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Länderberichte

Parlamentswahlen in Serbien

von Claudia Crawford

Kurzbericht

Am Donnerstag, dem 25. Januar um 20:00 Uhr, muss die zentrale Wahlkommission das offizielle Wahlergebnis verkünden. Dann hat das Parlament 30 Tage Zeit, um sich zu konstituieren. Ab dann beginnt die Frist für die Regierungsbildung, die 90 Tag beträgt. Das bedeutet, spätestens bis zum 29. Mai muss die neue Regierung feststehen.

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Überrascht haben die Ergebnisse vom 21. Januar, dem Wahlsonntag, nicht, denn sie lagen dicht an den Umfragewerten der letzten Wochen. Die drei großen Parteien, die Radikale Partei (SRS), die Demokratische Partei (DS) und die Demokratische Partei Serbiens (DSS) haben insgeheim sicher mit etwas mehr Stimmen gerechnet haben. Die fehlenden Stimmen sind aber zu den drei kleinen Parteien gegangen, die damit den Sprung über die 5% geschafft haben: die G17plus, die Sozialistische Partei (SPS) und die Liberal-Demokratische Partei (LDP). Die relativ hohe Wahlbeteiligung von gut 60% hat sich anders als vermutet für die kleineren Parteien ausgezahlt. Um dabei die Wahlbeteiligung würdigen zu können, muss man bedenken, dass von den gut 6,7 Millionen Wahlberechtigten etwa 1 Million wegen Abwesenheit vom Wohnort keine Wahlmöglichkeit haben. Viele Serben, die im Ausland leben, sind nicht registriert, weil sie sich so unter Milosevic Zeiten vor dem Militärdienst schützen konnten.

Als stärkste Partei ist wieder die SRS mit 28,58% aus den Wahlen hervorgegangen. Damit stehen ihr 81 Sitze im Parlament zu. Das ist ein Sitz weniger als im bisherigen Parlament. Die DS des Präsidenten Tadic wurde mit 22,72% zweitstärkste Partei und kommt auf 64 Sitze im Vergleich zu 37 nach der letzten Wahl. Die Partei des Ministerpräsidenten Kostunica erhielt 16,51 % und damit 47 Sitze. Im letzten Parlament hatte sie 53 Sitze, allerdings trat sie damals nicht zusammen mit der Partei Neuserbien an, die 9 Sitze hatte, sodass die Verluste höher zu bewerten sind. G17plus hat dank des engagierten Wahlkampfes des Parteivorsitzenden Dinkic gute 6,83% erreicht, was allerdings fast eine Halbierung der Sitze zum derzeitigen Parlament von 34 auf jetzt 19 bedeutet. Die SPS hat es ebenfalls wiederum geschafft, in das Parlament zu gelangen, was sehr unsicher schien. Mit 5,64% stehen ihr diesmal 16 Sitze zu, sie hatte vorher 22. Neu im Parlament wird die LDP mit ihren Listenkoalitionspartnern sein, da auch sie erfolgreich, wenn auch knapp, mit 5,33% den Einzug geschafft hat. Sie wird künftig mit 15 Sitzen vertreten sein. Die restlichen Sitze der 250 verteilen sich auf die Parteien der Minderheiten, die keine 5%-Hürde haben. Das Bündnis der Vojvodina Ungarn erhielt 3 Sitze, die Partei der Demokratischen Aktion (die Muslime aus dem Sandzak) 2, die Koalition der albanischen Parteien aus Preševo, die Partei der Roma Serbiens und die Roma-Partei je 1 Sitz.

Auffallend ist die regionale Verteilung der Stimmen für die verschiedenen Parteien. Auch wenn es keine offiziellen Analysen dazu gibt, so ist den Wahlbeobachtungen der Parteien zu entnehmen, dass die Radikalen ihre Stimmen vor allem aus der Vojvodina, Zentralserbien und Belgrad bekommen haben. In Belgrad hat sie sogar die DS von der Position eins verdrängen können. Die DS hat ihre Stimmen aus Zentralserbien und ebenfalls aus der Vojvodina, wobei sie dort besonders durch die LDP Konkurrenz bekommen hat. Diese drei Parteien haben im Wahlkampf besonders die Forderungen nach einer stärkeren Autonomie für die Vojvodina unterstützt. Die DSS hat ihre besondere Stärke in den ländlichen Gegenden, vor allem in Süd- und Zentralserbien sowie im Kosovo in den serbischen Gemeinden (nur dort fanden die Wahlen praktisch statt).

Am Donnerstag, dem 25. Januar um 20:00 Uhr, muss die zentrale Wahlkommission das offizielle Wahlergebnis verkünden. Dann hat das Parlament 30 Tage Zeit, um sich zu konstituieren. Ab dann beginnt die Frist für die Regierungsbildung, die 90 Tag beträgt. Das bedeutet, spätestens bis zum 29. Mai muss die neue Regierung feststehen.

