Asset-Herausgeber

Einzeltitel

Gaza: Krieg würde Hamas zu Wahlsieg im Westjordanland und dem Gazastreifen verhelfen, wenn heute Wahlen stattfänden

Palästinensische öffentliche Meinungsumfrage

Zwei zentrale Entwicklungen gingen der Durchführung der Meinungsumfrage voraus: (1) der Gazakrieg zwischen der Hamas und Israel, ein Besuch Khalid Mish’als im Gazastreifen sowie die Feierlichkeiten der Hamas anlässlich ihrer Gründung vor 25 Jahren; (2) die Einreichung eines palästinensischen Antrages auf Statusaufwertung zum beobachtenden Nicht-Mitgliedsstaat in den Vereinten Nationen, dessen Annahme durch die Generalversammlung und die Rückkehr von Präsident Mahmoud Abbas aus New York unter allgemeinem Jubel über den Erfolg des Antrages.

Asset-Herausgeber

Dies sind die Ergebnisse der jüngsten Meinungsumfrage, die zwischen dem 13. und 15. Dezember 2012 vom „Palestinian Center for Policy and Survey Research“ (PSR) im Westjordanland und dem Gazastreifen durchgeführt wurde. Diese Pressemitteilung beinhaltet die öffentliche Einschätzung der allgemeinen Verhältnisse im Westjordanland und dem Gazastreifen, der Wahlen, der Aussöhnung, der Leistung der Regierungen Salam Fayyads und Ismael Haniyehs, der internen Machtbalance zwischen Fatah und Hamas sowie die Ansichten der Öffentlichkeit zu zentralen palästinensischen Zielen und Problemen. Insgesamt wurden 1270 Personen von Angesicht zu Angesicht an 127 zufällig ausgewählten Orten interviewt. Die Fehlermarge liegt bei 3%. Diese Veröffentlichung konzentriert sich auf innerpalästinensische Angelegenheiten. Themen wie der Gazakrieg, der Friedensprozess und die israelisch-palästinensischen Beziehungen werden in einer separaten Ausgabe veröffentlicht.

Zentrale Ergebnisse:

Die Ereignisse der vergangenen Wochen gaben der Hamas einen bedeutenden Popularitätsschub ähnlich jenes, den sie nach der Öffnung des Rafah-Überganges zu Ägypten Anfang 2008 verzeichnen konnte. Das vierte Quartal 2012 sah einen dramatischen Wandel der öffentlichen Meinung zu Gunsten der Hamas. Haniyehs Beliebtheit nimmt beträchtlich zu, sodass er Abbas besiegen könnte, fänden heute Präsidentschaftswahlen statt. In heute stattfindenden Parlamentswahlen kämen die Hamas und die Fatah auf eine fast gleich große Anzahl an Stimmen. Darüber hinaus nimmt die positive öffentliche Einschätzung der Verhältnisse im Gazastreifen beträchtlich zu und die Kluft in der öffentlichen Wahrnehmung der Verhältnisse im Westjordanland, verglichen mit jenen im Gazastreifen, öffnet sich weiter zu Gunsten des letzteren; diese Kluft wurde erstmals in einer unserer früheren Umfragen im vergangenen September verzeichnet. Es versteht sich von selbst, dass das Ergebnis des letzten Gazakrieges zwischen der Hamas und Israel für diesen Wandel verantwortlich ist, ein Thema, auf das wir in unserer nächsten Pressemitteilung zurückkommen werden.

Die Ergebnisse sind auch für Abbas eher positiv. Die Einschätzung der Lebensbedingungen im Westjordanland ist heute positiver als noch vor drei Monaten. Dementsprechend nahm die positive Einschätzung von Abbas’ Amtsführung in dieser Umfrage zu. Diese Resultate sind möglicherweise auf das Ergebnis des diplomatischen Krieges zwischen der PA und Israel vor den Vereinten Nationen zurückzuführen. Das Ende der Demonstrationen und internen Konfrontationen, die vor mehr als drei Monaten im Westjordanland aus Protest gegen steigende Preise und sich verschlechternde Wirtschaftsbedingungen ausbrachen, mag ebenfalls zur allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung einer Verbesserung der Lebensbedingungen im Westjordanland beigetragen haben. Schließlich deuten die Erkenntnisse auf einen drastischen Anstieg des Optimismus hinsichtlich der Chancen auf Aussöhnung und Wiedervereinigung des Westjordanlandes und Gazastreifens hin, verglichen nicht nur mit der Situation vor drei Monaten, sondern insgesamt seit der Trennung im Juni 2007.

Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen:

  • Haniyeh gewänne die Präsidentschaftswahl: Wenn heute Präsidentschaftswahlen abgehalten würden und nur zwei Kandidaten nominiert wären, könnte Abbas mit 45% und Haniyeh mit 48% der abgegebenen Stimmen rechnen. Die Wahlbeteiligung läge bei 69%. Vor drei Monaten erreichte Abbas eine Unterstützung von 51% und Haniyeh 40%. Im Gazastreifen würde Abbas in dieser Umfrage 44% und Haniyeh 52% erhalten, im Westjordanland käme Abbas auf 45% und Haniyeh ebenfalls auf 45%. Der Stimmenanteil für Haniyeh ist der höchste seit dem Wahlsieg der Hamas 2006. Der bisher höchste Anteil für Haniyeh lag bei 47% im März 2008, unmittelbar nach der Öffnung des Rafah-Überganges zu Ägypten. Abbas’ Stimmenanteil lag damals bei 46%.
  • Würden die Präsidentschaftswahlen zwischen Marwan Barghouti und Ismail Haniyeh abgehalten, würde Barghouti 51% und Haniyeh 42% der abgegebenen Stimmen erhalten. Die Wahlbeteiligung läge bei 73%. In unserer Septemberumfrage erhielt Barghouti 61% und Haniyeh 32%.
  • Würden die Präsidentschaftswahlen zwischen den drei genannten Personen: Mahmud Abbas, Marwan Barghouti und Ismail Haniyeh stattfinden, würde Haniyeh die höchste Zustimmung erfahren (39%), gefolgt von Barghouti (29%) und Abbas (27%). Die Wahlbeteiligung betrüge in diesem Fall 77%. In unserer letzten Umfrage im September erhielt Barghouti 45%, Haniyeh 29% und Abbas 20%.
  • Wenn heute Parlamentswahlen unter Teilnahme aller Parteien stattfinden würden, gäben 78% der Befragten ihre Stimme ab. Von diesen 78% würden 35% für die Hamas stimmen, 36% für die Fatah, 10% entschieden sich für eine Drittpartei und 20% wären unentschieden. Die Zustimmung zur Hamas im Gazastreifen liegt in dieser Meinungsumfrage bei 39% und im Westjordanland bei 33%. Die Fatah erreicht 38% im Gazastreifen, 34% im Westjordanland. Diese Zahlen deuten auf einen deutlichen Popularitätsgewinn der Hamas gegenüber den Septemberergebnissen, als sie bei 28% stand (31% im Gazastreifen und 25% im Westjordanland). Im Gegensatz dazu hat sich die Popularität der Fatah in derselben Periode kaum verändert.
  • Lediglich 49% der Öffentlichkeit glauben, dass die im Oktober im Westjordanland abgehaltenen Kommunalwahlen fair gewesen seien, während 34% angeben, sie seien nicht fair gewesen.

Innenpolitische Verhältnisse:

