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StanHema (Gestaltung)
by Christian König

Zum gesellschaftlichen Wert des Wohneigentums

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Der deutsche Zeithistoriker und Politikwissenschaftler Hans-Peter Schwarz schrieb 2006 über die „Katastrophe und Renaissance der deutschen Eigentumsgesellschaft“.1 Sie sei in den Jahren 1914 bis 1948, einer „Epoche des Unheils“, „schubweise im Chaos“ versunken. Der Tag der Währungsreform markierte für Schwarz den entscheidenden Wendepunkt, von dem an die zuvor „dreivierteltote Eigentumsgesellschaft“ im Westen Deutschlands wiederbelebt wurde.

Konrad Adenauer hatte daran entscheidenden Anteil. War das erste Wohnungsbaugesetz 1950 weitgehend neutral mit Blick auf die dort genannten Wohnformen, ging es bei dessen Novelle 1953 laut Gesetzesbegründung darum, „den Wohnungsbau in noch stärkerem Umfange als bisher fortzusetzen und dabei in erster Linie den Bau von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen zu berücksichtigen“.

In seiner Regierungserklärung formulierte Konrad Adenauer es so: „Die Schaffung von Eigenheimen muß als sozial wertvollster und am meisten förderungswürdiger Zweck staatlicher Wohnungsbau- und Familienpolitik anerkannt werden. Das Eigenheim soll und darf kein Reservat kleinerer Schichten sein, im Gegenteil soll gerade der Besitzlose durch Sparen, Selbsthilfe und öffentliche Förderungsmittel zum Eigenheim gelangen und so der Proletarisierung und der Vermassung entrissen werden.“ Zur Eigenheimförderung war 1952 das Wohnungsbauprämiengesetz verabschiedet worden. Damit sollten besonders untere Einkommensgruppen angeregt werden, frühzeitig Geld zu sparen, um sich eigene vier Wände leisten zu können.

Begriffe wie „Proletarisierung“ oder „Vermassung“ zeigen, dass es um mehr ging als um eine reine Wohnungsbaupolitik. Sie symbolisieren einen gesellschaftlichen Diskurs, dem unterschiedliche Menschenbilder zugrunde liegen. „Life, liberty and property“ sei der „Dreiklang des Bürgerrechtes“, wie es der englische Philosoph John Locke im 17. Jahrhundert formuliert habe, schrieb Hans D. Barbier, früherer Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Allgemeine Zeitung und ehemaliger Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.2 Eigentum als unveräußerliches Recht; keines, das dem Bürger hoheitlich gewährt werde. „Der Bürger steht erhobenen Hauptes vor seinem Staat, der der Seine ist.“ Und das Gegenstück der hier bewusst gewollten Individualität? Konformität und Kollektivismus. Der Spiegel charakterisierte diesen Diskurs 2013 mit den Worten: „Das Reihenhäuschen sollte zum Bollwerk im Kampf der Wirtschaftssysteme werden. Eigenheim gegen Platte, Gurkenbeet gegen Gärtnerische Produktionsgenossenschaft, Heimeligkeit gegen Vermassung.“ Nicht fehlen durfte der Adenauer zugesprochene Satz: „Wer ein Haus baut, macht keine Revolution.“ Über Ludwig Erhard hieß es, er habe mit der Wohnungsbauprämie eine Gesellschaft von Hauseigentümern aufkeimen sehen, „für die ein Sozialismus, der nicht am eigenen Lattenzaun haltmachte, jeden Reiz verlor“.3

 

Rote Laterne bei der Wohneigentumsquote

 

