Lange Zeit war es in Deutschland Common Sense, dass alle deutschen Universitäten gleichwertig seien. Relevante Unterschiede zwischen den Einrichtungen beziehungsweise auf Fächerebene wurden negiert. Diese Einschätzung wurde und wird zunehmend kritisch hinterfragt – nicht erst, seit die Ergebnisse des Exzellenzwettbewerbs vorliegen.
Nach zahlreichen Neugründungen, vor allem von Einrichtungen in privater Trägerschaft, gibt es 2013 in Deutschland 421 Hochschulen, davon 108[1] Universitäten, ferner die vormals als Fachhochschulen bezeichneten Einrichtungen, für die sich nun die Bezeichnung „Hochschulen für angewandte Wissenschaften“ durchsetzt, sowie Kunsthochschulen, Pädagogische und Theologische Hochschulen. Bei einem Angebot von derzeit mehr als 16.000 Studienmöglichkeiten[2] benötigen Abiturienten und andere Studieninteressierte solide Informationen für ihre Studienwahl an einer bestimmten Hochschule. Nachwuchswissenschaftler bedürfen zur Planung der ersten Karriereschritte Kenntnisse in Profilen und Leistungsstärken, und für Vertreter aus Industrie und Verbänden sind diese Kenntnisse wertvoll, wenn sie sich für den Aufbau neuer Kooperationen ein Bild machen wollen. Wissenschaftler in Deutschland und jenseits unserer Grenzen, die ihre Karriere an einer deutschen Hochschule fortsetzen möchten, kennen dagegen in der Regel ihre Fachkollegen und deren Arbeitsumfeld hinreichend gut. Sie haben meist ein sehr klares Bild, welche Hochschule ihnen beste Entfaltungsmöglichkeiten bieten kann.
Wer bewertet was?
Damit stellt sich nun die Frage, welche Informationsquellen die „richtigen“ sind. Für die jeweiligen Zwecke stehen unterschiedliche Wege offen, wobei seit einigen Jahren die Rankings auf breite Aufmerksamkeit stoßen. Insbesondere an den Bedürfnissen der Bewerber um einen Studienplatz an einer Universität oder Hochschule in Deutschland orientiert sich das Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Das QS World University Ranking, das Times Higher Education (THE) Ranking und das Shanghai-Ranking haben dagegen eine internationale Perspektive. Der von den Regierungen des Bundes und der Länder getragene Wissenschaftsrat hat mit dem Rating ein eigenes fachspezifisches Bewertungssystem entwickelt und im Jahr 2007 beziehungsweise 2008[3] erstmals anhand der Fächer Chemie und Soziologie erprobt. Auf Fächergruppenebene (Geistes- und Sozialwissenschaften, Lebenswissenschaften, Naturwissenschaften sowie Ingenieurwissenschaften) können wichtige Daten zur Forschungsstärke den jährlich publizierten Statistiken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) entnommen werden.[4] Die Veröffentlichungen der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) wiederum geben Hinweise auf die Einschätzung der Universitäten im Ausland – anhand der Zahlen von Gastwissenschaftlern, die zu einem Forschungsaufenthalt an eine deutsche Hochschule kommen.
Was bedeuten nun diese Kategorien – Ranking und Rating? Wie aussagefähig sind sie und in welcher Beziehung stehen die Ergebnisse zu den Erfolgen im Exzellenzwettbewerb? Wie werden die Ergebnisse von Rankings und Ratings eingeschätzt, wem nutzen diese Informationen und welcher Kritik unterliegen sie?
Die Rankings
Rankings sind das Ergebnis von Analysen, wesentlich gestützt auf Umfragen bei Fachkollegen oder Meinungsbildnern. Rankings berücksichtigen aber auch Angaben zur Ausstattung (zum Beispiel in der Lehre) oder die Forschungsleistungen, etwa anhand der Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Beispielhaft hierfür sei das Shanghai-Ranking genannt, das weltweit die Forschungsexzellenz von Universitäten vergleicht. Wichtige Entscheidungskriterien sind die Anzahl von publizierten Artikeln in den Zeitschriften Science und Nature sowie im Web of Science gelistete wissenschaftliche Veröffentlichungen. Ein weiteres Kriterium ist die Zahl der Nobelpreisträger. Die Technische Universität (TU) München wurde 2012 als beste deutsche Universität eingestuft, sie belegt weltweit Platz 53 des Shanghai-Rankings. Ein anderes Ranking mit internationaler Ausrichtung ist das QS World University Ranking. Spitzenplätze belegen regelmäßig amerikanische und britische Universitäten, 2012 nahmen sechs US-amerikanische und vier britische Universitäten die Plätze 1 bis 10 im QS-Ranking ein. Als erste deutschsprachige Universität folgte auf Rang 13 die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich, als beste deutsche Universität erreichte die TU München erneut Platz 53. Bei dem THE-Ranking liegen das California Institute of Technology, Oxford und Stanford an der Spitze. Beste deutsche Universität ist mit Rang 48 die Ludwig-Maximilians-Universität München. Das THE-Ranking erlaubt auch einen Blick auf Fächergruppen. Für die Geisteswissenschaften nimmt die Freie Universität Berlin mit Platz 25 einen sehr guten Platz und den Spitzenplatz der Universitäten in Deutschland ein. Befragt werden für das THE-Ranking über 17.500 Wissenschaftler, nicht aber Studierende.
