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Veranstaltungsberichte

Aus der Parteizentrale an die Macht :: Wahlkampf- und Regierungskommunikation in der Praxis

von Agustina Carriquiry

Zweiter Teil des Campus Adenauer zu Kampagnenstrategien besucht argentinische Partei PRO

Sie kommen jugendlich, casual und smart daher, die Mitglieder der argentinischen Regierungspartei Propuesta Republicana, kurz PRO. Als Case-Study besuchten die 25 lateinamerikanischen und deutschen Wahlkampfexperten des Campus Adenauer Regierungssitz und Parteizentrale der Regierungspartei in Buenos Aires.

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Ohne Krawatte empfing Marcos Peña, der dynamische Chef aller argentinischen Minister und rechte Hand von Staatspräsident Mauricio Macri, die Gruppe im Regierungssitz Casa Rosada.

Der Versuch, der Wechselstimmung im Land eine Stimme zu geben und sie richtig zu interpretieren, sei von Anfang an der größte Antrieb der Partei Pro gewesen. Gegen einen finanziell sehr mächtigen Regierungsapparat startete das Oppositionsbündnis einen massiven Einzelwahlkampf des alternativen Kandidaten Mauricio Macri. „Im Mittelpunkt standen unsere drei Werte Positivität, Nähe und Zukunft“, so Pena. Auch nach eineinhalb Jahren Regierung sei die Hoffnung, dass dieser Weg funktioniere, der Motor der Regierung. „Vor wenigen Tagen demonstrierten freiwillig Zehntausende auf den Straßen in Unterstützung der Regierung“, bemerkte der Minister. „Argentinien braucht unabhängige und stabile Institutionen und muss wegkommen vom Träumen über messianische Führer“, erklärte Pena. Dafür brauche es den Austausch mit der Welt.

Nur eine Steinwurf entfernt summt es in der Parteizentrale von PRO, einem mehrstöckigen Stadtgebäude, wie in einem Bienenstock. Auf vier Stockwerken arbeiten Mitarbeiter und Freiwillige in einer Start-up-ähnlichen Einrichtung an der Beziehung zu den Wählern und der nächsten Wahlkampfstrategie. Guillermo Riera, Leiter Team Digitales, Pablo Alaniz, sein Stellvertreter, und Gonzalo Turdera, der landesweit Verantwortliche für die Mobilisierung der Wähler, gaben der 25-köpfigen Gruppe des Campus Adenauer einen Rück- und Vorausblick auf ihre Wahlkampfarbeit.

„Die politische Auseinandersetzung bestand in Argentinien bis vor kurzem aus Streik, Radio- und Fernsehbotschaften sowie den Kommentaren der Zeitungen. Mit dem Internet hat sich alles verändert“, erklärte Riera zu Beginn. 75 Prozent der Argentinier seien digital unterwegs, 29 Millionen davon auf Facebook und mehr als 11 Millionen auf Twitter. „Unsere Arbeit bei Pro zielte von Anfang an darauf ab, einen direkten Kontakt 1:1 zu jedem Wähler aufzubauen. Deshalb haben wir uns bei der Entwicklung einer digitalen Strategie von Anfang an ins Zeug gelegt“, so Riera. Je mehr Aktivität, Interaktion, Protagonismus der Bürger - nicht der Politiker – und je mehr Relevanz, desto höher sei die Partei im Ranking der sozialen Netzwerke gestiegen.

