Einem Forscherteam unter der Leitung von Shoukhrat Mitalipov an der Oregon Health and Science University ist, so der im Mai 2013 veröffentlichte Forschungsbericht in der renommierten Fachzeitschrift Cell, erstmals das Klonen mit menschlichen Zellen gelungen. Dabei kam das Verfahren des sogenannten somatischen Zellkerntransfers (SCNT) zum Einsatz – die gleiche Methode, die in den 1990er-Jahren zum berühmten Klonschaf Dolly führte. Die amerikanische Forschergruppe entfernte die Zellkerne aus menschlichen Eizellen und ersetzte sie durch fremde Zellkerne, die aus menschlichen Hautzellen gewonnen worden waren. Aus den sich entwickelnden Embryonen konnten erfolgreich embryonale Stammzellen isoliert werden.
Beim Klonen wird zwischen dem sogenannten „reproduktiven“ und dem „Forschungsklonen“, das euphemistisch auch als „therapeutisches Klonen“ bezeichnet wird, unterschieden. Das reproduktive Klonen zielt darauf ab, ein Individuum entstehen zu lassen, das genetisch größtenteils dem Zellkernspender gleicht. Es entsteht ein – zeitlich versetzter – Zwilling. Das Klonschaf Dolly war ein solcher Zwilling. In der Tierzüchtungsforschung und zum Beispiel auch in der Entwicklungsbiologie ist das reproduktive Klonen von Tieren durchaus eine sinnvolle, nützliche und ethisch vertretbare Methode – beim Menschen jedoch nicht! Die große Mehrheit der Biowissenschaftler lehnt daher das reproduktive Klonen von Menschen strikt ab und befindet sich damit in Übereinstimmung mit Ethikern, Juristen, Politikern und Kirchen weltweit.
Shoukhrat Mitalipov und sein Team betreiben Forschungsklonen – reproduktives Klonen liegt ihnen fern. Das Forschungsklonen mit menschlichen Zellen eröffnet eine neue Möglichkeit der Herstellung von patienten- und krankheitsspezifischen embryonalen Stammzellen, die in der biomedizinischen Grundlagenforschung nützlich sein können. Ob das tatsächlich der Fall sein wird, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden, da es andere, ethisch nicht so bedenkliche Wege gibt, nämlich die Verwendung von sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen. Sie sind aus ethischer Sicht der bessere Weg, weil zu ihrer Herstellung keine Embryonen verbraucht werden.
Kritische Zurückhaltung
Bisher gelang das Klonen nur im Tiermodell, unter anderem mit Mäusen, Schafen, Rindern, Pferden und Hunden – nicht aber mit menschlichen Zellen. Dass das Klonen mit menschlichen Zellen nun offensichtlich doch endlich gelungen ist, ist sicherlich ein wichtiger Schritt für die medizinisch orientierte Forschung. Der große Jubel blieb jedoch aus. Selbst in Wissenschaftlerkreisen gab es nur ein verhaltenes Echo.
Die kritische Zurückhaltung resultiert wohl zum Teil aus den negativen Erfahrungen mit dem südkoreanischen Forscher Hwang Woo-suk, der 2004 verkündet hatte, ihm sei das Klonen von Menschen gelungen. Dessen Arbeit stellte sich aber als Fälschung heraus. Inzwischen gibt es auch in der aktuellen Veröffentlichung der amerikanischen Forschergruppe Hinweise auf unkorrektes Arbeiten. Durch Betrug, wie bei Hwang, aber auch durch leichtsinnige Fehler wie im aktuellen Fall geht Vertrauen verloren.
Begründete Skepsis hat sich auch angesammelt, weil von den Biowissenschaften Heilungsversprechen bisweilen zu Heilsversprechen hochstilisiert worden sind, was die Forschung freilich nicht legitimiert, sondern diskreditiert. Hauptgrund für den kritischen Unterton in der öffentlichen Reaktion sind aber die ethischen Bedenken, auf die das Klonen mit menschlichen Zellen stößt.