Lässt man die letzten siebzig Jahre Revue passieren, stellt man fest: Die „dreivierteltote Eigentumsgesellschaft“ wurde in dieser Zeit zwar wiederbelebt. Von einem missionarischen Eifer ist jedoch längst nichts mehr zu spüren. Das Wort ergreifen stattdessen Vertreter eines ideologischen Gegenmodells, die das Heil am Wohnungsmarkt in Enteignungen und Mietenstopp sehen. Ihnen gelang es, beim Volksentscheid im September 2021 mehr als eine Million Berlinerinnen und Berliner für eine Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen zu mobilisieren. Die argumentative Gegenwehr überließ man im Wesentlichen Fachpolitikern und Wirtschaftsverbänden. Man darf gespannt sein, welche Spuren diese Debatte über Enteignung und Eingriffe in die Vertragsfreiheit in den Köpfen von Investoren, Kleinvermietern und Selbstnutzern hinterlässt.

So drängt sich der Eindruck auf, dass die bürgerliche Mitte ein Kernthema vergessen hat. Dass Deutschland bei der Wohneigentumsquote in der Europäischen Union die rote Laterne trägt – wen regt das auf? Im Fokus stehen jetzt Fragen des bezahlbaren Wohnens, des sozialen Mietwohnungsbaus und des Mietrechts. Um die Wohneigentumsidee ist es leiser geworden.

Dabei sitzen Mieter und potenzielle Wohneigentümer in einem Boot. In Ballungsräumen schießen Neuvertragsmieten und Eigenheimpreise seit Jahren nach oben: Konsequenz eines Nachfrageüberhangs und befeuert von der Europäischen Zentralbank, die mit ihrer Nullzinspolitik Anleger scharenweise ins Betongold treibt. Während Mieter lautstark demonstrieren, weichen potenzielle Wohneigentümer, wenn sie können, still ins Umland aus. So entsteht ein Zerrbild in der öffentlichen Wahrnehmung, das Wirkung zeigt.

Dabei gibt es in Deutschland nicht den einen Wohnungsmarkt. Es gibt viele regionale Wohnungsmärkte. Die Hälfte der Menschen in Deutschland lebt auf dem Land. Dort stellen sich andere Aufgaben als in Ballungsräumen und sogenannten Schwarmstädten. Um diese zu entlasten, lautet die Formel „Bauen, bauen, bauen“. Gebraucht wird sie wiederum vor allem im Kontext von Mietwohnungen. Warum? Weil man sich vom skizzierten Zerrbild blenden lässt?

Pro Jahr werden mehr neue Wohneinheiten in Ein- und Zweifamilienhäusern gebaut als neue Mietwohnungen. Familien, die ins eigene Heim ziehen, machen normalerweise eine preiswertere Mietwohnung frei. Das setzt Umzugsketten in Gang, die am Ende kaum geringere Versorgungswirkungen haben als der soziale Wohnungsbau. Solche empirischen Befunde finden aber viel zu wenig Widerhall.

 

Debatte über den Tod des Eigenheims

 

Vielmehr geht die Debatte in eine andere Richtung: Anfang 2021 wurde das angebliche Ende des Einfamilienhauses ausgerufen. Es sei ein Energieverschwender, ein Flächenfresser und verantwortlich für Zersiedelung. Anton Hofreiter hatte mit einem Spiegel-Interview die Vorlage geliefert.4 Angesprochen wurde er zuvor auf einen Beschluss des Bezirks Hamburg-Nord, in neuen Bebauungsplänen keine Einfamilienhäuser mehr auszuweisen. Sein nachgeschobener Satz „Natürlich wollen die Grünen nicht die eigenen vier Wände verbieten“ ging in dem unter, was Die Zeit einen „Kulturkampf“ nannte, den die CDU angezettelt habe, um bei ihrer Klientel zu punkten.5 Die taz erklärte Einfamilienhäuser für „unvernünftig“ und warb für „Geschoss statt Minischloss“.6 Wiederum Der Spiegel bewertete etwa das Verbot der Hamburger Grünen von Einfamilienhäusern als einen „späten Triumph der DDR-Wohnungspolitik“.7

Die Aufregung legte sich erst, als klar wurde: Selbst Hamburg weist weiterhin Einfamilienhaus-Baugebiete aus; nicht im Norden, allerdings im Süden. Auch die Bausparkassen waren um eine Versachlichung der Debatte bemüht. Fakt ist nun einmal, dass diejenigen, die neu bauen, dies oft besonders energieeffizient tun.

