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Länderberichte

Nach dem Referendum

von Claudia Crawford

23.05.2006, Kurzbericht KAS Belgrad, Claudia Nolte

Kurzbericht KAS Belgrad, Claudia Nolte

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Am 21. Mai diesen Jahres fand das Referendum über den staatsrechtlichen Status Montenegros statt. Von 484 718 Wahlberechtigten beteiligten sich 86,49%. Über 3.300 Beobachter und ca. 850 Journalisten verfolgten den Abstimmungsprozess.

Laut Bekanntgabe der Referendumskommission haben für die Unabhängigkeit 55,5% gestimmt, 44,5% dagegen. Damit wurde das notwendige Quorum von 50% Wahlbeteiligung und 55% „Ja“ - Stimmen für die Unabhängigkeit erreicht. Montenegro ist wieder ein selbständiger Staat – auch wenn bis dahin noch einige Schritte zu gehen sind.

Die Wahlbeobachter der EU und andere haben den Ablauf des Referendums als demokratisch und friedlich beurteilt und hoben dabei insbesondere die hohe Wahlbeteiligung hervor. Seitens der Anhänger der Staatenunion wird vereinzelt eine Neuauszählung verlangt, weil das Ergebnis ihnen zu knapp ist. Allerdings dürfte bei einem Abstand von 45.000 Stimmen, immerhin fast 10% der Wahlberechtigten, und keinerlei Beanstandungen seitens der Referendumskommission und der Beobachter, diese Forderung wenig Unterstützung finden.

Das Erreichen der Hürde von 55% macht deutlich, dass die Idee der Unabhängigkeit von weit mehr als nur Regierungsanhängern geteilt wird. Bei bisherigen Wahlen hatte das derzeitige Regierungslager in Bestzeiten etwa 200.000 Stimmen erzielen können. Damit haben fast 31.000 Wähler mehr für die Unabhängigkeit gestimmt. Ob die Angriffe seitens der „Unionisten“ gegen den Ministerpräsidenten Montenegros, Djukanovic, zu diesem Ergebnis mit beigetragen haben (Solidarisierungseffekt) oder völlig ohne Einfluss blieben, darüber lässt sich ohne genauere Untersuchungen nur spekulieren. Ebenso über die Wirkung der Einflussnahme aus Belgrad, die nicht unerheblich war. Neben dem serbischen Ministerpräsidenten Kostunica gaben auch andere Prominente entsprechende Stellungnahmen ab, nicht zu letzt der Patriarch Pavle von der Serbisch Orthodoxen Kirche, die einen erheblichen Einfluss auf die Gesellschaft hat. Die Entscheidung der EU, die SAA-Verhandlungen zu unterbrechen, solange Mladic nicht in Den Haag ist, hat dagegen mit Sicherheit Einfluss gehabt. Beide Seiten, die Unabhängigkeitsbefürworter wie „Unionisten“ haben für ihre Position unter anderem damit geworben, dass der Weg in die EU mit bzw. ohne Serbien viel schneller vor sich gehe. Angesichts der jetzigen Entscheidung der EU war die Argumentation aus dem Lager der „Unabhängigen“ überzeugender.

Während man in Montenegro auf den Straßen feierte und ausgelassen war, blieb man in Belgrad ruhig. Viele Serben sind der Ansicht, dass diese Entscheidung für Serbien die bessere ist und sind in keiner Weise traurig. Denn neben einigen gepflegten Vorurteilen, die man mehr oder weniger ernst nehmen kann, fanden es viele dann doch lästig, dass Montenegro, obwohl soviel kleiner, immer mit dem gleichen Anspruch wie Serbien auftrat. Allerdings klingt bei Äußerungen von Serben auch ein bisschen Trotz mit. Alle serbischen Fernsehsender begleiteten den Abend des Referendums mit entsprechenden Sendungen, allerdings wendeten sich die meisten dann am späten Abend dem normalen Programm zu.

Das politische Belgrad war ebenfalls auffallend ruhig. Dass das Ergebnis so eindeutig war, hat vielleicht manchen überrascht. Schließlich glaubt man am liebsten den eigenen Umfragen und die lagen in den letzten Tagen in Serbien bei deutlich unter 50% Zustimmung zur Unabhängigkeit. Zu Stellungnahmen konnten sich hochrangige Politiker am Abend noch nicht durchringen, man wollte das endgültige Ergebnis abwarten. Glücklicher Weise haben alle Belgrader Politiker vor der Entscheidung betont, sie werden jede Entscheidung akzeptieren. Daran wird mit Sicherheit festgehalten werden. Die befürchtete graue Zone zwischen 50 und 55% ist nicht eingetreten. Die gelassene Ruhe ist sicher auch diesem Umstand zu verdanken. So sind Stellungnahmen zu vernehmen, dass man ein friedliches Nebeneinander pflegen sollte. Zwei Tage nach dem Referendum ist dies schon kaum noch ein Thema in den Medien, nochweniger bei den Menschen.

Inwieweit der Prozess der Trennung des Staatenverbundes dann auch reibungsfrei ablaufen wird, bleibt abzuwarten. Der Arbeitsminister Slobodan Lalovic äußerte beispielsweise, dass die Bürger aus Montenegro im Falle der Unabhängigkeit als Ausländer betrachtet würden. Das könnte nicht nur ein Problem für die Studenten sein, die damit rechnen müssen, dass sie künftig ihr Studium in Serbien bezahlen müssen. Auch die Fragen des Arbeits- und Sozialrechts dürften kompliziert genug werden. Unterschwellig besteht in Serbien zudem die Sorge, dass diese Entscheidung auch Einfluss auf die Verhandlungen mit den Kosovo -Albanern haben wird, obwohl beide Fälle in keiner Weise mit einander vergleichbar sind.

Die montenegrinische Regierung erhofft sich in den folgenden Tagen einen schnellen Anerkennungsprozess seitens der Internationalen Gemeinschaft. Am 13. Juli 2006 wird Montenegro wahrscheinlich die Unabhängigkeit verkünden. Die Fortsetzung der SAA - Verhandlungen mit der EU haben weiterhin Priorität. Olli Rehn kündigte inzwischen auch an, dass man die Verhandlungen fortsetzen wird. Die EU wird zwei unterschiedliche Vorschläge für Serbien und Montenegro vorbereiten. In Montenegro erwartet man darüber hinaus, dass es in der ersten Sitzung der UN (Ende September) als 192 Staat anerkannt wird. Allerdings als ersten Schritt, der als wichtig bezeichnet wird, plant man den Anfang von Gesprächen mit Serbien.

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