Forschungsklonen nicht erlaubt
Zentraler Bezugspunkt für die ethische Bewertung ist die Würde, die jedem Menschen unabhängig von bestimmten Eigenschaften und unabhängig von der jeweiligen Lebensphase zukommt. Aus ihr folgt ein Instrumentalisierungsverbot, das heißt, kein Mensch, auch nicht im frühen embryonalen Stadium, darf ausschließlich zu fremden Zwecken benutzt werden. Das ist jedoch beim Forschungsklonen der Fall: Es wird ein Embryo erzeugt, der ausschließlich der Gewinnung von Stammzellen zu Forschungszwecken dient und bei diesem Verfahren getötet wird. Unter der durch das Verfassungsrecht gestützten Auffassung, dass bereits die befruchtete Eizelle dem grundgesetzlich garantierten Würdeschutz unterliegt, verstößt das Forschungsklonen mit menschlichen Zellen gegen die Menschenwürde und ist damit ethisch nicht legitimierbar.
Tun oder unterlassen?
Die Abschätzung der Chancen und Risiken fällt nicht immer leicht. Man könnte auf die Idee kommen, die biowissenschaftliche Forschung am Menschen und ihre Anwendungen generell zu verbieten, um ein für alle Mal eventuelle Risiken, die mit ihr verbunden sind, auszuschließen und den Lebensschutzgedanken damit zu sichern. Ein generelles Verbot ist jedoch keine vernünftige und ethisch gebotene Lösung: Indem Forschung, die für den Menschen nützlich sein könnte, aufgrund eventuell nur vordergründiger und nicht substanzieller Argumente verhindert wird, kann Menschen Schaden – durch Unterlassung – zugefügt werden. Besonders im biomedizinischen Bereich hätte dies unter Umständen schwerwiegende Folgen für Gesundheit und Leben von Menschen – beides wichtige Fundamentalwerte. Es bleibt also nur der Weg, im Einzelfall über die ethisch-rechtliche Zulässigkeit biomedizinischer Forschung zu entscheiden. Notwendig ist eine feinere Differenzierung zwischen dem Nützlichen und Guten einerseits und dem Überflüssigen und Schlechten andererseits.
Die aktuellen Forschungsergebnisse von Shoukhrat Mitalipov und seiner Arbeitsgruppe zeigen die große Dynamik der Biowissenschaften. Auch künftig ist mit brisanten Forschungsergebnissen zu rechnen, die über das rein Fachliche hinaus Wirkung entfalten und die Gesellschaft insgesamt betreffen. Es stellt sich die Frage, ob wir auf diese Entwicklung ausreichend vorbereitet sind.
Handlungsfelder
Das Forschungsklonen mit menschlichen Zellen ist in Deutschland verboten. Neben den verfassungsrechtlichen Vorgaben lässt das Embryonenschutzgesetz das Klonen von Menschen und das Stammzellgesetz die Einfuhr und die Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen, die durch Forschungsklonen im Ausland hergestellt werden, nicht zu. Allerdings droht das Embryonenschutzgesetz aufgrund neuerer Forschungsergebnisse zunehmend ausgehöhlt zu werden, sodass rechtliche Schlupflöcher entstehen könnten. Hier sollte der Gesetzgeber Klarheit schaffen.
Auf der internationalen Ebene ist es dringend geboten, das reproduktive Klonen von Menschen völkerrechtlich verbindlich zu verbieten. Die Gefahr eines Dammbruchs ist durch die Forschungsergebnisse von Shoukhrat Mitalipov gewachsen, da die dort angewandte Technik des somatischen Zellkerntransfers auch für das reproduktive Klonen von Menschen genutzt werden kann. Ein völkerrechtlich verbindliches Verbot kann zwar nicht verhindern, dass etwa in einem „Schurkenstaat“ solche verwerflichen Experimente versucht werden, erhöht aber die moralisch-rechtliche Schwelle erheblich und isoliert den Täter.
Norbert Arnold, geboren 1958 in Waldbrunn, Leiter des Teams Gesellschaftspolitik und Koordinator für Wissenschaft, Forschung und Technologie, Hauptabteilung Politik und Beratung, Konrad-Adenauer-Stiftung.