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Cannabis-Legalisierung – ein (Irr-)Weg?!

4. Münsteraner Gespräche

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4. Münsteraner Gespräche 22.11.2023 KAS/Paul Schneider
4. Münsteraner Gespräche 22.11.2023

„Eine gesellschaftliche und politische Debatte über Sucht und deren Folgen ist notwendig! Dieses Gesetz kommt zur falschen Zeit“, so das Fazit von Moderator Dr. Stefan Nacke nach der Diskussion über die Legalisierung von Cannabis. Der Bundestagsabgeordnete zeigte beim 4. Münsteraner Gespräch zudem  Schwächen im Gesetzentwurf auf.

 

Die Gesprächsreihe der Konrad-Adenauer-Stiftung beschäftigt sich mit

Fragen der Sicherheit – Dr. Ulrike Hospes (Landesbeauftragte und Leiterin des Politischen Bildungsforums NRW) verwies in ihren Begrüßungsworten darauf, dass diesmal vor allem die Sicherheit für Kinder und Jugendliche sowie unser aller Gesundheit im Fokus der Debatte stehe.

 

Im Plenarsaal des Landeshauses des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) stellte dessen Direktor Dr. Georg Lunemann in einem Grußwort den Verband vor und blickte vor allem auf die LWL-Einrichtungen für Suchterkrankte, Reha-Maßnahmen, Psychiatrie sowie die Koordinierungsstelle Sucht beim Landesjugendamt.

 

Voraussichtlich zum 1. April 2024 soll das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung in Kraft treten – Dr. Stefan Nacke stellte die Einzelheiten des Entwurfs vor und benannte offene Fragen und Hürden. So dürfen Erwachsene bis zu drei Cannabis-Pflanzen selbst anbauen, die Gründung von Genossenschaften und Anbauvereinen soll möglich werden. Bis zu 25 Gramm pro Tag bzw. 50 Gramm pro Monat sollen straffrei bleiben, bei einer Abstufung für Jugendliche. Zugleich werde ein Konsumverbot innerhalb von 200 Metern Entfernung von Schulen, KiTas oder Spielplätzen gelten; auch im Privatbereich besteht ein Zugriffsschutz für Kinder, Jugendliche sowie Dritte. Fragen der Prävention greift der Gesetzentwurf hingegen erst am Ende auf. Neben der Unionsfraktion im Bundestag steht auch der Bundesrat sehr skeptisch zu diesem Gesetz, zumal Fragen der Menge und des Wirkstoffes unklar bleiben sowie mehr Themen der Aufklärung ins Gesetz müssten.

 

Amon Barth, Autor des Buches „Breit. Mein Leben als Kiffer“, schilderte sein Leben als Suchtkranker. Der gebürtige Hamburger hatte dieses Buch bereits 2005 im Alter von 20 Jahren geschrieben, kurz nach seiner Therapie. Darin setzt er sich mit seiner Sucht auseinander, insbesondere mit den erlebten Wahnvorstellungen. Barth las einen Auszug, wie er als Jugendlicher diese Psychosen erlebt hatte – etwa die Wahrnehmung anderer Menschen als Hologramme oder das Gefühl, sich in einer Matrix in einem Computerspiel zu befinden. Noch ein Jahr nach dem Entzug spürte er diese Paranoia. Zugleich betonte der Buchautor, dass die Auseinandersetzung mit den Suchtursachen sowie die Prävention die wichtigsten Wege seien, um Jugendliche vor Drogen zu bewahren. Seinen persönlichen Weg in die Sucht beschrieb er aufgrund von Druck, Überforderung, unglücklicher Liebe, „falschen“ Themen in seiner Clique, Unlust am Lernen. Zugleich orientierte er sich an Musik und Lebenskultur von Hippies oder der HipHop-Szene: Kiffen sei cool, gehöre zur Kreativität und zur Künstlerwelt dazu. Ebenso war es die natürliche jugendliche Neugier, etwas „Verbotenes“ auszuprobieren. Für sich selbst hat Barth die Lehre gezogen, dass Rausch zwar in der Gesellschaft verankert sei, aber keine langfristige Befriedigung bringe. Er selbst habe später durch Lernen und Weiterentwicklung Sinn und Glück im Leben gefunden.

