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Veranstaltungsberichte

Parteiaufbau und Organisation

Strategieberatung für die „Demócatas“ in Santa Cruz de la Sierra

Am 24. und 25. August 2015 fand in Santa Cruz de la Sierra ein Beratungseinsatz des Regionalprogramms „Parteienförderung und Demokratie in Lateinamerika“ der Konrad Adenauer Stiftung statt.

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Anwesend waren Kristin Wesemann, Leiterin des Regionalprogramms, Nicolás Morzone, politischer Berater der Regierung der Stadt Buenos Aires und Vorsitzender der Jóvenes PRO in der Stadt La Plata, sowie der Argentinier Jorge Dell Oro und der Mexikaner Arturo García Portillo, zwei erfahrene Politikberater. Im Mittelpunkt der Seminare für verschiedene Teile der Partei standen der politische Austausch und die Beratung der noch jungen bolivianischen Partei „Sozialdemokratische Bewegung“ (Movimiento Demócrata Social), kurz Demócratas. Die Mittepartei ist zwar in ihrer Wiege, dem bolivianischen Tiefland rund um die Stadt Santa Cruz de la Sierra, stark aufgestellt, hat jedoch im Rest des Landes, besonders im Hochland, noch Probleme, sich gegen die „Bewegung zum Sozialismus“ (Movimiento al Socialismo/ MAS) von Staatspräsident Evo Morales durchzusetzen. Dennoch haben die Demócratas auf lokaler Ebene in den vergangenen Jahren einige Achtungserfolge in den traditionell vom MAS dominierten Gegenden wie Potosí und Cochabamba erzielen können. Besonders auf nationaler Ebene will man die Präsenz der Partei in den nächsten Jahren ausbauen.

Weg frei für Kooperationen und Demokratisierung

An einem kühlen Montagmorgen in der sonst vom so feuchtwarmen Klima dominierten Stadt Santa Cruz de la Sierra trafen sich Kristin Wesemann, Jorge Dell Oro und Arturo García Portillo in der Parteizentrale der Demócratas zu ersten Gesprächen mit der Parteiführung. Anwesend waren die Senatorin María Lourdes Landívar, Generalsekretär Oscar Ortiz und Vladimir Peña, der Sekretär für Organisation. Gleich zu Beginn stellte Generalsekretär Ortiz die momentane Situation der Partei dar und erklärte das Szenario bis zum Jahr 2019. Dann nämlich wird in Bolivien ein neuer Präsident gewählt. Die Parteiarbeit ist oft beschwerlich, was nicht nur daran liegt, dass Bolivien als das am schwersten zugängliche Land des Kontinents gilt. Auch von offizieller Seite werden oft Steine in den Weg gelegt.

„Im Department Beni wurde einigen Bürgermeisterkandidaten unserer Partei kurz vor den Wahlen die Teilnahme versagt, angeblich wegen Unregelmäßigkeiten“, erzählte Peña. Kristin Wesemann betonte, dass man vor diesem Hintergrund eine Vertiefung demokratischer Grundwerte erreichen müsse. Die Demócratas könnten, ganz im Sinne ihrer Grundausrichtung, einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung des politischen Systems leisten. Kooperationen zwischen den demokratischen Parteien der Mitte auf dem Kontinent seien deshalb nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Politikberater Dell Oro sprach sich zudem für kleine Schritte aus.

„Die erste Person, mit der der Bürger auf politischer Ebene in Kontakt tritt, ist der Bürgermeister. Das sollte jeder jungen Partei bewusst sein. Der Aufbau einer Partei sollte deshalb immer von der lokalen Ebene ausgehen. Wird gleich zu Beginn eine sehr nationale Perspektive anlegt, wird es schwer haben. Das ist Kleinstarbeit, aber sie wird sich auszahlen.“ Wichtig sei deshalb die Ausbildung lokaler Führungskräfte. Arturo García Portillo untermauerte diese These und verwies auf den Werdegang der Demócratas mit der Geschichte des mexikanischen PAN (Partido Acción Nacional). Auch die mexikanische Partei hatte sich aus dem lokalen Umfeld über die Jahre auf die nationale Ebene vorgearbeitet. Ein weiter und anspruchsvoller Weg allemal – aber kein unüberwindbarer, so der Tenor des Treffens.

