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Veranstaltungsberichte

Rede des stellv. Vorsitzenden des Slowakischen Nationalrats Ján FIGEĽ

20 Jahre KAS-Verbindungsbüro in Bratislava

Im Mai 2013 feierte das KAS-Büro in Bratislava sein 20-jähriges Jubileum. Auf dieser Stelle veröffentlichen wir die Rede des langjährigen Freundes der Stiftung, des stellv. Vorsitzenden des Slowakischen Nationalrats und KDH-Vorsitzenden Ján Figeľ, die er während der feierlichen Veranstaltung zu diesem Anlass hielt.

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Ján Figeľ

stellvertretender Vorsitzender des Nationalrats der Slowakischen Republik,

KDH-Vorsitzender

Rede anlässlich 20 Jahre KAS-Verbindungsbüro in Bratislava und der Konferenz

„Brücken bauen in Europa: Europäische Werte und Literatur“,

21. Mai 2013, Altes Parlament, Bratislava

Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde !

Einleitend möchte ich mich für die Ehre bedanken, an diesem bedeutenden Kolloqium unter Teilnahme des Vorsitzenden des deutschen Bundestags Prof. Lammert und weiterer geschätzter Gäste einige Gedanken über unsere Zusammenarbeit und Zukunft zu teilen.

Zugleich möchte ich für die eingeladenen und teilnehmenden Mitterechtsparteien in der Slowakei, (SDKÚ-DS, Most-Híd, SMK), für die gesamte KDH auch für mich persönlich der Konrad Adenauer Stiftung (KAS) unseren aufrichtigen Dank für die zwanzigjährige Unterstützung und Zusammenarbeit zum Ausdruck bringen.

Deutschland und die Slowakei in der EU

Als ich über die zwei Jahrzehnte unserer Zusammenarbeit nachdachte, wurden mir auch die breiteren Zusammenhänge bewusst. Die Länder des Westens, ihr Wohlstand und Demokratie waren bereits zur Zeit des Sozialismus für uns eine Art Vorbild oder Referenzraum. Wir sehnten uns danach, ihr Niveau zu erreichen. Viele dieser entwickelten Länder haben nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bei der Entwicklung der Demokratie und Zivilgesellschaft auch bei uns in der Tschechoslowakei und der Slowakei sehr wirksam geholfen. Aus breiterer Perspektive ist jedoch der Beitrag Deutschlands außerordentlich. Die Freiheit und Vereinigung Berlins und Deutschlands waren Voraussetzung und Teil der Freiheit und Vereinigung Europas. So wie die Donau aus dem Schwarzwald ins Schwarze Meer fließt, so erweitert sich die Europäische Gemeinschaft von Osten nach Westen auf Basis gemeinsamer Werte. Wir danken den deutschen Freunden und Persönlichkeiten wie K. Adenauer, H. Kohl oder heute A. Merkel für die Unterstützung dieses Prozesses. J. F. Kennedy brachte die Zusammengehörigkeit und Solidarität mit den Menschen im geteilten Berlin und Deutschland mit dem bekannten Satz „Ich bin ein Berliner!“ zum Ausdruck. Ich persönlich – und gleichfalls viele von uns – konnten sich mit Stolz und Verantwortung zum Thema der Wiedervereinigung Europas mit dem Satz „Ich bin ein Ossi!“ bekennen; und somit der historischen Herausforderung zusammen mit Freunden, Demokraten und Bürgern der Slowakei als Hauptverhandler oder erster europäischer Kommissar begegnen. Vor 20 Jahren konnten wir es uns nicht einmal vorstellen, obwohl wir Hoffnung auf eine solche Vision hatten. Das konnte und kann mit Stolz und Verantwortung Angela Merkel, die erste deutsche Kanzlerin oder der amtierende Bundespräsident Joachim Gauck sagen, die aus dem Osten Deutschlands, der früheren DDR sind. Zusammen ist die Familie kompletter und die erweiterte Union europäischer, gemeinsam sind wir stärker.