 

Aus medizinischer Sicht prüfte Prof. Dr. Dr. Martin Holtmann, der Ärztliche Direktor der LWL-Universitätsklinik Hamm, Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Legalisierung von Cannabis. Er zitierte aus einer Studie aus Ulm, dass sich im Zeitraum von 2000 bis 2018 die Zahl jener Jugendlichen verfünffacht habe, die bundesweit aufgrund Cannabis-Konsum in Behandlung waren. Den Hintergrund dieser immensen Zunahme erörterte Holtmann in einer veränderten Risikoeinschätzung. Beispielsweise trage die Verschreibung von Cannabis-Präparaten als Rezept zur Bekämpfung heftiger Schmerzen (z.B. bei Krebserkrankungen) zur Abnahme des Gefühls der Gefährlichkeit bei. Auch in seiner Klinik habe die Zahl der erkrankten Kinder und Jugendlichen stark zugenommen, wobei neben Cannabis auch andere Suchtmittel konsumiert würden, z.B. Alkohol oder Pillen. Der Arzt stellte dar, wie die Therapie erfolgt: zunächst in einer ambulanten Phase, wobei auf die Freiwilligkeit der Betroffenen gesetzt werde; später in einem ca. vierwöchigen Entzug sowie anschließend in einer psychotherapeutischen Behandlung (weitere 8-12 Wochen). Ähnlich wie Barth betonte auch Holtmann, bei fast allen Jugendlichen die Ursachen der Sucht zu betrachten, denn fast immer sei diese mit weiteren psychischen Erkrankungen und persönlichen Problemen verbunden.

 

Die Landtagsabgeordnete Simone Wendland sprach schließlich vor allem zu rechtlichen Aspekten, verwies dabei ebenfalls auf die Ursachen für Drogeneinnahmen: So empfinden Menschen den Druck in der Gesellschaft als zu hoch und sehen in der Droge eine Hoffnung auf Flucht. Die Rechtsanwältin  erörterte die bisherige Rechtslage, wonach bereits der Besitz geringer Mengen Cannabis als „Verbrechen“ gilt und mit Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Mit dem neuen Gesetz solle verhindert werden, dass insbesondere Jugendliche aufgrund geringer Cannabisnutzung Vorstrafen erhalten. ie Landtagsabgeordnete sprach den heftigen Zuwachs an Verwaltungsarbeit an, der mit dem neuen Gesetz verbunden sei – etwa die Entstehung einer Überwachungsbürokratie, um beispielsweise die Abstände zu Schulen usw. oder gar den Anbau im Privatbereich zu kontrollieren. Ebenso würden als Folge des neuen Gesetzes neue Schwierigkeiten zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität entstehen.

 

Der spannende Abend in Münster endete mit einer intensiven Diskussion mit Fragen aus dem Publikum. Ein wichtiger Gesprächspunkt war hierbei die Gefahr anderer (legaler) Drogen, insbesondere Alkohol. Dessen Konsum sei gesellschaftlich anerkannt, fordere aber deutlich mehr Opfer sowie Folgeerkrankungen. Aber für alle Drogen gilt die Notwendigkeit von Prävention und Aufklärung – und damit die gesellschaftliche und politische Debatte!

 

 

 

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Kontakt

Dr. Ulrike Hospes

Dr. Ulrike Hospes

Landesbeauftragte und Leiterin des Politischen Bildungsforums NRW /
Leiterin Büro Bundesstadt Bonn

ulrike.hospes@kas.de +49 (0) 2241 246 4257 +49 (0) 2241 246 5 4257

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