Und natürlich muss es nicht immer auf die grüne Wiese gehen; wenn doch, könnten dafür woanders Flächen renaturiert werden. Im Übrigen findet Wohneigentumsbildung heute überwiegend durch den Erwerb von Gebrauchtimmobilien statt.

Modelle wie „Jung kauft Alt“ könnten Schule machen, um alte Stadt- und Dorfkerne lebenswert zu erhalten. In Ballungsräumen sind Baugemeinschaften, die für weniger Flächenverbrauch stehen, eine willkommene Ergänzung zur klassischen Wohnform im Eigentum. Mietkauf- und Erbbaurechtmodelle könnten der Wohneigentumsbildung dort neuen Schub verleihen.

 

Traum der jungen Generation

 

Einfamilienhaus statt Loft, kleine Gemeinde statt Millionenmetropole, Familie mit Kindern statt Singledasein: So stellen sich die meisten jungen Menschen im Alter von vierzehn bis neunzehn Jahren vor, wie sie mit Dreißig wohnen und leben wollen.8 Drei von vier dieser Gruppe träumen vom Einfamilienhaus; jeden Vierten zieht es auf das Dorf und nur jeden Fünften in die Großstadt. Ein überraschender Befund. Vermutlich hängt beides zusammen: das Wie und das Wo beim Wohnen und Leben. In der Großstadt ist Wohneigentum zum Privileg Besserverdienender geworden. Außerhalb besteht allerdings noch die Chance, einen Kredit binnen 35 Jahren zurückzuzahlen.

Die Politik sollte sich mit den Hoffnungen der jungen Generation auseinandersetzen, damit es nicht bei bloßen Zukunftsträumen bleibt. Die Antwort müsste sein: „Lebt euren Traum!“ Schon deshalb, weil Wohneigentum der klassische Weg zur Vermögensbildung ist.

 

Vermögensbildung und Zukunftsvorsorge

 

Adenauers Aussage, ein Eigenheim dürfe kein Reservat kleinerer Schichten“ sein, ist nach wie vor aktuell. Genauso wie sein Plädoyer, durch (gefördertes) Sparen der „Proletarisierung“ zu entkommen, was in die heutige Zeit übersetzt bedeutet: notwendige Zukunfts- und Generationenvorsorge betreiben zu können. Denn fehlendes Eigenkapital ist das Haupthemmnis bei der Wohneigentumsbildung. Niedrige Bauzinsen gleichen den Mangel nicht aus.

Sparen steht für eine Gesellschaft, die in Generationen denkt, in der diejenigen, die etwas leisten können und wollen, durch ihre Anstrengungen die Allgemeinheit entlasten. Denn erst dadurch ist der Staat in der Lage, jenen zu helfen, die nicht das Glück haben, etwas leisten zu können. Dieses Sparen gilt es stärker zu unterstützen. Nur drei Gründe seien genannt:

Erstens: Vermögensbildung. Haushalte, die im Eigentum wohnen, haben bei gleichem Arbeitseinkommen im Rentenalter deutlich mehr Vermögen als Mieterhaushalte – im Schnitt das Fünffache, rund 200.000 im Vergleich zu 40.000 Euro. Eigentümerhaushalte sparen einfach mehr.

Zweitens: Zukunftsvorsorge. Rentnerhaushalte im Wohneigentum sparen im Schnitt mehr als ein Drittel ihrer gesetzlichen Rente – monatlich 670 Euro. Mietfreies Wohnen im Alter wirkt wie eine steinerne Zusatzrente. Dabei ist Wohneigentum die einzige Form der Altersvorsorge, die man schon in jungen Jahren genießen kann.