Stabile Fundamente für eine junge Partei

Noch am Nachmittag deselben Tages fand ein weiteres Treffen mit den Demócratas statt, diesmal jedoch in größerer Runde. Im Saal hatten sich gut 30 Mitglieder versammelt, angereist aus allen Teilen Boliviens, darunter nicht nur Führungsfiguren der Demócratas aus dem Tiefland, sondern auch aus abgelegenen Regionen wie Oruro oder Potosí.

Gespannt wartete man auf den Vortrag von Arturo García Portillo zum Thema „Stärkung von Parteiinstitutionen“.

Gleich zu Anfang stellte Portillo eine Frage in den Raum: „An was glaubt ihr?“ Die Antworten kamen prompt: Demokratie, Vertrauen in die Institutionen, Autonomie. „Aber ist das nicht genau das, was auch andere Parteien fordern?“, fragte Portillo. Zustimmendes Kopfnicken bei den Teilnehmern. „Einerseits ist es wichtig, dass ihr euch euren Grundwerten bewusst seid. Es ist aber ebenso wichtig, dass ihr den Wählern klar macht, was euch von den restlichen Parteien unterscheidet!“ Besonders junge Parteien müssten in einem demokratischen Verfahren festlegen, was die Ziele und Werte seien. Man müsse institutionelle Strukturen klar definieren und Kompetenzen deutlich abstecken. Ansonsten werde sich eine Partei früher oder später an internen Differenzen aufreiben. Als Beispiel für eine derartige Grundcharte nannte Portillo die Statuten der CDU. Der zweite Schritt sei schließlich, diese Grundwerte in konkrete politische Projekte umzuwandeln und diese der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Apropos Kommunikation: 15 Journalisten betraten in diesem Augenblick den Saal, sie filmten und fotografierten, ein kurzer Augenblick der Unruhe, eine Verschnaufpause allerdings auch.

Danach fuhr Portillo fort: „Die Regeln innerhalb der Partei müssen klar festgelegt sein. Die Mitglieder müssen sich auf bestimmte Bereiche spezialisieren. Es können nicht alle alles machen.“ Zum Abschluss gab der Berater den „Demokraten“ noch eine deutliche Formel für die Zukunft mit auf den Weg: „Politische Projekte können nur auf gefestigten ideologischen Fundamenten gebaut werden!“ Angeregt durch den Vortrag, begannen die Teilnehmer im Anschluss über die Fundamente ihrer Partei zu diskutieren. Unter ihnen auch der 39 Jahre alte Eduardo López Rodríguez, Sekretär für Organisation und Planifikation der Demócratas in Oruro. „Ich habe viel mitgeschrieben und muss alles erst einmal auf mich wirken lassen“, sagt er. „Ich bin der Meinung, dass gerade für uns als junge Partei diese Denkanstöße überaus wichtig sind.“ Auf die Frage was in der nächsten Zeit die größten Herausforderungen für seine Partei seien, antwortet er: „Ich denke, dass der MAS, die Partei Evo Morales´, in eine Krise eintreten wird, weil viele Leute die undemokratischen Methoden der Regierung satt haben. Für unsere Partei sehe ich die Herausforderung darin, Regierungsverantwortung zu übernehmen und die Demokratie auszubauen. Es ist eine große Aufgabe, aber auch eine große Chance für uns. Durch die Kooperation mit ausländischen Parteien, die die gleichen Grundwerte teilen wie wir, können wir eine Menge lernen. Dieser gegenseitige Austausch erscheint mir enorm wichtig.“