Der Erste Weltkrieg begann auf dem Balkan, im Osten Europas und erfasste die ganze Welt. Die Franzosen nannten ihn der Große Krieg (La Grand guerre). Der Zweite Weltkrieg kam als Revanche für den Ersten und als Folge des aufkeimenden Faschismus und Nationalsozialismus. Dieser war noch größer und unmenschlicher. Und nach ihm der Dritte, als der expansive sowjetische Kommunismus auf die Szene trat. Es war der Kalte Krieg, der global wurde. Die Versöhnung, die einst die Christdemokraten Deutschlands und Frankreichs begannen, müssen wir auch dort erreichen, wo die Kriegsserie anfing und wo die historisch frischesten – 20 –jährigen Gräber und blutige Grenzen als Ergebnisse eines militanten Nationalismus und ethnischen Fanatismus liegen – in Srebrenica, Sarajewo, am Balkan. Die Mission ist noch nicht zu Ende, ich bin aber froh, dass wir hier Fortschritte machen. In einem Monat schließen sich die Kroaten der Gemeinschaft an. Ich bin froh, dass wir diesen Weg gemeinsam mit der KAS, der CDU, den deutschen und europäischen Freunden betreten. Es ist unsere Schuldigkeit gegenüber Adenauer, den Begründern und Opfern des Kampfes um Freiheit, es ist die beste Antwort auf die Probleme der Region und des heutigen Europa, es ist auch unser eigenes Interesse.

Das, was Deutschland und die Slowakei zurzeit am meisten verbindet, ist die Europäische Union. Einmal fragte ich den ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, wann unsere bilateralen deutsch-slowakischen Beziehungen wirklich gut sein werden. Er antwortete: „Wenn sie europäisch sein werden.“ Das ist eine kurze, klare und treffliche Antwort: für unsere Werte und auch unsere Interessen, für unseren Verfassungs- und reifen Patriotismus und für die globale Verantwortung.

KAS und deutsche Stiftungen

Hinsichtlich seiner Aktivitäten in Richtung Ausland hatte Deutschland viele diverse Stiftungen und Hilfskampagnen auf politischer, ziviler, universitärer, schulischer oder religiöser und kirchlicher Ebene entstehen lassen. Auf der Webpage des Bundesverbands deutscher Stiftungen fasziniert die Gesamtanzahl registrierter gemeinnütziger Stiftungen: 19.500!

Zum Teil erklärt es sich auch damit, dass die Großzügigkeit dieser Hilfe vonseiten staatlicher Institutionen gefördert wird, die einen Teil öffentlicher Finanzen für diesen Zweck aufwenden. Der Schlüssel zur Beantwortung der Frage ist jedoch die Bereitschaft vieler gewöhnlicher deutscher Bürger, bereitwillig und regelmäßig verschiedene Spendenaktionen und Gesten von Solidarität zu unterstützen. Heute erinnern wir uns vor allem des 20. Jahrestags der Präsenz der KAS in der Slowakei. Erlauben Sie mir jedoch unter den vielen deutschen Stiftungen die Stiftung RENOVABIS als pars pro toto zu erwähnen, da ich mehrmals die Früchte ihrer Arbeit in der Slowakei sehen konnte. In den zwanzig Jahren ihres Bestehens half RENOVABIS bei der sozialen, gesellschaftlichen und geistigen Erneuerung in 29 Ländern Mittel- und Osteuropas mit einem Gesamtbetrag von 560 Millionen €. Dankend nehmen wir zur Kenntnis, wie viele menschliche Schicksale verändert wurden – wie viele Leben durch Bildung, diverse Erfahrungen und Erlebnisse, konkrete Projekte zum höheren menschlichen und geistigen Niveau gelangten.