Drittens: Generationenvorsorge. Fast drei Viertel der an die nächste Generation vererbten Vermögen beziehen sich auf Ein- und Zweifamilienhäuser.

 

Herausforderung demografischer Wandel

 

Durch die demografische Entwicklung gerät die gesetzliche Rente ab 2030 zunehmend unter Druck. 2050, wenn die heute neu geborenen Kinder knapp dreißig Jahre alt sind, wird das massiv spürbar sein. Die Politik muss rechtzeitig gegensteuern, sonst läuft sie Gefahr, die Freiheitsrechte künftiger Generationen zu beschneiden. Gegensteuern meint: auch durch Stärkung der privaten Zusatzvorsorge.

Viele Menschen sind nicht in der Lage, auf zwei Wegen gleichzeitig privat vorzusorgen: mit einer Geldrente und einer Eigenheimrente in Form der ersparten Miete. Der hohe Wert, den das Wohneigentum für den Einzelnen und die Gesellschaft hat, sollte deshalb für die Politik nur einen Schluss zulassen: Die Eigenheimrente muss eine frei wählbare und gleichberechtigte Alternative zur Geldrente bleiben.

 

Christian König, geboren 1974 in Neunkirchen-Seelscheid, Hauptgeschäftsführer, Verband der Privaten Bausparkassen e.V.

 

1 Hans-Peter Schwarz: „Katastrophe und Renaissance der deutschen Eigentumsgesellschaft“, in: Schwäbisch-Hall-Stiftung (Hrsg.): Kultur des Eigentums, Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 2006, S. 109–116.

2 Hans D. Barbier: „Wenn das Eigentum fällt, so muß der Bürger nach“, in: a. a. O., S. 3–7.

3 Alexander Demling: „Hort der Spießer, Traum der Hipster“, in: Der Spiegel, 04.03.2013, www.spiegel. de/wirtschaft/soziales/der-traum-vom-eigenheimwir-sind-jetzt-alle-bausparer-a-885941.html [letzter Zugriff: 08.11.2021].

4 „Einparteienhäuser sorgen für Zersiedelung“. Interview von Valerie Höhne und Jonas Schaible mit Anton Hofreiter, Der Spiegel, 7/2021, 12.02.2021, www.spiegel.de/politik/deutschland/anton-hofreiterich-finde-es-richtig-dass-die-gemeinde-enteignendarf-a-00000000-0002-0001-0000-000175304168 [letzter Zugriff: 08.11.2021].

5 Frank Drieschner: „‚Einfamilienhaus‘: Schon der Begriff ist falsch“, in: Die Zeit, 02.03.2021, www.zeit.de/hamburg/2021-03/eigenheimdebatteeinfamilienhaus-gruene-cdu-klimaschutz [letzter Zugriff: 08.11.2021].

6 Jan Kahlcke: „Geschoss statt Minischloss“, in: taz, 08.02.2021, https://taz.de/Gruene-gegen-weitereEinfamilienhaeuser/!5746630/ [letzter Zugriff: 08.11.2021].

7 Alexander Neubacher: „Traumhaus ade“, in: Der Spiegel, 06.02.2021, www.spiegel.de/politik/deutschland/hamburg-gruene-verbieteneinfamilienhaeuser-traumhaus-ade-kolumne-a00000000-0002-0001-0000-000175196783 [letzter Zugriff: 08.11.2021].

8 „Wie und wo wollen junge Menschen mit 30 wohnen und leben? Umfrage unter 14- bis 19-Jährigen zeigt überraschende Trends“, Forsa-Umfrage 2021 durch Institut für Zukunftspolitik im Auftrag des Verbands der Privaten Bausparkassen, 12.05.2021, www.bausparkassen.de/blog/2021/05/12/wie-undwo-wollen-junge-menschen-wohnen-und-leben/ [letzter Zugriff: 08.11.2021].

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