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass sich das Verhältnis zwischen dem nationalistischen Block aus SRS und SPS und dem demokratischen Block, zu dem sich die anderen Parteien zählen können, in den letzten sechs Jahren kaum verändert hat. Das bedeutet einerseits, dass selbst die Kosovodebatte den Radikalen keine neuen Stimmen eingebracht hat. Die Unterschiede in der Kosovofrage sind zwischen allen Parteien, ausgenommen der LDK, die einen sehr pragmatischen Ansatz verfolgt, so gering, dass keine von ihnen gesondertes Kapital daraus schlagen kann. Serbien ist in dieser Hinsicht viel stabiler als manch einer annimmt. Zum anderen bedeutet das Wahlergebnis aber auch, dass es keinen spürbar wachsenden Anstieg der pro westlichen und pro europäischen Einstellung der Bevölkerung gibt. Dass die DS, die in ihrem Auftreten eindeutig viel klarer ihre proeuropäische Politik hervorhebt, zu Lasten der DSS und Neuserbien (wie auch der Erneuerungsbewegung des noch amtierenden Außenministers Draskovic, die den Einzug ins Parlament mit 3,5% verpasst hat), um 10% gestiegen ist, kann nüchtern betrachtet ihre Ursache auch darin haben, dass die DSS als Regierungspartei nur die Enttäuschung der Menschen über den langsamen Fortschritt in Serbien zu spüren bekommen hat.

Von Ferne betrachtet könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Bildung einer neuen Regierung nicht so schwer sein dürfte. Der demokratische Block hat eine ausreichend große Mehrheit von 153 Stimmen. Und selbst wenn nur DS, DSS und G17plus zusammengehen würden, wären das 131 und damit genug Stimmen. Die Schwierigkeit liegt darin, dass zwischen DS und DSS eine lang gepflegte tiefe Abneigung besteht. Schon nach der letzten Wahl, bei der der demokratische Block ebenfalls eine Mehrheit hatte, reichte es nur für eine Minderheitsregierung durch die DSS, die sich dabei auf die Stimmen der Sozialisten gestützt hatte. Auch jetzt zeichnen sich die zu erwartenden Auseinandersetzungen schon deutlich ab, denn sowohl Tadic als auch Kostunica reklamieren den Posten des Ministerpräsidenten für jeweils ihre Parteien. Dass die DSS dies erstaunlicherweise tut, begründet sie damit, dass es nicht von Vorteil für das Land sei, wenn sowohl der Ministerpräsident als auch der Staatspräsident aus derselben Partei kommen. Außerdem sei der Unterschied zwischen DSS zusammen mit G17plus, die beide zur letzten Regierung gehörten, und der DS sehr klein. Außerdem dürfte auch über andere Ressortverteilungen heftig gerungen werden.

Es ist nicht zu erwarten, dass es erneut zu einer Minderheitsregierung durch die DSS kommt, die sich dann auf die Radikalen stützen müsste, denn allein die Sozialisten reichen nicht. Kostinica ist sich bewusst, dass er damit jeden Kredit im Westen verspielen würde. Gerade in einer Zeit, in der die Kosovofrage entschieden werden soll, wird er dieses Risiko nicht eingehen. Ob er sich deswegen aber zu einer Regierungsbeteiligung unter einem Ministerpräsidenten der DS durchringen wird, lässt sich kaum abschätzen. Es scheinen zwei Möglichkeiten darüber hinaus zu bleiben, über die schon vor der Wahl spekuliert wurden: entweder Kostunica setzt sich als Ministerpräsident durch und es gibt unter ihm eine Regierung aus DSS, DS und G17plus, vielleicht noch zusammen mit einigen Vertretern aus den Minderheitenparteien. Das ergäbe eine stabile Regierungskoalition. Die andere Variante wäre eine Minderheitsregierung durch die DS und G17plus mit Tolerierung durch die DSS. Kostunica könnte sich dann bei Entscheidungen wie Kosovo oder dem Haager Tribunal bequem zurücknehmen und auf die Verantwortung der DS verweisen und wäre jederzeit in der Lage, die Unterstützung für die Regierung zurückzuziehen. Viel Stabilität verspricht dieser Weg nicht und der amtierende Vorsitzende der Radikalen Nikolic behielte am Ende mit seiner Vermutung Recht, dass am Ende des Jahres erneut gewählt würde.

Da bei allen denkbaren Wegen immer die DSS mehr oder weniger beteiligt ist, kann eines mit Sicherheit gesagt werden: dass in den nächsten Monaten nicht mit einem spürbaren Politikwechsel zu rechnen ist.

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