Von den internationalen Rankings abzugrenzen sind die nationalen. Das Centrum für Hochschulentwicklung, wesentlich getragen von der Bertelsmann Stiftung, möchte mit dem CHE-Ranking Studienbewerbern die Identifizierung der individuell besten Universität oder Hochschule erleichtern. Studiensituation, Forschungsleistungen und das Ansehen bei Fachkollegen werden für größere Fächer alle drei Jahre erhoben und die Ergebnisse in der Wochenzeitung Die Zeit publiziert.
Resonanz und Kritik
Mit der Publikation der Rankings in Deutschland, zum Beispiel in großen Zeitungen, und deren breiter Resonanz ist aber schnell auch grundsätzliche Kritik an den Ergebnissen der Rankings geäußert geworden. Diese Kritik bezieht sich auf die begrenzte Aussagefähigkeit von Daten. Befragt werden nur wenige, teilweise nicht mehr als fünfzehn Meinungsbildner je Fach und Universität, deren Auswahl vielfach nicht offengelegt wird. Auch die Zahl der in die Untersuchung einbezogenen und sich mit der Ausfüllung des Fragebogens tatsächlich beteiligenden Studierenden ist nicht selten eher klein – insbesondere in Fächern mit geringen Studierendenzahlen. Unzureichende Stichprobengröße, der bei Studierenden oft aufgrund der geringen Zahl absolvierter Semester nur begrenzte Überblick über den gesamten Studiengang und eine zumeist auf die eigene Universität beschränkte eigene Anschauung lassen die Ergebnisse angreifbar erscheinen. Universitätsleitungen und Universitätsverwaltungen wiederum kritisieren den enormen Aufwand an Personal und Zeit, um die abgefragten Daten zu liefern, ferner werden unzureichende Informationen über die Nutzung und Speicherung der übergebenen Informationen beklagt. Daher hat beispielsweise die Universität Hamburg beschlossen, sich in Zukunft nicht mehr an Rankings zu beteiligen. Daneben empfehlen auch mehrere wissenschaftliche Verbände, nicht (mehr) am CHE-Ranking teilzunehmen. Einzelne Fachbereiche an verschiedenen Universitäten haben sich daraufhin nicht mehr an der Datenerhebung beteiligt.
Andernorts werden Rankings durchaus geschätzt. So dienen in Großbritannien League Tables, wie der seit 2007 jährlich veröffentlichte Complete University Guide, den Studieninteressenten als Entscheidungshilfe. In den Niederlanden publiziert das Centrum Hoger Onderwijs Informatie (CHOI) Ranglisten, und für Österreich und die Schweiz erstellt das CHE angepasste Rankinglisten – aber auch Letztere sind nicht unumstritten. So hat die Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten 2007 beschlossen, sich nicht mehr zentral an den CHE-Rankings zu beteiligen. Seitdem entscheidet jede Universität selbst über die Teilnahme.
