, doch erst zu Beginn der 1980er Jahre kam es zu einem regelrechten Bauboom. Dabei spielte es keine Rolle, welche politische Ausrichtung die jeweilige Regierung hatte. Auch der Oslo-Friedensprozess in den 1990er Jahren änderte daran nichts. Nur einmal, im Jahre 2005, wurden Siedlungen in den Palästinensischen Gebieten von einer israelischen Regierung geräumt. Der damalige Ministerpräsident Ariel Scharon ließ 25 autorisierte Siedlungen evakuieren. Davon befanden sich 21 im Gazastreifen. Im Westjordanland wurden vier Siedlungen geräumt. Am generellen Wachstumstrend der Siedlerzahlen änderte dies nichts. Laut dem Zentralen Israelischen Statistikamt (ICBS) betrug die jährliche Wachstumsrate der Siedlungen im Westjordanland während des vergangenen Jahrzehnts 5,3 Prozent. Die Wachstumsrate der gesamten israelischen Bevölkerung betrug lediglich 1,8 Prozent. Gegenwärtig gibt es rund 150 von den israelischen Behörden genehmigte Siedlungen, die im gesamten Westjordanland und Ostjerusalem verstreut sind, und die offiziell registriert sind. Dort leben rund 500.000 Israelis. Daneben existieren im Westjordanland etwa 100 von den israelischen Behörden nicht genehmigte Außenposten. Rund 4000 Siedler leben dort. Laut der israelischen Friedensorganisation Peace Now lebt eine Mehrheit dieser Siedler aus ökonomischen Gründen im Westjordanland, doch gibt es dort auch über einhunderttausend Siedler, deren Motivation ideologischer Natur ist. Ihr Ziel ist die Besiedlung des gesamten Eretz Israel, des biblischen Landes Israel.

Der legale Status der Siedlungen

Doch wie ist es um den rechtlichen Status der israelischen Ansiedlungen im Westjordanland bestellt? Für den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die Europäische Union und den ICJ sind alle Ansiedlungen illegal. Sie berufen sich dabei auf die Artikel 2 und 49 der Vierten Genfer Konvention. In Artikel 2 geht es um diejenigen Gebiete, die unter die Vierte Genfer Konvention fallen. Laut des Gutachtens des ICJ erfüllen die von Israel 1967 eroberten Gebiete die Kriterien des Artikels. Paragraph 6 des Artikels 49 verbietet, dass eine Besatzungsmacht ihre eigene Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet umsiedelt. Der ICJ ist der Meinung, dass dies in den Palästinensischen Gebieten geschieht.

Israel erkennt die Genfer Konvention zwar an, ist aber der Meinung, dass diese keine Anwendung in den Palästinensischen Gebieten findet. Weder seien die Kriterien von Artikel 2 noch die von Artikel 49 erfüllt. Artikel 2 könne keine Anwendung finden, da die Palästinensergebiete niemals als souveräner Staat anerkennt worden seien. Darüber hinaus seien auch die Kriterien von Artikel 49 nicht erfüllt. Dieser würde nur dann gelten, wenn ein Bevölkerungstransfer mit der Vertreibung der ursprünglichen Bewohner einhergeht. Dies sei in den Palästinensischen Gebieten nicht der Fall gewesen. Außerdem seien die israelischen Bewohner des Westjordanlands teils Nachkommen von jüdischen Gemeinden, die dort bereits vor der Staatsgründung Israels existierten, von arabischen Kräften aber vertrieben wurden. Damit handele es sich um keine Neuansiedlungen. Durch das Oslo-I-Abkommen von 1993, in dem die Frage der Siedlungen auf einen nicht definierten späteren Zeitpunkt verschoben wurde, hätten die Palästinenser die Präsenz der Siedlungen zumindest vorübergehend anerkannt. Daher könnten diese nicht als illegal gelten.

