Veranstaltungsberichte
„Es ist meine erste Reise nach Deutschland und ich bin gespannt, auf die vielen hochkarätigen Programmpunkte“, erklärte Gil Castillo, eine selbständige Politikberaterin aus Brasilien zu Beginn der Reise. Aus den KAS-Partnerparteien nahmen Vertreter der jungen Demócratas aus Bolivien, der ebenfalls jungen Patria Querida aus Paraguay, der christsozialen Unidad aus Costa Rica, der Partido Conservador aus Kolumbien, der Partido Acción Nacional aus Mexiko und von Primero Justícia aus Venezuela teil.
Mit vier Konferenzsprachen, Teilnehmern und Rednern aus der ganzen Welt und viel Innovation startete die Internationale Konferenz für politische Kommunikation. Auf den ersten Konferenztag fielen die Wahlen in Niedersachsen, Österreich und Venezuela, deren Auswirkungen die Teilnehmer in Vorträgen und Diskussionen erörterten. Die deutsche Forscherin Evelyn Bytzek stellte in Bezug auf Deutschland fest: „Wir können nicht von einem Vertrauensverlust in die Politik sprechen, aber die Bürger haben verglichen mit anderen Institutionen das geringste Vertrauen in die politischen Parteien, obwohl sie diese am meisten beeinflussen können.“ Kritischer sei das geringe Vertrauen in die Medien, die damit als Mittler zur Politik ausfielen, so die Politologin.
„In Venezuela dominierte bereits bei den Wahlen 2012 die Regierung die Medien. Der Kandidat der Opposition, Henrique Capriles, wurde etwa 40-mal weniger öffentlich übertragen als Präsident Hugo Chávez“, erklärte Armando Briquet, der in vielen Ländern Lateinamerikas als Berater tätig ist, zu Beginn seines Vortrags. Unter diesen Umständen nutze die Opposition seitdem die digitale Kommunikation und sozialen Netzwerke, um sich Gehör zu verschaffen. „Über die Jahre haben wir dabei unsere Segmentierungen in den sozialen Medien und die benutzten Kanäle immer wieder verändern müssen“, so der Briquet. Neben Analysen zu den Wahlen in Niedersachsen, Österreich und Holland, vertieften die Teilnehmer am zweiten Tag am Beispiel der amerikanischen und deutschen Wahlen das Für und Wider des Einsatzes von sozialen Netzwerken, Big Data und digital gelenkter Wähleranalyse.
Ein dritter Tag des Informationsprogramms war der Begegnung mit der CDU, dem Team Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Deutschen Bundestag gewidmet. „Uns beeindruckte die detaillierte Struktur der CDU, mit der sie ihre über 430.000 Mitglieder starke Partei managet“, bemerkte Gil Castillo aus Brasilien. Marc Speich, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten Nordrhein-Westfalens führte die Kommunikationsverantwortlichen in den deutschen Föderalismus und die Hintergründe der von der CDU gewonnenen Landtagswahlen in seinem Bundesland 2017 ein. „Das deutsche Verhältnis von Bund und Ländern kann als Modell des Ausgleichs und der Autonomie von Regionen weltweit dienen“, meinte Speich. In einer angeregten Debatte informierten sich die Teilnehmer zu Themen wie den internationalen Beziehungen der Region oder dem Länderfinanzausgleich und zeigten sich beeindruckt von der selbstbewussten Rolle der deutschen Bundesländer.
Stefan Reith und Annette Schwarzbauer des Teams Lateinamerika der KAS diskutierten am Nachmittag die Rolle der lateinamerikanischen Parteien und Maßnahmen für mehr Transparenz und Compliance. „Als Demócratas in Bolivien sind wir eine aufstrebende Oppositionspartei mit schon jetzt 140.000 Mitgliedern. Wir wollen dazu lernen und unsere Strukturen weiter ausbauen“, erwähnte etwa Vladimir Peña, Kampagnenchef dieser jungen Partei.
Am Rande eines Besuchs im Deutschen Bundestag ergab sich ein Austausch mit dem Bundestagsabgeordneten Dr. Andreas Nick zur Kooperation Deutschlands mit dem Subkontinent. „Uns verbindet eine lange Geschichte mit Lateinamerika. Neben großer Sympathie sind wir daran interessiert, die guten Entwicklungen der letzten Jahre zu stärken. Dies haben wir in unserer neuen Lateinamerikastrategie der CDU/CSU-Fraktion vor kurzem vorgelegt“, unterstrich Nick.
