Länderberichte
Das sich die pro-europäische Koalition um Boris Tadic, bestehend aus der Demokratischen Partei (DS), G17plus, sowie drei weiteren kleineren Parteien und die Koalition um die Sozialistische Partei (SPS), der früheren Milosevic-Partei, auf eine gemeinsame Regierung einigen würden, war erwartet, von den Europäern vor allem gehofft worden.
Trotzdem begann die SPS nach der Parlaments- und Kommunalwahl, die beide am 11. Mai stattfanden, erst einmal mit Sondierungsgesprächen mit der Radikalen Partei (SRS) und der Demokratischen Partei Serbiens (DSS), was in der Konsequenz zu ihrem bisherigen Erscheinungsbild lag. Denn von ihrem bisherigen Auftreten steht die SPS den nationalistisch populistisch agierenden Parteien des scheidenden Ministerpräsidenten Kostunica näher als den Europaparteien. Ziemlich schnell nach der Wahl gab es sogar schon eine Koalitionsvereinbarung für Belgrad, der mit Abstand größten Stadt Serbiens.
Das Wahlergebnis vom 11. Mai schenkte der SPS das Privileg, das Zünglein an der Waage für eine neue Regierung zu sein. Das erlaubt ihr, entsprechend fordernd aufzutreten – als Kleinste im neuen Parlament vertretenden Partei. Nach vier Verhandlungswochen mit der SRS und DSS wurden die Gespräche abgebrochen. Begründet wurde dies damit, dass die SPS-Koalition die europäische Perspektive für Serbien nicht aufgeben wollte. Vor allem der kleinste Koalitionspartner der SPS, Vereinigtes Serbien (JS) vom populären Bürgermeister Dragan Markovic, besser bekannt als Palma, drängte darauf, das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) in jedem Fall zu unterzeichnen. Das stand im krassen Gegensatz zu Kostunicas Linie, der ja gerade am SAA die vorhergehende Koalition platzen ließ. Und auch jetzt ließ er das SAA nochmals einer „rechtlichen Prüfung“ durch ihm nahestehende Juristen unterziehen, die zum Ergebnis kamen, dass das SAA nicht mit der Verfassung Serbiens in Übereinstimmung zu bringen sei. Damit konnte die SPS sich ihrem eigentlichen Wunschpartner zuwenden.
Schon lange bestehen informelle Kontakte zwischen der DS und der SPS. Nach der demokratischen Wende in Serbien im Oktober 2000 und dem Tod von Milosevic in 2006 war die SPS in die Bedeutungslosigkeit abgestürzt und schaffte den Einzug ins Parlament nur dank eines Bündnisses mit zwei anderen kleinen Parteien. Um politisch zu überleben ist die Beteiligung an der Macht notwendig. Aber noch notwendiger ist die Unterstützung, Anschluss an die europäische Parteifamilie der Sozialisten zu finden. Denn das sichert eine langfristige Perspektive.
Die Verhandlungen sind trotzdem nicht so einfach, denn es müssen viele Interessen befriedigt werden. Schließlich bestehen beide Verhandlungspartner aus Koalitionen und jede Partei will sich auch in der künftigen Regierung wiederfinden. Es wird deshalb eine große Regierung werden, mit bis zu fünf stellvertretenden Ministerpräsidenten und ca. 28 Ministern. Nur einige Positionen sind schon bekannt. So wird die DS unter anderem das Außen-, Verteidigungs- und Justizministerium bekommen, G17plus als wichtigstes das Wirtschaftsministerium und auch die Minderheiten werden bedacht. Am zufriedensten kann allerdings die SPS sein. Neben dem Bildungsministerium wird sie künftig das Innenministerium besetzen. In wieweit sich das auf die Kooperation mit dem Haager Tribunal, konkret mit der Überstellung des Ex-Generals Mladic an den Strafgerichtshof, auswirken wird, bleibt abzuwarten.
Im Zuge der Koalitionsverhandlungen für die Regierung auf nationaler Ebene wurden die bisherigen Verabredungen zwischen SRS, DSS und SPS strittig gestellt. Vor allem die G17plus besteht darauf, dass die Sozialisten auf Koalitionen mit den Radikalen und der DSS verzichtet, eine Forderung, die nur konsequent ist. Noch gibt es dazu aber keine definitive Festlegung.
Eine künftige DS-SPS-Regierung kann auf eine größere Mehrheit im Parlament hoffen, als die nominelle Stärke der Regierungsparteien im Parlament. Sie werden bei vielen Fragen auch auf die Unterstützung der Liberalen (LDP) bauen können, für die sich aus grundsätzlichen Erwägungen ein formelles Regierungsbündnis mit der ehemaligen Milosevic-Partei verbietet, die aber den pro-europäischen Kurs der DS teilen.
Der designierte Ministerpräsident Cvetkovic, bislang Finanzminister und früher tätig bei der Weltbank, ist kein charismatischer Politiker, sondern Technokrat. Lange wurde um einen Namen gerungen. Sowohl der bisherige Außenminister Vuk Jeremic, ein ehrgeiziger Jungpolitiker, als auch Bojan Pajtic, erfolgreicher Vorsitzender des Exekutivrates der Provinz Vojvodina, wurden immer wieder genannt. Mit Cvetkovic wurde ein Kompromisskandidat gefunden, der als Finanzexperte regieren wird, ohne dem Präsidenten und Parteivorsitzenden Tadic gefährlich zu werden.
Was politisch von der neuen Regierung erwartet werden kann, lässt sich noch schwer vorhersagen. Bislang standen die Sozialisten in Gegnerschaft zu den Parteien des Koalitionspartners und man wird sich erst aneinander gewöhnen müssen, vor allem unterhalb der Führungsebene. Das gemeinsame Ziel ist hochgesteckt: eine spürbare Annäherung an die EU. So könnte für die neue Regierung etwas zum Problem werden, was nicht in ihrer Hand ist. Nämlich die Selbstbeschäftigung der EU mit sich selbst nach dem gescheiterten Referendum in Irland.
Noch wird verhandelt. Mit der Wahl der Regierung wird Ende dieser Anfang nächster Woche gerechnet.