Ich bin überzeugt, dass die Slowakei ohne den Beitrag der KAS, CDU, deutscher Freunde, Partner und Investoren nicht dort wäre, wo sie heute ist. Der Beitrag der KAS zur politischen Kultur, dem Verständnis der Prinzipien und Zusammenhänge entwickelter demokratischer Gesellschaft, der Übertragung einer Vielzahl verschiedener Erfahrungen aus diversen politischen Bereichen, vor allem verwandter Parteien aber auch vielfältiger Bürgervereine ist wirklich respektabel.

Gerne würde ich hier an die Direktoren des KAS-Büros für die Slowakei erinnern: Franz-Josef Reuter, Reinhard Stuth, Frank Spengler, Stefan Gehrold, Hubert Gehring und der jetzige Direktor Werner Böhler. Sehr gerne erinnere ich mich an die Zusammenarbeit mit Politikern wie Prof. Pöttering, dem heutigen Präsidenten der KAS, Bernhard Vogel, Elmar Brock und vielen anderen.

Diese Freunde erlebten mit uns unsere historischen und dramatischen Momente – von der Erlangung der Freiheit, über die Anerkennung des Staates und den Kampf um Demokratie, Niederlage des Mečiarismus, die Umsetzung harter Strukturreformen bis zu allen unseren Wahlsiegen und –niederlagen.

Es waren Dutzende interessanter Schulungen, anregender Seminare und Konferenzen. Persönlich halte ich Kolloquien, die regelmäßig im Mai seit 1998 abgehalten werden, für äußerst positiv. Hier hatten wir die Möglichkeit, uns wiederholt über Standpunkte zur aktuellen Entwicklung in Europa auszutauschen.

Ich bin überzeugt, dass so wie wir seinerzeit den Mečiarismus besiegten, auch die Zeit kommt, in der wir als Mitterechtsparteien, deren Basis die Gruppierung KDH, SDKÚ-DS und Most-Híd bildet, die wir Volksplattform benannten, die sozialistische Politik überwinden werden, die häufig Populismus und Etatismus dem Aufbau einer pluralistischen Gesellschaft, des Rechtsstaats und einer konkurrenzfähigen Marktwirtschaft vorzieht.

Europa – Gegenwart und Zukunft

Unsere Rückkehr nach Europa begann natürlich bereits vor 1989. Der Kampf für Freiheit ist in der Slowakei mit dem Kampf um Demokratie und europäische Perspektive verbunden. Als wir in der KDH (Ján Čarnogurský) mit der Idee des europäischen Sterns und Sessels im Februar 1990 kamen, war es kaum vorstellbar. Es war jedoch mit Zusammengehörigkeit verbunden, mit dem Bestreben nach einer gleichwertigen Stellung der Slowakei nicht nur in der Tschechoslowakei sondern auch am großen europäischen Tisch als zwei Gleichberechtigte. Heute ist es Realität. Die Tschechische Republik und auch die Slowakei haben einen Kommissar. Zusammen haben wir mehr Stimmen im Ministerrat, mehr Abgeordnete im Europäischen Parlament als die relativ gleich große Niederlande. Und dank unseren guten, wie wir oft sagen „besseren als standardmäßigen Beziehungen“ ist es auch ein sichtbares und positives Beispiel für das gemeinsame Europa und ein Mehrwert an Synergie.

Erlauben Sie mir noch abschließend, das gemeinsame Europa aus ein paar Blickwinkeln zu betrachten.

Adenauerisch gesagt, war einst die europäische Einheit die Sehnsucht von wenigen, später die von vielen. Heute ist es unvermeidbar, im gemeinsamen Europa, in der Europäischen Union zu sein. Es ist ein fortwährender Prozess, der anspruchsvoller wird. Ähnlich wie im menschlichen Leben, so ist es auch in den internationalen Beziehungen.