Laut israelischer Rechtsprechung ist die Besiedlung des Westjordanlands also völkerrechtlich legal. Siedlungen müssen jedoch von der Regierung autorisiert werden. Laut israelischem Recht dürfen sie dabei nicht auf privatem palästinensischem Land liegen. Laut Peace Now verstoßen jedoch einige Siedlungen gegen israelisches Recht, da sie (vollständig oder teilweise) in einem Gebiet liegen, das laut der für die besetzten Gebiete zuständigen israelischen Zivilverwaltung (Civil Administration) als privates palästinensisches Land deklariert ist. Ihre Autorisierung kann nur von der Regierung und der Knesset bzw. dem Obersten Israelischen Gerichtshof aufgehoben werden. Bisher wurde jedoch noch nie eine Siedlung aus rechtlichen Gründen geräumt. Die etwa 100 Außenposten sind allesamt illegal, da sie nicht von der israelischen Regierung genehmigt wurden. Auch die Unterstützung bei der Erweiterung von Außenposten durch einige Ministerien ist daher ein Rechtsbruch. Einige der Außenposten haben sich darüber hinaus auf Gebiete ausgebreitet, die zur sogenannten „Zone B“ des Westjordanlands gehören. Laut dem Oslo-II-Abkommen von 1995 hat die palästinensische Regierung in diesen Gebieten die vollständige Kontrolle über die Bauplanung. Jede israelische Bautätigkeit ohne palästinensische Erlaubnis ist dort verboten.

Der Außenposten Migron, als ein Beispiel unter vielen, verstößt nicht nur gegen Völkerrecht sondern auch gegen israelisches Recht.

Der Fall Migron und die eskalierende Siedlergewalt

Es begann mit einer Mobilfunkantenne: Für den damaligen Siedlerführer Pinchas Wallerstein entstanden durch den Ausbruch der Zweiten Intifada im September 2000 neue Möglichkeiten, die Besiedlung des Westjordanlands voranzutreiben. Als Chef des Verwaltungsdistrikts Binyamin im zentralen Westjordanland erlebte er, wie palästinensische Terroristen tödliche Anschläge auf von Israelis benutzte Straßen verübten. Ein flächendeckendes Mobilfunknetz war für Wallerstein eine Möglichkeit, Leben zu retten und gleichzeitig neuen Wohnraum für Siedler zu erschließen. Etwa zehn Kilometer östlich von Ramallah errichtete die Firma Pelephone kurz darauf eine Mobilfunkantenne. Bald folgten die ersten Siedler mit mobilen Wohncontainern. Ein neuer Außenposten war geboren. Das israelische Wohnungsbauministerium nahm sich der Sache an und ignorierte dabei, dass es sich um privat registriertes palästinensisches Land handelte. Das Ministerium entwickelte einen detaillierten Plan für bis zu 500 Wohneinheiten, obwohl der Außenposten nie von der Regierung genehmigt wurde. Mehrere Millionen Schekel wurden für eine Zufahrtsstraße und Infrastrukturmaßnahmen bezahlt. Obwohl die israelische Zivilverwaltung im Westjordanland die illegalen Bautätigkeiten in Echtzeit verfolgte, dokumentierte und diese Berichte an die politischen Entscheidungsträger weiterleitete, dauerte es bis zum Herbst 2004 bis die Generalstaatsanwaltschaft anfing im Fall Migron zu ermitteln. Es vergingen weitere sieben Jahre bis das Oberste Israelische Gericht im August 2011 die Räumung Migrons anordnete.

Allerdings steht noch nicht abschließend fest, ob es überhaupt zur Räumung kommt. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu setzt alles daran, eine einvernehmliche Lösung mit den etwa 280 Siedlern von Migron zu finden. Er befürchtet, dass seine Regierung zerbrechen könnte, sollte es zu einer Räumung ohne Kompromiss kommen. Die am meisten diskutierte Idee dreht sich um den „Transfer“ von Migron in ein naheliegendes Gebiet, das nicht als privates palästinensisches Land deklariert ist. Die Siedler von Migron stimmen diesem Vorschlag prinzipiell zu. Von linken politischen Kreisen gab es heftige Kritik an diesem Kompromiss. Ein Leitartikel der Haaretz nannte ihn „eine Kombination aus Straßenraub, Verachtung für das höchste Gericht Israels und Missachtung internationaler Abkommen“. Für Peace Now ist er eine „Verhöhnung des Rechtsstaats“. Ende März 2012 entschied der Oberste Gerichtshof, dass der Plan gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstößt. Ein Umzug bis zum November 2015, wie im Kompromiss vorgesehen, sei nicht akzeptabel. Das Gericht gab der Regierung bis zum 1. August 2012 Zeit, um den Außenposten endgültig zu räumen. Die Regierung versprach, dem Urteil Folge zu leisten und zwei weitere Außenposten, Givat Assaf und Amona, bis zum 1. Juli bzw. bis zum 31. Dezember zu räumen. Einen politisch umstrittenen Vorschlag machte der Knessetabgeordnete Zevulun Orlev, Mitglied der Neuen Nationalreligiösen Partei. Er brachte einen Gesetzentwurf ins Parlament ein, mit dem einige bestehende Außenposten legalisiert werden könnten. Jeder Außenposten, der mindestens vier Jahre besteht und in dem mindestens 20 Familien leben, würde autorisiert werden. Befindet er sich auf palästinensischem Land werden dessen Eigentümer finanziell entschädigt. Ministerpräsident Netanjahu ist zwar gegen den Gesetzentwurf, doch bei einer möglichen Knessetabstimmung könnte er eine Mehrheit bekommen.

