Nicole Stopfer
Leiterin des Regionalprogramms „Energiesicherheit und Klimawandel Lateinamerika“ und des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Peru.
Winfried Weck
Leiter des Regionalprogramms "Allianzen für Demokratie und Entwicklung mit Lateinamerika" ADELA und des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Panama.
50. Jahrestag des Tages der Erde
Am 22. April 2020 fand die erste ADELA Digital-Konferenz mit dem Titel „50. Jahrestag des Tages der Erde - Klimaschutz: eine multilaterale Herausforderung?“ statt. Dieses neue Format des Regionalprogrammes ADELA der Konrad-Adenauer-Stiftung soll in Zeiten von COVID-19, Ausgangssperren und Kontaktverboten als Plattform für den gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Dialog dienen. In 30- bis 45-minütigen Webinaren tauschen sich Experten unter Einbezug des Publikums zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Themen aus. In der ersten ADELA Digital-Konferenz unterhielten sich Nicole Stopfer, Leiterin des Regionalprogramms für Energiesicherheit und Klimawandel Lateinamerika (EKLA) und des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Peru und Winfried Weck, Leiter des Regionalprogramms Allianzen für Demokratie und Entwicklung mit Lateinamerika (ADELA) und des Auslandsbüros in Panama.
Das Regionalprogramm EKLA mit Sitz in Peru befasst sich mit Themen der Energie-, Klima- und Umweltpolitik in Lateinamerika, wozu bspw. die Bereiche der Energiesicherheit, Klimamigration, nachhaltige Städte, Kreislaufwirtschaft und Biodiversität zählen. Das Regionalprogramm ADELA wiederum verfolgt die Bildung strategischer Allianzen und Partnerschaften zwischen Lateinamerika und anderen Weltregionen in Bereichen der Wirtschafts-, Sozial-, Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik sowie die Stärkung der globalen multilateralen Zusammenarbeit. Aus gegebenem Anlass beschäftigte sich die erste ADELA Digital-Konferenz zum 50. Jahrestag des Tages der Erde daher mit der Frage, ob Klimaschutz eine multilaterale Herausforderung ist.
Der Tag der Erde ist seit seiner Entstehung im Rahmen der UNESCO-Konferenz in San Francisco 1970 ein weltweiter Aktionstag, welcher an den Schutz der Umwelt erinnern und für einen angemessenen Umgang mit den Ressourcen des Planeten sensibilisieren soll. Der Tag stellt eine der ersten Klimaaktionen dar und war der Vorreiter für viele weitere Maßnahmen im Rahmen des Klimaschutzes, wie etwa der Gründung der US-Umweltschutzbehörde 1970, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen 1972 und der ersten Klimakonferenz in Stockholm 1972. Heutzutage wird der der „Earth Day“ in mehr als 150 Ländern begangen.
Klimaschutz: eine multilaterale Herausforderung?
Vor dem Hintergrund dieser Frage muss zunächst verdeutlicht werden, was Multilateralismus ist, und dass es verschiedene Ebenen des Multilateralismus gibt. In seiner grundlegendsten Form versteht sich Multilateralismus als die Zusammenarbeit von drei oder mehr Staaten bei Themen der internationalen Politik und grenzt sich dadurch vom Unilateralismus und dem Bilateralismus ab. Unilateralismus bezeichnet Nationen, welche im Rahmen internationaler Politik keine Kooperation mit anderen Staaten anstreben. Ein klassisches Beispiel hierfür wäre etwa der Alleingang Nordkoreas auf der politischen Weltbühne. Unter Bilateralismus ist die Zusammenarbeit von ausschließlich zwei Staaten zu verstehen, bspw. Bei der Entwicklungszusammenarbeit zwischen einem sog. Geber- und einem Nehmerland.
Die zweite Form des Multilateralismus umfasst nicht nur die Kooperation zwischen Staaten unter dem Dach regionaler oder globaler Organisationen, um ein oder mehrere bestimmte Ziele zu erreichen, sondern auch gemeinsame Regeln und Normen, welche von ihnen geteilt werden. Zu diesem Level eines „zielorientierten Multilateralismus“ zählen bspw. die Vereinten Nationen und ihre Tochterorganisationen. Die dritte Ebene des Multilateralismus wird auch als „wirksamer Multilateralismus“ bezeichnet. Damit ist gemeint, dass die Staaten nicht nur zielorientiert kooperieren und gemeinsame Normen und Regeln besitzen, sondern zusätzlich auch noch ein gemeinsames Weltbild und Wertesystem teilen, für welches sie einstehen. Dies ist etwa bei den Mitgliedsstaaten der NATO der Fall.