Europa geht wohl nun durch die schwierigste Etappe ihrer Entwicklung. Die Finanz- oder Währungskrise halte ich nicht für das schwerwiegendste Problem – in der Zwischenzeit gelang es diese im gewissen Maß zu stabilisieren – es geht um die Vertrauenskrise der Leute in das europäische Projekt. In mehreren Ländern Europas, inklusive Deutschland, kommen pessimistische Ansichten auf als auch populistische Parteien, die gegen die EU orientiert sind. Das ist ein Grund für uns, Politiker, sich die Frage zu stellen, wo wir nicht genug Arbeit geleistet haben, um das notwendige Vertrauen der Bürger zu erneuern.

Auch der üblicherweise starke deutsch-französische Motor verleiht Europa nicht jene Dynamik, wie es früher der Fall war. Umso mehr sticht der Bedarf verantwortungsvoller Politik hervor, wie sie zum Beispiel Kanzlerin Angela Merkel und die CDU durchsetzt. Wir erkennen die Risikos und die Unhaltbarkeit der Politik, die bisher in vielen europäischen Ländern gemacht wurde, insbesondere in der Eurozone. Auf Kosten zukünftiger Generationen zu leben – in Defiziten und unangemessenen Schulden – ist unmoralisch und kann fatal sein! Die Mitterechtsparteien in der Slowakei sind momentan in der Opposition und können diese Linie nicht auf Ebene des Europäischen Rates unterstützten. Aber wir tun, was wir können. Wir bemühen uns, verantwortungsvolle Politik auf Ebene der Europäischen Volkspartei, der EVP vor allem auf deren Gipfeltreffen und im EP zu unterstützen.

Der Rückkehr auf den rechten Weg erfordert Genügsamkeit und Wachstum. Nicht entweder – oder, sondern eines mit dem anderen. Konsolidieren und zugleich Maßnahmen unterstützen, welche Beschäftigung und Wirtschaftswachstum fördern. Es ist schwieriger, aber es ist möglich. Und zusätzlich wird Europa innovativer und konkurrenzfähiger.

Bezüglich des Hinweises auf ungesunde Tendenzen in manchen europäischen Staaten möchte ich anmerken, dass die europäische Integration nicht in die Kultur und Angelegenheiten eingreifen sollte, die in der alleinigen Kompetenz der Mitgliedsländer liegen, wie z.B. Familienrecht, Ehe und Bildung. In der KDH sind wir gegen eine Harmonisierung direkter Steuern. Wir brauchen innere aber auch äußere Konkurrenz.

Europa ist viel mehr für die Leute vonnöten, nicht für Eliten. Es braucht eine Rückkehr zu den eigenen Wurzeln. In erster Reihe ist es unser Europa. Europa nostra. Wenn wir uns nämlich in Europa zu Hause fühlen werden, werden wir uns auch mehr dafür interessieren, wie es bei uns – zu Hause - aussieht. Man muss es nach der Linie „Soviel Freiheit wie nur möglich. Und soviel Integration wie unerlässlich ist zur Umsetzung der Interessen der Mitgliedsländer und deren Bürger.“ entfalten. Es ist ein Prozess, wir haben keinen besseren; aber er ist sinnvoll. Im Stile Monets gesagt, was die Zukunft Europas betrifft bin ich weder Optimist noch Pessimist, ich bin aber entschlossen.

Liebe Freunde aus der KAS und CDU, danke für alles was wir bisher auf dem Weg der Zusammenarbeit gemeinsam leisten konnten. Ich wünsche der KAS weitere Jahrzehnte erfolgreicher Entwicklung ihrer Tätigkeit und positiven Beitrags. Lasst uns das Erbe und Vermächtnis der Väter und die Politik als Dienst auf Basis von Werten verantwortungsvoll entfalten. Lasst uns würdevoll leben und handeln, wie dies die einleitenden Worte der adenauerischen Verfassung definieren: „In Verantwortung vor Gott und den Menschen“.

21. Mai 2013

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Ján Figel‘, stellvertretender Vorsitzender des Slowakischen Nationalrates.| Foto: KAS KAS

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