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Länderberichte

Ein Jahr Kosovo: abhängige Unabhängigkeit

von Claudia Crawford
Vor einem Jahr, am 17. Februar 2008, erklärte sich Kosovo für unabhängig und löste sich damit von Serbien. Bis heute wurde der jüngste Staat Europas von 54 Staaten anerkannt, darunter von 22 der 27 EU-Länder.

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Die Freude der Kosovaren an diesem Tag war groß und sie trägt bis heute. Es ging ein lang ersehnter Traum in Erfüllung. Knapp vier Monate später, am 15. Juni, trat die erste Verfassung in Kraft, bereits 19 Botschaften wurden eröffnet. Andererseits ist der mehrheitlich serbische Norden Kosovos bis heute nicht integriert. Erst heute gab es wieder eine Explosion als Ausdruck des Protestes.

Anlässlich des Jahrestages betonte der kosovarische Ministerpräsident Hashim Thaci, der Bruch mit Serbien ist „nicht umkehrbar“. „Am 17. Februar war in den Beziehungen mit Serbien alles vorbei“, sagte Thaci der Nachrichtenagentur AFP. Daran besteht auch bei den meisten Außenstehenden kein Zweifel. Aber die Tatsache, dass der Ministerpräsident dies ausdrücklich betont, deutet auf nach wie vor noch bestehende Probleme hin; darauf, dass das unabhängige Kosovo noch sehr abhängig ist.

Damit ist nicht einmal gemeint, dass die Anerkennung durch Serbien als dem größten Nachbar fehlt. Dies konnte innerhalb eines Jahres nach solch einer langen Auseinandersetzung nicht ernsthaft erwartet werden. Allerdings ist es kein gutes Zeichen, dass der Regierungswechsel in Serbien keine wesentliche Verbesserung in den Beziehungen ermöglicht hat, obwohl nun eine pro-europäische Koalition in Belgrad die Verantwortung trägt.

Problematischer ist, dass die Fortschritte in Kosovo selbst nur langsam erfolgen. Die nach wie vor hohe Präsenz internationaler Organisationen zeigt, wie abhängig das junge Land noch ist: von materieller Hilfe von außen, von Hilfe beim Staatsaufbau, vor allem von Polizei und Justiz, aber auch von mehr internationaler Anerkennung.

54 Staaten, auch wenn darunter Länder wie die USA, Großbritanien, Frankreich und Deutschland sind, sind noch keine Mehrheit in der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Serbien scheute keine Mühe, um mit seinem Antrag für ein Gutachten zur Bewertung der Unabhängigkeit Kosovos vor dem Internationalen Gerichtshof weitere Länder von einer Anerkennung zurückzuhalten und somit ein zahlenmäßiges Argument mehr auf seiner Seite zu haben. Und auch auf anderen Feldern konnte Serbien mit Hilfe Russlands erfolgreich intervenieren.

Besonders kam dies bei der Einsetzung der Europäischen Polizei- und Rechtsstaatsmission EULEX zum Ausdruck. Sie sollte ursprünglich die UNMIK ersetzen. Im VN-Sicherheitsrat kam dafür keine Einigung zustande. Erst nach mühsamen und zähen Verhandlungen vor allem zwischen der EU und Serbien wurde ein Kompromiss gefunden, nachdem EULEX nun unter dem Dach von UNMIK „statusneutral“ seine Aufgaben wahrnimmt. Wie allerdings Polizei und Justiz statusneutral aufgebaut werden können, lässt sich nur schwer vorstellen. Formeln zur Gesichtswahrung, die allerdings für ausreichend Irritationen in Kosovo sorgen.

Die größte Herausforderung bleibt allerdings die wirtschaftliche Situation. Kosovo ist nicht nur das jüngste Land Europas, sondern auch das Ärmste. Die Arbeitslosigkeit liegt auch heute noch bei über 40%, jährlich drängen mehr als 25.000 junge Menschen auf den Arbeitsmarkt. Sicherlich haben die Kosovaren nicht erwartet, dass mit der Unabhängigkeit auch der wirtschaftliche Wohlstand ausbricht.

Trotzdem bleibt die Frage, wie lange die Menschen Geduld haben werden. Klare Wirtschaftskonzepte sind immer noch nicht sichtbar und objektive Probleme, wie die schlechte Stromversorgung und Infrastruktur, lassen sich nur mittel- bis langfristig lösen. Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise bringt zudem die Gefahr, dass die Ressourcen der Hilfesteller ebenfalls knapp werden und sich der Fokus der Weltpolitik immer mehr vom Balkan abwendet.

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