Die Jugend als Fundament für die Zukunft

Am zweiten Tag hatte sich in der Parteizentrale die junge politische Führungsriege der Demócratas versammelt; nationale und kommunale Abgeordnete sowie Senatoren. Erstaunlich junge Gesichter angesichts des politischen Gewichts der Runde. Auch Nicolás Morzone, politischer Berater der Stadt Buenos Aires und Vorsitzender der Jóvenes PRO in La Plata, der Capitale der Provinz Buenos Aires, war angereist, um den bolivianischen Kollegen und Kolleginnen von seinen politischen Erfahrungen zu berichten, auch wenn die Ausgangssituationen in beiden Ländern grundsätzlich verschieden sind. In Argentinien setzen die Parteien stark auf die politische Kommunikation durch soziale Netzwerke, während diese Medien in Bolivien erst wenig ausgebaut sind. „Besonders in diesem Bereich der politischen Kommunikation können wir Jugendlichen eine wichtige Rolle spielen“, so Morzone. Aber auch beim Wahlkampf auf der Straße, beim „Gehen von Tür zu Tür“, sei der jugendliche Elan gefragt. „Natürlich ist es schwierig für uns junge Politiker, Personen die deutlich älter sind als wir, Lösungen für ihre Probleme zu präsentieren. Darum geht es aber auch nicht! Vielmehr müssen wir lernen zuzuhören“, sagte Morzone. Aus seiner Sicht sind besonders drei Prinzipien wichtig, die junge Führungskräfte in einer wachsenden Partei beachten müssten. Einerseits müssten die Rollen in der Partei klar abgesteckt sein, „sonst kommt es unweigerlich zu Machtkämpfen, die der Partei schaden können. Klar definierte Organisationsstrukturen und Aufgabenverteilung sind deshalb unabkömmlich“, so der Argentinier. Zweitens müsse viel Kraft in die Ausbildung des Nachwuchses investiert werden. Und schließlich: „Innerhalb einer Partei zeichnet sich ein gute Führungskraft dadurch aus, dass sie die Truppe zusammenhält. Das funktioniert nur durch horizontale Strukturen und und einen kooperativen und vor allem demokratischen Führungsstil. Ein offenes Ohr ist immer wichtig!“

Morzone hatte noch aus einem anderen Grund für die Förderung junger Mitglieder plädiert: Die Kreativität der Jugend sei von unschätzbarem Wert für eine Partei.

Das bestätigte auch die 29 Jahre alte Jordana Middagh, Abgeordnete für die Demócratas im Department Santa Cruz, eine der Teilnehmerinnen der Runde. Auf die Frage, was ihr besonders gut an den Demócratas gefalle, antwortete sie: „Ich habe mich in die Partei verliebt, weil es eine Partei des Dialogs ist. Allen, unabhängig von Alter oder Herkunft, wird ein offenes Ohr geschenkt.“ Und die Rolle der Jugendlichen in der Partei? „In den vergangenen Jahren hat ein Generationswechsel in der bolivianischen Politik stattgefunden. Dort, wo ich herkomme, haben wir einen Regierungsplan aufgestellt, der auch die Jugendlichen einbezieht, wir können Entscheidungen aktiv mitgestalten. Das ist es, was die Partei besonders auszeichnet. Wir sind nicht nur ein kleines Grüppchen innerhalb der Partei, sondern ein ausschlaggebender Protagonist. Die Jugend hat die Kraft, neue Denkanstöße zu geben und Dinge mit frischem Elan voran zu treiben. Das ist wichtig und notwendig für eine Partei, die erst seit anderthalb Jahren existiert. Bei uns waren es zum Beispiel die jungen Frauen, die das Thema Gleichbehandlung auf den Plan gerufen haben.“

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Lokale Verwaltung, nachhaltig und nah am Bürger