Rating und Berichte
Der Wissenschaftsrat möchte mit dem von ihm initiierten Rating Universitätsleitungen unterstützen. Die detaillierte Analyse der Leistungsfähigkeit von einzelnen Fächern durch Peers, das heißt renommierten Fachkollegen, berücksichtigt dabei die Eigenheiten des jeweiligen Faches; bei den Ingenieurwissenschaften werden beispielsweise Patente erfasst. Das Urteil der fachspezifischen, international besetzten Bewertungsgruppen fußt auf quantitativen und qualitativen Kriterien aus den Bereichen Forschung (Qualität, Impact, Effizienz), Nachwuchsförderung und Wissenstransfer und zeigt in seiner Komplexität das Profil eines Faches. Dieser sehr aufwendige Ansatz trägt wahrscheinlich der Komplexität der Frage und der daraus folgenden schwierigen Bewertung am besten Rechnung.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Alexander von Humboldt-Stiftung und der Deutsche Akademische Austauschdienst publizieren Jahresberichte über ihre Aktivitäten. Die DFG informiert regelmäßig über ihre Förderung der Universitäten, aufgeschlüsselt nach Fächergruppen und Förderinstrumenten, wie den großen Sonderforschungsbereichen, den kleineren und stark fokussierten Forschergruppen und den Graduiertenkollegs.
Förderranking der DFG-Bewilligungen
| Geistes- / Sozialwissenschaften | Lebenswissenschaften | Naturwissenschaften | Ingenieurswissenschaften |
| Berlin FU 94,6 | München LMU 113,7 | Bonn U 68,0 | Aachen 160,6 |
| Berlin HU 55,7 | Freiburg U 107,9 | München TU 62,9 | Darmstadt TU 84,6 |
| Münster U 50,2 | Heidelberg U 107,9 | München LMU 62,1 | Karlsruhe KIT 83,6 |
| Konstanz U 41,1 | Würzburg 96,5 | Hamburg U 51,4 | München TU 74,0 |
| Heidelberg U 40,5 | Berlin HU 87,0 | Heidelberg 45,4 | Stuttgart U 66,6 |
Absolute DFG-Bewilligungssummen 2008 bis 2010 in Millionen Euro. Quelle: DFG-Förderatlas 2012
Erstmals im Jahre 2012 wurde von der DFG auch die Performance weiblicher und männlicher Wissenschaftler mehrerer Universitäten vergleichend untersucht. Bei dieser Analyse nahm die Freie Universität Berlin den vordersten Platz ein. Dies ist wahrscheinlich Ausdruck des Stellenwerts, den Frauenförderung seit Mitte der 1980er-Jahre an dieser Universität besitzt.
Exzellenzwettbewerb deutscher Universitäten
2004 wurde von der damaligen Wissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn die Exzellenzinitiative ins Leben gerufen, um „Leuchttürme“ der Wissenschaft zu schaffen. Davon wurde eine höhere Attraktivität der ausgezeichneten Universitäten für besonders qualifizierte Nachwuchswissenschaftler und hochrangige, erfahrene Wissenschaftler erwartet, die mit ihrer Tätigkeit an einer deutschen Universität zur Entwicklung am Standort Deutschland wesentlich beitragen können. 2006/2007 haben neun deutsche Universitäten nicht nur große Forschungscluster und Graduiertenschulen einwerben können, sondern sind auch für ihr Entwicklungskonzept mit dem „Exzellenzstatus“ ausgezeichnet worden. Von diesen haben sechs Universitäten den Status 2012 erfolgreich verteidigt, weitere fünf Universitäten kamen neu hinzu. In der zweiten Runde wurden die RWTH Aachen, die Freie Universität Berlin, die Humboldt-Universität zu Berlin, die Universität Bremen, die Technische Universität Dresden, die Universität Heidelberg, die Universität Köln, die Universität Konstanz, die Ludwig-Maximilians-Universität München, die Technische Universität München sowie die Universität Tübingen als Exzellenzuniversitäten ausgezeichnet (Quelle: DFG).
In den Jahren 2007 bis 2011 gehörten zu den zehn begehrtesten Zielen von Wissenschaftlern, deren Forschungsaufenthalt in Deutschland von der Alexander von Humboldt-Stiftung gefördert wurde, sechs Universitäten, die den Exzellenzstatus in den Jahren 2006/2007, sowie zwei Universitäten, die diesen Status 2012 erlangt haben. Insofern scheint das Ziel der internationalen Sichtbarkeit erreicht.
Obgleich vielfach geleugnet, profitieren auch die Studierenden von den Ressourcen, die aus der Exzellenzinitiative stammen, beteiligen sich doch die zahlreichen aus Exzellenzmitteln zusätzlich eingestellten Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Lehre.