Pablo Alaniz unterstrich die Bedeutung erfolgreicher Segmentation. „Vor allem Facebook erlaubt eine erstaunlich gezielte Ansprache, je nach den Interessen jedes Einzelnen“, so der digital native. „Wem die Landwirtschaft am Herzen liegt, mit dem sprechen wir über die Landarbeit, und wer sich für den Tierschutz stark macht, den binden wir über diese Schiene in unsere Arbeit ein“, unterstrich der junge Digitalexperte. Das Gleiche geschehe mit den verschiedenen Kanälen. Wer sich neu über Facebook vernetze oder über einen Wahlkampfhelfer in die Datenbank eingespeist werde, gebe genau an, über welches Medium, sei es E-Mail, SMS oder WhatsApp , informiert werden möchte. Landesweit würden zu unterschiedlichen Tageszeiten und Momenten die verschiedensten Botschaften zu Sicherheit, Gesundheit oder Erziehung kommuniziert. Ein enges Monitoring ermögliche stets die Messung des Erfolgs.

„Und dann geht’s auf die Straße“. Gonzalo Turdera erläuterte als nationaler Leiter der Wählermobilisierung in seinem Part die Übersetzung der Wahlkampfstrategie in tausende Hausbesuche und persönliche Gespräche im ganzen Land. „Wer auf den Anruf unseres Call-Centers Interesse am Wahlkampf zeigt und auf eine anschließende Mail positiv antwortet, wird automatisch in unsere Informationskette eingebunden.“ Besonders erfolgreich seien die landesweiten Aktionen „von Tür zu Tür“ mit tausenden von Freiwilligen gewesen. Durch den Besuch an der Haustür würden die Sympathisanten immer neu eingebunden und im Wahlkampf aktiviert. „Die besten Wahlkampfhelfer ruft Mauricio Macri direkt an und gratuliert ihnen“, hob der junge Experte hervor. Technologien wie Datenbanken, E-Mail-Marketing oder professionelle Werbebotschaften führten erst in Verbindung mit dem Besuch an der Haustür zum Erfolg, unterstrich Turdera.

Die Abgeordnete Cornelia Schmidt-Liermann des argentinischen Parlaments erklärte den Kampagnenexperten gegen Ende des Nachmittags schließlich die inneren Zusammenhänge der argentinischen Politik. Ihr Weg zur Volksvertreterin beschrieb Schmidt-Liermann weniger als Zufall, sondern mehr als Kausalität, die ihr als Anwältin, plötzlich eine politische Kandidatur ermöglicht hätte. „Darum geht es uns bei PRO: die Chance zu ergreifen, unser Land besser zu regieren“, erläuterte sie ihre Motivation.

Am Morgen des dritten Tages des Campus Adenauer stellten sich Medienverantwortliche, Regierungssprecher, Redenschreiber und Vertreter der digitalen Kommunikation der Regierung des argentinischen Präsidenten Mauricio Macri den Fragen der Kampagnenexperten.

Von Terminplanung über Koordinierung der Kommunikation der Ministerien bis zur Erstellung von audiovisuellen Formaten der Regierung: Die Arbeit von Regierungskommunikatoren ist vielschichtig und komplex. Die Kommunikatoren, die seit dem Wahlsieg von Mauricio Macri Ende 2015 in den Regierungssitz Casa Rosada eingezogen sind, arbeiteten vorher im Wahlkampf für ihre Partei. „Diese Arbeit hat uns vorbereitet, professionell und koordiniert zu arbeiten“, so Marcela Aboud, Kabinettschefin vom obersten Minister Marcos Peña.

„Als Regierung versuchen wir stets auch unsere Werte zu kommunizieren“, hob Julieta Herrero hervor. Die Reden des Präsidenten seien auf Dialog und Integration aller gesellschaftlichen Gruppen angelegt. Die Rede am 1. März, eine Art Zwischenbericht des Präsidenten vor dem Parlament, sei jedes Jahr die größte Herausforderung. Die Effekte jeder Rede würden wie ein gewöhnlicher Werbespot gemessen, um zu schauen, inwiefern die Botschaft die Bürger erreiche. Im Wahlkampf arbeitete Julieta Herrero in der Koordinierung der vielen Provinzen und Regionen, um die Partei voranzubringen.

