Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

Söhne des Kameläons: Reise zur Initiationsfeier ins Bassariland

von Dr. Ute Gierczynski-Bocandé

Film über kulturelle Identität und Entwicklung

Die Initiationsriten des Bassarivolkes in Südostsenegal sind von vielen Ethnologen und Anthropologen erforscht und beschrieben, aber noch nicht einem breiten Publikum zugänglich gemacht worden. Der Film von Dijana Sulic schließt diese Lücke. Der so entstandene Film zeichnet ein lebendiges Bild der Bassari-Kultur und wirft gleichzeitig Fragen auf: Wie geht es weiter mit dieser faszinierenden Kultur, wenn immer mehr Bassari abwandern und die traditionellen Werte und sogar die Sprache nicht mehr weitergeben? Wie kann die kulturelle Identität erhalten werden und ein Entwicklungselement werden?

Asset-Herausgeber

Die Initiationsriten des Bassarivolkes in Südostsenegal sind von vielen Ethnologen und Anthropologen erforscht und beschrieben, aber noch nicht einem breiten Publikum zugänglich gemacht worden. Der Film von Dijana Sulic schließt diese Lücke. Die Regisseurin hat die eine komplette Initiationsfeier gefilmt und sie direkt oder aus dem Off von Bassari Studenten, Priestern und Entwicklungsakteuren kommentieren lassen. Der so entstandene Film zeichnet ein lebendiges Bild der Bassari-Kultur und wirft gleichzeitig Fragen auf: Wie geht es weiter mit dieser faszinierenden Kultur, wenn immer mehr Bassari abwandern und die traditionellen Werte und sogar die Sprache nicht mehr weitergeben? Wie kann die kulturelle Identität erhalten werden und ein Entwicklungselement werden?

Ein außergewöhnliches Debattenkino

Das Debattenkino hat eine lange Tradition in der KAS Dakar: jeden letzten Donnerstag des Monats wird ein Film gezeigt und darüber diskutiert. Am 28. Juni war alles anders. Der Film wurde gezeigt, es wurde diskutiert und dann wurde er noch einmal gezeigt, und alles trotz Europacup Halbfinale, das zur gleichen Zeit lief. Anstatt üblichen 60 bis 100 waren an die 150 Teilnehmer gekommen und viele mussten im KAS Garten auf die zweite Vorstellung warten. Wie kam es zu diesem außergewöhnlichen Andrang? Es lag am Film, am Thema, an den Akteuren. In der Tat, Dijana Sulic hat mit ihrem Film ins Herz eines Problematik getroffen, die von vielen KAS-Partnern und Debattenkinofans als ausschlaggebend betrachtet wird: den Erhalt der traditionellen Kulturen, nicht als folkloristisches Relikt, sondern als unver-zichtbares Element in der Entwicklungsdynamik Afrikas.

Söhne des Kameläons: Die Initiation

Der Film zeichnet eine Reise ins Bassariland nach, den die Regisseurin Dijana Sulic mit vier Bassari-Studenten der Vereinigung der Bassari-Schüler und Studenten Senegals gemacht hat: Geremy Bianquinch, Nestor Bianquinch, Paulin Boubane und Serge Bianquinch. Ihre vier Begleiter geben während der gesamten Laufzeit des Films eingehende Kommentare zu den Abläufen der Initiationsriten.

Ausgangspunkt der Reise ist Dakar, wo Paulin den Mythos vom Kameläon erzählt, dem Totemtier der Bassari, die sich als Söhne und Töchter des Kameläons bezeichnen. Danach geht es nach Egath, wo die fünf Reisenden an der Initiation des jungen James teilnehmen. James wird geflochten – wie alle Jungen zwischen 14 und 20, die an dieser Zeremonie teilnehmen. Der Vater Bruno braut Hirsebier und Honigwein, die zu den rituellen Gaben für die Gäste gehören, die Mutter Coumba und die anderen Familienmitglieder kümmern sich um das leibliche Wohl. Abends tanzen die schon initiierten jungen Männer auf dem Dorfplatz, gefolgt von den jungen und etwas eingeschüchterten „Initia-tionsschüler“.