  • Die Bewertung der Verhältnisse im Gazastreifen als positiv steigt deutlich von 25% vor drei Monaten auf 43%, während 33% angeben, die Bedingungen seien schlecht oder sehr schlecht.
  • Dementsprechend steigt die positive Bewertung der Situation im Westjordanland deutlich von 19% vor drei Monaten auf 35% in dieser Umfrage, während 36% die Verhältnisse als schlecht oder sehr schlecht bezeichnen.
  • Die Wahrnehmung von Korruption in den PA-Institutionen im Westjordanland fällt von 79% in unserer letzten Umfrage auf 74% in dieser, während nur 53% angeben, dass es Korruption in den öffentlichen Institutionen der Hamas-Regierung im Gazastreifen gibt, verglichen mit 63% vor drei Monaten.
  • 24% gehen von Pressefreiheit im Westjordanland aus, 45% hingegen nur von einem gewissen Grad an Pressefreiheit. Demgegenüber sehen 23% im Gazastreifen die Pressefreiheit gewahrt, 40% nur zu einem gewissen Grad.
  • 35% der palästinensischen Öffentlichkeit im Westjordanland geben an, die Behörden im Westjordanland ohne Angst kritisieren zu können. Für den Gazastreifen beträgt der Wert 29%. Diese Zahlen verdeutlichen eine Abnahme in der Wahrnehmung, die Behörden im Westjordanland frei kritisieren zu können, verglichen mit 42% vor drei Monaten.
  • Die Wahrnehmung von Sicherheit im Westjordanland liegt bei 60% und im Gazastreifen bei 70%. Vor drei Monaten betrugen diese Anteile 64% im Gazastreifen und 56% im Westjordanland.
  • Die Ergebnisse zeigen, dass der Prozentanteil jener Bewohner Gazas, die Auswanderung in andere Länder in Betracht ziehen, bei 41% liegt. Im Westjordanland liegt dieser Wert bei 22%. Im September lagen diese Prozentanteile bei 42% bzw. 29%.
  • Die positive Bewertung der Leistung der Regierung Haniyehs steigt deutlich von 35% vor drei Monaten auf 56%. Die Zufriedenheit mit der Leistung der Regierung Fayyads steigt von 22% auf 34% in demselben Zeitraum.
  • Die Zustimmung für Präsident Abbas liegt bei 54%, während 44% angeben, mit seiner Leistung unzufrieden zu sein. Vor drei Monaten lag die Zustimmung bei 46%.

Versöhnung:

  • Angesichts der Fortführung des Dialoges zwischen Fatah und Hamas geben 39% der Befragten an, die nationale Einheit zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen werde in naher Zukunft wiederhergestellt werden. 40% glauben, die nationale Einheit werde erst nach längerer Zeit wiederhergestellt werden, und lediglich 18% glauben, sie werde niemals wiederhergestellt und zwei separate Einheiten würden im Westjordanland und dem Gazastreifen errichtet werden. In unserer Septemberumfrage stimmten dieser pessimistischen Einschätzung noch die Mehrheit der Befragten zu (42%) und glaubten nur 14% an eine Lösung in baldiger Zukunft. Die aktuelle Zuversicht bezüglich Wiederversöhnung und Wiederherstellung der nationalen Einheit ist die höchste seit der Trennung. Damals glaubten 29%, sie werde innerhalb von Monaten überkommen werden, während 22% davon ausgingen, die Trennung würde dauerhaft werden.

Die palästinensischen Hauptanliegen:

  • 44% glauben, dass das primäre palästinensische Hauptanliegen das Ende der israelischen Besatzung und die Errichtung eines palästinensischen Staates im Westjordanland und dem Gazastreifen mit Ostjerusalem als Hauptstadt sein sollte. Im Gegensatz dazu glauben 33%, das primäre Hauptanliegen sollte die Erlangung des Rückkehrrechtes der Flüchtlinge von 1948 sein; 14% finden, es bestehe darin, ein frommer und moralischer Mensch zu sein und eine religiöse Gesellschaft zu errichten, die alle islamischen Lehren anwendet; 9% geben an, das primäre Hauptanliegen sollte in der Errichtung eines demokratischen politischen Systems liegen, das die Freiheiten und Rechte der Palästinenser anerkennt.
  • Das gravierendste Problem, dem sich die palästinensische Gesellschaft heute gegenübersieht, ist in den Augen von 27% der Öffentlichkeit die Zunahme an Armut und Arbeitslosigkeit, während 25% die Fortführung der Besatzung und Siedlungsaktivitäten als dringendstes Problem betrachten. Weitere 25% geben an, es sei die fehlende nationale Einheit auf Grund der Trennung zwischen Westjordanland und Gazastreifen; für 15% ist es die Korruption in einigen öffentlichen Institutionen, für 6% die Belagerung und Blockade des Gazastreifens.

Diese PSR-Umfrage wurde mit der Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung Ramallah durchgeführt.

Asset-Herausgeber

PSR (weißer Hintergrund) KAS

comment-portlet

Asset-Herausgeber