Hernán Iglesias ist einer der großen Strategen des Wahlkampfes 2015. Sein „Tagebuch des Wahlkampfs“ wurde ein Bestseller. In der Regierung obliegt ihm aktuell die Koordinierung zwischen den Regierungsprojekten und Gesetzesvorhaben und deren Kommunikation, hinein in die Gesellschaft. „Oft verlangen die Bürger eine Erklärung der Regierung über einen bestimmten Sachverhalt“, so Iglesias. Dies sei nicht immer leicht, aber sehr nötig, um ein gemeinsames Verständnis herzustellen.

Diego Copello kümmert sich um die Massenkommunikation seitens der Regierung. Egal ob TV-Spots oder Fanpages in Facebook, Copello und sein Produktionsteam ausgebildeter Techniker produziere passende Inhalte für alle Kanäle. Täglich sende man unzählige Inhalte zu relevanten Themen an die Presse, um die Arbeit der Regierung zu erklären. Während des Wahlkampfs arbeitete Copello bereits seit 2014 an der kommunikativen Umsetzung der Wahlkampfstrategie in den Provinzen. „Am Anfang waren wir ein kleines Team, das nur für die Provinz Buenos Aires Wahlkampf machte. Es war ein großer Schritt ein nationales Team aufzubauen und vor allem zu schulen“, so Copello. Aboud zählte die lange Liste spezifischer Arbeitsgruppen auf, die heute das detaillierte Organigramm der Kommunikation der Partei Pro ausmachen. Iglesias ergänzte, dass alle gemeinsam im gleichen Gebäude an einem Wahlsieg arbeiteten. Diese Konzentration, ohne ausgelagerte Dienstleistungen, sei besonders auch ein wichtiges Signal für die Parteimitglieder in den Provinzen gewesen.

Während der Diskussion interessierten sich die Teilnehmer vor allem für den Unterschied zwischen der Wahlkampf- und der Regierungskommunikation. Der sei nicht so groß, wie gedacht, entgegneten die Kommunikatoren. Die Koordinierung mit den Kommunikationsvertretern der einzelnen Ministerien sei vielleicht der größte Unterschied. Durch einen sehr engen Kontakt und regelmäßige Treffen mit etwa 1000 Personen versuche man, allen das Gefühl zu geben, direkt eingebunden zu sein.

Die Teilnehmer interessierte auch die Geburtsstunde dieses neuartigen „Projekts Pro“ und ihre Art Politik zu machen. „Wenn man die nötige Technik hat und beherrscht und es zusätzlich eine klare und zentrale Führung gibt, ist schon viel gewonnen“, hob Aboud hervor. Am Anfang habe der Traum des heutigen Ministers und Wahlkampfleiters Marcos Peña gestanden, einen solch neuartigen Wahlkampf zu führen, ergänzte Copello. Je mehr die Umfragen und Studien die Vorhersagen der Strategen belegten, öffneten sich auch altgediente Politiker für die neuen Methoden und Kanäle des Wahlkampfs, unterstrich Riera.

Im Wahlkampf vermarktete Pro die Begriffe Wandel, Zukunft und Positivität. Im Regierungsalltag gehe es aber um harte, konkrete Inhalte, wie ein Teilnehmer anfragte. Julieta Herrero, oberste Redenschreiberin, verwies auf den Aufbau professioneller Abteilungen der inhaltlichen Arbeit, der die Regierung etwas Zeit gekostet habe. Die Kommunikation arbeite anschließend mit diesen soliden Informationen. „Im Wahlkampf braucht es einfache, simple Botschaften. Das ist nicht der Moment für die Kommunikation komplexer politischer Projekte.“, bemerkte Hernán Iglesias.

Kohärenz, Kontinuität und Demut im Kontakt mit den Bürger, die zu Respekt und Lernbereitschaft der Regierung signalisieren, seien Säulen der Regierung von Mauricio Macri, wie die Kommunikationsvertreter abschließend unterstrichen.

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