Am Abend hatten die Teilnehmer die exklusive Gelegenheit mit Dr. Klaus Schüler, dem Bundesgeschäftsführer der CDU und damit Wahlkampfleiter Angela Merkels der vergangenen drei Bundestagswahlen, zu diskutieren. „Dass die CDU das Wahljahr 2017 mit 4:1 mit nur einer verlorenen Wahl abgeschlossen hat, ist ein Erfolg, den wir zu Beginn des Jahres nicht für möglich hielten“, analysierte Schüler, der auch Bundesgeschäftsführer der CDU ist. Wer die gegenwärtige Zeit betrachte, erlebe einen Wandel, der Angst oder Hoffnung verbreite. Die CDU zeige sich offen und wolle den Wandel konstruktiv gestalten, führte Schüler aus.
Dann ging es in das CDU-Stammland. In Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern ging es darum, das Handwerkszeug eines Wahlkampfs und den Alltag der Arbeit einer Volkspartei aus der Nähe kennen zu lernen. „Für uns war der Tür-zu-Tür-Wahlkampf ein enorm wichtiges Mittel, um direkt mit den Bürgern in Kontakt zu kommen und Sympathie, Offenheit und Kompetenz zu zeigen“, erklärte den Lateinamerikanern Wiebke Weitendorf, die den Wahlkampf eines Bundestagsabgeordneten leitete. Im Landtag thematisierten die Abgeordneten Vincent Kokert und Sebastian Ehlers den Populismus, den sie im politischen Alltag erlebten. „Die CDU ist eine bürgerliche Partei, die nie aus Protestgründen gewählt wurde. Unsere Wähler erwarten eine Kontinuität der Werte und der Orientierung und keinen Kurswechsel“, so Kokert, der gleichzeitig Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag ist. Die Herausforderung, so Ehlers, liege darin, die Wähler in einer hoch politischen Zeit, mit einem überzeugenden personellen und inhaltlichen Angebot, für sich zu gewinnen.
Bei einem Blitzbesuch bei der Schweriner Volkszeitung, die mit 11 Zeitungsausgaben und 18 Facebookseiten das wichtigste journalistische Angebot der ganzen Region betreibt, trafen die lateinamerikanischen Wahlkämpfer auf Chefredakteur Michael Seidel. „Wir sind Pfadfinder im Informationsdschungel. Fakten checken und Hintergründe erklären sind heute wichtiger denn je, sonst bleibt jeder in seinem Meinungsghetto“, erörterte Seidel.
Im Landesverband der CDU in Schwerin erklärte Geschäftsführer Klaus-Dieter Götz die Funktionsweise einer deutschen Partei mit ihren Untergruppen und Verbänden. „Die Musik spielt in den Kreis- und Ortsverbänden. Auch die Kandidatur, etwa für einen Ortsverband, gibt der Partei auch außerhalb großer Wahlkampfzeiten eine gute Dynamik“, so Götz.
Vor der Rückkehr nach Berlin gab Holger Herrmann Einblicke in seine traditionsreiche Werbeagentur maxpress, die seit 20 Jahren Wahlkämpfe für Oberbürgermeister und Abgeordnete der Region vermarktet. „Für unseren ersten Kandidaten haben wir die Signalfarbe Orange als Farbe der Absperrungen und Arbeiter ins Spiel gebracht, die Angela Merkel schließlich auch bei der Bundes-CDU eingeführt hat“, erzählte der Geschäftsführer zu Beginn. Anhand verschiedener Kandidaten erklärte Herrmann, wie biografische oder geografische Details jedes Bewerbers genutzt wurden, um Nähe und Glaubwürdigkeit auf Wahlplakaten zu vermitteln.
Das Informations- und Dialogprogramm endete mit einer Begegnung im Axel-Springer-Haus in Berlin. Im Austausch mit verschiedenen Lateinamerikaexperten der Hauptstadt, wurden aktuelle Herausforderungen diskutiert. „Die Erfahrungen in Deutschland haben mir die Aktualität eines brasilianisches Sprichworts vor Augen geführt: Um sich als Politiker auf den Weg zu den Menschen zu machen, ist nichts wichtiger, als die Schuhsohlen durchzulaufen“, resümierte Gil Castillo.