Doch was ist zu erwarten, sollte es zu einer Räumung Migrons kommen? Israelische Siedler haben in den letzten Jahren begonnen, jeder Aktion gegen ihre Außenposten ein sogenanntes Preisschild („price tag“) zu geben. Damit sind teilweise militante Vergeltungsaktionen gemeint, mit denen sie verdeutlichen wollen, dass jegliche Maßnahme gegen Siedler auf den Widerstand dieser Gruppen stößt und die Palästinenser und die eigene Armee teuer zu stehen kommt. Oder im Duktus der Siedler formuliert: „Für jeden Akt der Zerstörung (eines Außenpostens) in den Hügeln südlich von Hebron werden wir Feuer im Norden des Westjordanlands legen, und für jeden Container, der in der Nähe von Har Bracha (Siedlung im Raum Nablus) zerstört wird, werden wir einen Preis in den Hügeln südlich von Hebron einfordern.“

Bereits der Abzug aus dem Gazastreifen im Jahre 2005 weckte die Befürchtung vor einem Bürgerkrieg in Israel, doch letztlich verlief er ohne größere Zwischenfälle. Das lag daran, dass die Räumung von 9000 Siedlern aus Gaza 2005 in einem relativ eng umrissenen Raum stattfand. Bereits Wochen vor der Räumung erklärte die israelische Armee den Gazastreifen zu einer „geschlossenen Militärzone“. Damit wurde verhindert, dass Abzugsgegner aus Israel bzw. dem Westjordanland in Gaza einreisen konnten. Eine Schließung des Westjordanlands ist deutlich schwieriger durchzusetzen. Dazu kommt, dass es im Westjordanland und Ostjerusalem rund eine halbe Million Siedler gibt, die mobilisiert werden können. Diese Probleme traten ansatzweise bereits bei der Räumung von vier Siedlungen im nördlichen Westjordanland im Jahr 2005 auf. Etwa 2000 angereiste Siedler demonstrierten, teilweise gewalttätig, gegen die Evakuierung. Das diese trotzdem ohne schwerwiegende Zwischenfälle verlief, lag vor allem daran, dass die Mehrheit der einigen hundert Siedler freiwillig abzog und die isolierte Lage der vier Siedlungen eine Abriegelung einfacher machte. Dagegen weigern sich die Siedler von Migron, das nur unweit einiger großer Siedlungsblöcke liegt, vor 2015 abzuziehen. Dazu kommt, dass Zahl und Organisationsgrad der militanten Siedler durch die Evakuierung von 2005 deutlich zugenommen hat.

Der passende Referenzrahmen für Migron ist daher nicht die Evakuierung von 25 Siedlungen in Gaza und im Westjordanland im Jahr 2005, sondern der Fall des Außenpostens Amona im Westjordanland. Dieser wurde 1995 auf privatem palästinensischem Land errichtet. Nachdem Peace Now eine umfassende Akte zu Amona erstellte und diese publik machte, beschloss die israelische Regierung im Oktober 2004 neun neu errichtete permanente Wohneinheiten abzureißen. Nachdem es zu wiederholten Verzögerungen sowie Einsprüchen gegen den Evakuierungsbeschluss kam, entschied das Oberste Gericht, dass eine Räumung rechtmäßig sei. Für die Evakuierung der neun permanenten Wohneinheiten im Februar 2006 wurden rund 10.000 Polizisten und Soldaten eingesetzt. 5000 Siedler waren aus allen Teilen des Westjordanlands angereist, um die Räumung zu verhindern. Im Zuge des Abrisses der Wohneinheiten kam es zu den schwersten Konfrontationen zwischen Siedlern und Sicherheitskräften in der Geschichte Israels. Hunderte Sicherheitskräfte und Siedler wurden verletzt. Unter den Verwundeten befanden sich auch mehrere nationale und religiöse Knessetabgeordnete, die jegliche Ansiedlungen im Westjordanland unterstützten. Auf Grund der schwerwiegenden Zwischenfälle wurde eigens ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt. Mit welchen Reaktionen ist erst zu rechnen, wenn es nicht mehr um einzelne Wohnhäuser sondern um die vollständige Räumung eines der größten Außenposten geht?