Am Nachmittag des zweiten Veranstaltungstages hatten sich 30 Verwaltungsangestellte der Stadt Santa Cruz de la Sierra im Tagungssaal versammelt, um an den Seminaren von Jorge Dell Oro und Arturo García Portillo teilzunehmen. Dell Oro referierte über das Thema „Internationale Sichtweise der lateinamerikanischen Lokalregierungen“. Im Mittelpunkt des Vortrags stand vor allem die Nachhaltigkeit. „Die Verwaltung einer Stadt oder einer Region darf nicht nur als technokratischer Akt gesehen werden. Dinge wie Identität und Kultur spielen eine entscheidende Rolle dabei, dass der Bürger sich in seinem Umfeld wohl fühlt“, so Dell Oro. Nur wenn man auch auf kulturelle Identität Rücksicht nehme, könne eine nachhaltige Stadtentwicklung gelingen: „In Lateinamerika ist die wirtschaftliche Form des Freiluftmarktes stark verankert. Wenn eine Stadt jedoch nur noch große Shoppingmalls und Fast Food Ketten besitzt, aber keinen Raum für kleinere Handelsplattformen wie Märkte mehr bietet, dann wird dies zwangsläufig zu Konflikten führen.“ Lokale Regierungen sehen sich laut Dell Oro permanent mit Einflüssen der Globalisierung konfrontiert, diese müsse man an lokale Begebenheiten angleichen. Kreativität spiele bei diesem Prozess, besonders für die Verwaltungskräfte, eine entscheidende Rolle: „Kulturell kreative Städte sind in der Lage, lokale Lösungen für globale Probleme zu entwickeln.“ Die Gesichter der versammelten Teilnehmer verrieten, dass Dell Oro ein äußerst realitätsnahes Problem der lokalen Politik angesprochen hatte. Des Weiteren stellte Dell Oro international erprobte Ansätze vor, die eine Stadt lebenswerter und damit auch nachhaltiger in ihrer Entwicklung machen: Ausbau von Fußgängerwegen und des öffentlichen Nahverkehrs; Konsum, der die lokalen Produzenten bevorzugt; familiäre Landwirtschaft sowie Wirtschaftssysteme, die sich am Prinzip der Solidarität orientieren. Aus dem Publikum kam die Frage, was der normale Bürger für die nachhaltige Stadtentwicklung tun könne. Auch hier hatte Dell Oro eine Antwort parat: „Der Bürger muss die Straße mit Kultur bevölkern und sich die öffentlichen Plätze aneignen. Nur so kann Austausch entstehen, der das soziale Netz einer Stadt konstruiert. Wenn Regierungen bestimmten Aufgaben nicht nachkommen, dann liegt es immer auch ein Stück weit am Bürger, die entstehenden Leerräume mit Inhalt zu füllen.“

Dell Oros Kollege Arturo García Portillo folgte mit einem Vortrag über „Kommunen und ihre Beziehungen zu den Bürgern“. Der Mexikaner wandte sich direkt an die versammelten Verwaltungsangestellten: „Auf welche Weise treten wir mit dem Bürger in Beziehung?“ In Mexiko gäbe es ein Sprichwort, dass die Beziehung zwischen Regierende und Bürgern beschreibt: „Die Regierung sieht uns, wie Gott die Kaninchen sieht, klein und mit großen Ohren.“ Gelächter im Saal, aber auch zustimmendes Kopfnicken, man wusste, wovon die Rede war. Portillo betonte, dass es besonders die Aufgabe der mit einer Partei in Verbindung stehenden Verwaltungskräfte sei, den Kontakt zum Bürger nicht zu verlieren. Nur auf diese Weise könne ein demokratisches System tatsächlich funktionieren. Sobald dieser Kontakt abreiße, bestehe die Gefahr des Autoritarismus. Beispiele gebe es in Lateinamerika ausreichend dafür.

Unter den Zuhörern war auch Pedro Riviera, Parteimitglied der Demócratas und Angestellter im „Zentrum für Katastrophenschutz des Departments Santa Cruz“ (Centro de Operaciones de Emergencias Departamentales/ COED). „Für mich als öffentlicher Angestellter ist es wichtig, mir immer wieder über die Beziehung klar zu werden, die wir mit dem Bürger eingehen. Nur wenn wir zuhören, können wir als junge Partei wachsen.“ Und was sind die größten Aufgaben für die Partei in den kommenden Jahren. Riviera überlegte kurz und antwortete schließlich: „Ich glaube, es ist vor allem die voranschreitende Desintegration der bolivianischen Gesellschaft. Ost- und Westbolivien entfernen sich immer stärker voneinander, auch weil das bestimmte politische Kräfte forcieren. Dem müssen wir als Partei entgegenwirken. Das können wir aber nur, wenn wir das Vertrauen der Bürger gewinnen. Besonders wir als Verwaltungsangestellte sitzen an der Schnittstellte zwischen Bürger und Partei. Dem müssen wir uns bewusst sein.“

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