Das Multilateralismus aber auch Grenzen hat, zeigt zum Beispiel die Genfer Abrüstungskonferenz, welche seit 1979 existiert und trotz multilateraler Kooperation innerhalb der letzten 20 Jahre kaum Fortschritte erzielen konnte. Ein ähnliches Beispiel in Bezug auf den Umweltschutz ist die UN-Klimakonferenz in Paris 2015, welche grundsätzlich der Form des „zielorientierten Multilateralismus“ zuzuordnen wäre. Nichtsdestotrotz scheint es derzeit unrealistisch, dass die im „Übereinkommen von Paris“ vereinbarten Ziele zur Reduzierung der CO2-Emissionen und der Begrenzung der menschengemachten globalen Erwärmung erreicht werden können. Dies hat zwei Gründe: Erstens sind die Vereinbarungen der Mitglieder nicht zwingend verbindlich, sondern verlangen das freiwillige Engagement jedes der Mitgliedsstaaten. Zweitens fehlt es an Kontrollmechanismen und wirksamen Sanktionsmöglichkeiten, sollten Mitglieder den getroffenen Entscheidungen nicht nachkommen.
Der Klimawandel hat sich zu einer globalen Herausforderung entwickelt und wurde als solcher in der ersten UN-Klimakonferenz 1995 in Berlin (COP 1) von den teilnehmenden Staaten anerkannt. Multilateralismus ist zwar entscheidend beim Vorgehen gegen den Klimawandel, kann allerdings nicht als singuläre Maßnahme funktionieren. Stattdessen bedarf es des Einsatzes auf multilateraler, nationaler, regionaler, lokaler und schließlich individueller Ebene. Zudem bedarf es, wie in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen beschrieben, einer Nachhaltigkeit, die nicht nur ökologisch ist, sondern auch sozial und ökonomisch.
Klimawandel in Zeiten von COVID-19
2020 ist ein entscheidendes Jahr für den Klimaschutz und Multilateralismus, welches momentan von COVID-19 überschattet wird. Häufig liest man nun, das Virus führe dazu, dass sich die Belastung auf die Umwelt verringere, da es weniger industrielle Produktion und Flugreisen gebe. Es muss jedoch angemerkt werden, dass diese Veränderungen nur vorübergehend sind und daher nicht als echter Erfolg angesehen werden können. Zusätzlich führt COVID-19 zur Absage vieler Veranstaltungen und Konferenzen im Bereich des Umweltschutzes, wie bspw. der diesjährigen UN-Klimakonferenz in Schottland. Angesichts der Pandemie und ihrer katastrophalen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen vergessen viele Staaten außerdem ihre Zusagen im Kampf gegen den Klimawandel und die Senkung ihrer Emissionen, welche sie im Übereinkommen von Paris getroffen haben.
Andererseits zeigt die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von COVID-19 jedoch auch, dass es in Krisensituationen möglich ist, internationale Entscheidungen auf ökonomischer, ökologischer und sozialer Ebene zu treffen, was sich auch auf den Klimaschutz übertragen lässt. Zudem könnten sich Gelegenheiten bieten, um Umweltprobleme im Zuge von COVID-19 anzugehen. Gerade in Lateinamerika wird bspw. viel über die Dekarbonisierung des Energie- und Verkehrssektors gesprochen. Lateinamerika und die Karibik könnten bis 2050 jährliche Einsparungen von 621 Milliarden US-Dollar erzielen, wenn der Energie- und Verkehrssektor der Region laut den vorgelegten Ergebnissen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) die Netto-Null-Emissionen erreicht. Und auch auf nationaler Ebene, sorgt die aktuelle Krise dafür, dass die Regierungen Lateinamerikas wieder stärker miteinander kooperieren und alte Allianzen wiederentdecken.
Ist Klimaschutz also eine multilaterale Herausforderung? Ja, aber nicht ausschließlich. Um die Welt auch für künftige Generationen zu erhalten braucht es koordinierte Initiativen auf multilateraler, nationaler, regionaler, lokaler und individueller Ebene.
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