Universitäten und Forschungseinrichtungen
Wie weit ein weiteres Ziel der Exzellenzinitiative erreicht wird, nämlich der „Versäulung“ entgegenzuwirken, muss die Zukunft zeigen. Ein wesentlicher Grund für das vergleichsweise schlechte Abschneiden deutscher Universitäten im internationalen Vergleich ist nämlich die Besonderheit, dass in Deutschland ein wesentlicher Teil der Forschung an außeruniversitären Einrichtungen stattfindet, beispielsweise die Grundlagenforschung an Instituten der Max-Planck-Gesellschaft, die an Großgeräte gebundene Forschung an Instituten der Helmholtz-Gemeinschaft, angewandte Forschung an Fraunhofer-Instituten und weitere interdisziplinäre Forschung an Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft.
Zwar gibt es Initiativen mit dem klaren Ziel, die Versäulung zu überwinden, doch ist der Erfolg noch nicht abschließend zu beurteilen. Die in der ersten Periode des Exzellenzwettbewerbs erfolgreiche Universität Karlsruhe wurde mit dem Forschungszentrum Karlsruhe zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) verschmolzen. Die Charité – Universitätsmedizin Berlin, ein im Exzellenzwettbewerb höchst erfolgreicher gemeinsamer Fachbereich der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin, wird künftig noch enger mit dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin kooperieren. Dem dient das in Entstehung befindliche Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIG). Das Forschungszentrum Karlsruhe und das Max-Delbrück-Centrum sind Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft. Welche bürokratischen Hemmnisse im Alltag zu überwinden sind und wie intensiv die erhofften Synergien sein werden, die mit den neuen Einrichtungen verbunden sind, wird sich erweisen. Zweifellos eröffnet die Gründung des BIG erhebliche Chancen für die biomedizinische Forschung und verwandte Gebiete am Standort Berlin.
Ein Ausblick
Bis zum Ende der Exzellenzinitiative im Jahr 2017 werden insgesamt 4,6 Milliarden Euro den ausgezeichneten Universitäten für ihre erfolgreichen Anträge zur Stärkung von Forschung, Nachwuchsförderung und internationaler Sichtbarkeit zufließen. Dennoch bleiben die deutschen Hochschulen im internationalen Vergleich erheblich unterfinanziert. Ein wesentlicher Teil der Forschungsgelder fließt an außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Studiengebühren werden in vierzehn der sechzehn Bundesländer nicht erhoben, in den beiden anderen steht die Abschaffung bevor. Dabei konkurrieren die deutschen Universitäten mit international herausragenden Einrichtungen, die wesentlich besser finanziert werden, auf erhebliches Eigenkapital zurückgreifen können (zum Beispiel Harvard, Stanford) und teilweise hohe Studiengebühren fordern, wie jetzt auch die britischen Universitäten. In Asien wird weitere Konkurrenz erwachsen.
Den Studieninteressenten mag der Blick in das CHE-Ranking einen ersten Überblick über die Wahl des Studienortes liefern, der durch weitere Recherchen im Internet vertieft werden sollte. Online verfügbare Vorlesungsverzeichnisse ermöglichen einen detaillierteren Einblick in die Ausrichtung eines Faches und zeigen, ob und welche individuellen Schwerpunkte im Studium gesetzt werden können. Abgesehen von den stark geregelten Staatsexamensstudiengängen, insbesondere der Human- und Veterinärmedizin sowie der Pharmazie, können die Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften ihre Ausrichtung relativ frei definieren. Dieses Wissen sollte anschließend durch den Besuch der im Einzelfall interessant erscheinenden Standorte, Gespräche mit Studierenden und Teilnahme an einer Studienberatung zur Entscheidungsfindung abgerundet werden. Eine Hilfestellung bei der Studienentscheidung können auch Online-Self-Assessments bieten, die in zunehmender Zahl angeboten werden.
Wissenschaftler – erfahrene und Nachwuchswissenschaftler gleichermaßen – werden aber sicher mehr von Ratings und den Veröffentlichungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Alexander von Humboldt-Stiftung profitieren.
Monika Schäfer-Korting, geboren 1952 in Gießen, Professorin für Pharmakologie, seit Juni 2010 Erste Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin.
[1] Stand: 2011/12; Statistisches Bundesamt.
[2] Hochschulrektorenkonferenz, Statistische Daten zu Studienangeboten an Hochschulen in Deutschland – Studiengänge, Studierende, Absolventen im Wintersemester 2012/2013, Statistiken zur Hochschulpolitik, November 2012.
[3] Wissenschaftsrat, Empfehlungen zum Forschungsrating, Rostock 2008.
[4] Deutsche Forschungsgemeinschaft, Förderatlas 2012. Kennzahlen zur öffentlich finanzierten Forschung in Deutschland, Bonn 2012.