Ähnlich wie im Fall Amona geht die eigentlic he Gefahr nicht von den Einwohnern, sondern von einer radikalen Minderheit von Siedlern aus, die über das gesamte Westjordanland verteilt sind und die über ein enormes Mobilisierungspotential verfügen. Wie weit diese Minorität bereit ist zu gehen, hat sich besonders seit dem Ausbruch der Zweiten Intifada im September 2000 gezeigt. Seitdem wurden mehr als 50 Palästinenser im Westjordanland und dem Gazastreifen von Personen getötet, die mutmaßlich dem militanten Siedlermilieu angehörten. Nur eine Minderheit dieser Fälle geschah in Notwehrsituationen. Im gleichen Zeitraum wurden allerdings auch über 250 israelische Zivilisten im Westjordanland und dem Gazastreifen von Palästinensern getötet. 2011 wurden drei Palästinenser bei Zusammenstößen mit Siedlern getötet. Zwei weitere starben bei palästinensischen Demonstrationen in der Nähe von Siedlungen. 2011 haben Angriffe der Siedler auf Palästinenser bzw. auf deren Besitz im Vergleich zu 2009 um 144 Prozent zugenommen. Etwa 10.000 Bäume, vor allem Olivenbäume, wurden beschädigt oder zerstört. Siedler schrecken mittlerweile auch nicht mehr vor Angriffen auf israelische Militärbasen bzw. auf muslimische und christliche Gotteshäuser im Westjordanland bzw. Israel zurück.

Fazit

Die Geschichte des Außenpostens Migron steht exemplarisch für die gesellschaftlichen, juristischen und politischen Auseinandersetzungen in Israel um die Siedlungsfrage. Doch die innerisraelische Diskussion steht dabei teilweise in einem starken Gegensatz zur internationalen Debatte und könnte sich bald als bedeutungslos herausstellen. Eine Mehrheit der internationalen Gemeinschaft erkennt einen palästinensischen Staat bereits heute an. Immer mehr Staaten widersprechen der israelischen Meinung, dass es sich bei den Palästinensischen Gebieten um einen Raum unklarer Zugehörigkeit handelt. Auch die Ansicht einiger international anerkannter Völkerrechtler, dass die Palästinensischen Gebiete keine Staatlichkeit besitzen, wird von immer weniger Ländern geteilt. Die Forderungen nach einer Durchsetzung des Völkerrechts, inklusive der erwähnten Vierten Genfer Konvention, in den Palästinensischen Gebieten werden daher weiter zunehmen.

Die Argumentation Israels wird auch durch die alltägliche Wirklichkeit zusehends konterkariert. Denn bezieht die Mehrheit der internationalen Gemeinschaft eine dezidierte Position zur Staatlichkeit der Palästinensischen Gebiete und behandelt diese faktisch wie einen Staat, schafft dies Tatsachen, wonach mit Blick auf die Causa Migron nur eine Konsequenz folgen dürfte: Migron ist nur eine von etwa 250 Ansiedlungen, die sich illegal auf palästinensischem Boden befinden. Die vom Obersten Israelischen Gericht angeordnete Evakuierung Migrons kann daher nur ein erster Schritt sein.

Doch es gibt einen Ausweg: Neue Friedensverhandlungen, in denen es einen Kompromiss gibt, der einen Landaustausch zwischen Israelis und Palästinensern vorsieht. Die meisten Siedler würden dann auf israelischem Staatsgebiet leben und wären damit keine Siedler mehr. Voraussetzung dafür aber wäre, dass die 1967er-Grenzen auch von Israel als Verhandlungsbasis anerkannt werden und es zumindest vorübergehend einen Siedlungsbaustopp gibt. Geschieht dies nicht, wird es wohl noch viele Migrons und viele „price tag“-Angriffe geben.

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