Am kommenden Tag, Sonntag, treffen sich alle früh auf dem Dorfplatz, wo für jeden Initiationsschüler eine Ziege und ein Huhn geschlachtet werden. Plötzlich hört man laute Rufe und Musik aus dem Wald, und in einer langen Schlange tanzen die Masken auf den Dorfplatz, ein einmaliges und beeindruckendes Schauspiel, das im Film mit viel Kunst und Einfühlvermögen eingefangen wurde. Jeder Initiationsschüler muss in der Folge mit zwei Masken kämpfen, jedoch weit entfernt vom Blick der Frauen, auf der Hochebene hinter dem Dorf, wo sie nur von den Männern begleitet werden. Diese Kämpfe machen die Jungen zu Männern, dies ist jedoch erst der Anfang der Ausbildung, die dann während mehrerer Tage (früher waren es Monate) im Wald von den Traditionslehren weiter geführt wird.

Die Rückkehr der jungen Initiierten aus dem Wald ist ebenfalls ein bewegendes Ereignis, sie kehren zurück in ihre Familien, sind aber nicht mehr die gleichen. Die Initiation und die anschließende Zeit mit ihren Lehren im Wald haben neue Menschen aus ihnen gemacht, dies haben die Bassari mit allen anderen Völkern gemeinsam, die Übergangsriten feiern.

Kulturelle Identität in Gefahr?

Die Studenten Geremy, Paulin, Serge und Nestor kommentieren die Ereignisse und Geschehen während des ganzen Films und erinnern sich gerne an ihre Initiationszeit zurück. Ebenfalls die katholischen Priester Theophile Bonang und Jean-Paul Bindia reflektieren über die Initiationsriten und das Zusammenspiel von katholischer und traditioneller Religion. Die Bassari wurden Anfang bis Mitte des letzten Jahrhunderts christianisiert und viele haben traditionelle Riten beibehalten, was ihrem Christsein keinen Abbruch tut. Inkulturation nennt die katholische Kirche die Teile der Liturgie im Gottesdienst, die aus traditionellen Kulturen integriert wurden, um den Gläubigen den Zugang zum Christentum über eine bekannte Symbolik zu erleichtern.

Der Vorsitzende der Vereinigung zur Ent-wicklung des Bassarilandes, Pierre Gnanga Boubane, wird zur Problematik der Armut in dieser abgeschiedenen Region befragt. Er äußert sich optimistisch im Hinblick auf die Entwicklung des Bassarilandes, die er mit seinen Mitstreitern vorantreiben will. Allerdings sei die Abwanderung vieler vor allem junger Bassari ein Problem. Eines Teils fehlen sie bei der Entwicklung der Region, und außerdem verlieren sie in den senegalesischen Großstädten häufig die Verbindung zur und die Bindung an die Tradition. Sie assimilieren sich an die „Mainstream“ Senegalesen, sprechen oft noch nicht einmal mehr ihre Sprache und versuchen, so wenig wie möglich als „Bassari“ aufzutreten. Dies führt auf Dauer zum Verlust der kulturellen Identität und des Selbstbewusstseins – und dagegen möchte die ANEEB ankämpfen. Deshalb haben sich die jungen Studenten und Studentinnen zum Ziel gesetzt, mit dem Film über die Gefahr des Verlustes der Kultur und damit der Identität zu sensibilisieren. Denn nur eine Person, die in ihrer Kultur und Identität verankert ist, hat genügend physische und psychische Ressourcen, um aktiv und kreativ an der Entwicklung teilzunehmen.

Der Film endet mit einer etwas skeptischen Note, als Geremy befürchtet, die Bassarikultur könne, falls nicht ein Umdenken geschehe, in 50 Jahren aussterben. Die Globalisierung und Nivellierung von Werten, Ideen und Lebensstilen seien eine Gefahr für den Erhalt und die Fortentwicklung tradi-tioneller Werte und Kulturen. Jedoch ist vielleicht doch Hoffnung am Horizont, denn kurz nach Erscheinen des Films wurde das Bassariland von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Dijana Sulic äußerte sich optimistisch und hofft, dass ihr Film zu einem Bewusstseinsprozess beitragen wird. Der Direktor der Cinematographischen Abteilung des Kulturministeriums schlug vor, den Film im nationalen Fernsehen und in allen Kulturzentren zu zeigen – eine vielversprechende Perspektive.

Die KAS Dakar war wieder einmal, und dieses Mal in besonderer Weise, die Plattform für den kulturellen Dialog, der seine Früchte trägt, da er zu einer Mobilisierung von Energien und von Synergien für die Entwicklung von Ideen, Initiativen und Aktionen beiträgt.

Asset-Herausgeber

Event
28. Juni 2012
KAS Dakar
Jetzt lesen
Initiation Bassari Egath Ute G Bocandé

comment-portlet

Asset-Herausgeber

Asset-Herausgeber