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Eine hundertjährige Konjunkturtheorie gibt aktuelle Aufschlüsse

Ludwig von Mises: Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel. Unveränderter Nachdruck der zweiten, neubearbeiteten Auflage von 1924, Duncker & Humblot, München und Leipzig 2005, Seiten 472, 475 bis 476.

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Im Jahr 1912 entwickelte der Ökonom Ludwig von Mises (1881 bis 1973) die monetäre Konjunkturtheorie der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Mit ihr konnte er zeigen, dass die Ausgabe von neuem, durch Bankkredite geschaffenem Geld zwar zunächst einen Aufschwung („Boom“) auslöst. Solch ein Boom ist aber nur ein „Strohfeuer“, ein „Scheinaufschwung“, und mündet früher oder später in einen Abschwung („Bust“).

Der Grund dafür ist, dass die Ausgabe von Kreditgeld eine Reichtumsillusion verursacht, Unternehmen zu Fehlinvestitionen verleitet und das Finanzsystem und die Wirtschaft letztlich unter einer übermäßigen Verschuldung zusammenbrechen lässt. Seine monetäre Konjunkturtheorie ließ Mises bereits 1924 vom Herannahen einer „großen Krise“ sprechen. Die gab es dann tatsächlich, als nämlich 1929 die „Große Depression“ erst die Vereinigten Staaten von Amerika und nachfolgend die Weltwirtschaft heimsuchte.

 

Tragischer Fehlschluss

Heute ist Mises’ Theorie – die vor allem von seinem bekanntesten Schüler, Friedrich August von Hayek (1899 bis 1992) weiterentwickelt wurde – mehr oder weniger in Vergessenheit geraten. Das erklärt wohl auch, warum das Absenken der Zinsen und das Ausweiten der Geldmengen durch die staatlichen Zentralbanken nicht als Ursache der Finanz- und Wirtschaftskrise, sondern als Krisenheilmittel gesehen werden. Aus Sicht der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ist das ein geradezu tragischer Fehlschluss. Denn diese Zentralbankpolitiken verhindern nicht nur, dass die Kapitalfehllenkungen, die durch den „Kreditgeldboom“ verursacht wurden, korrigiert werden, sondern sie verschlimmern sie noch. Vor allem die Verschuldungslasten steigen dabei weiter an. Dass die Volkswirtschaften auf diese Weise in eine immer instabilere Situation gebracht werden, dass die Krisen immer dramatischer werden, wird jedoch meist durch die Geldmengenflut, begleitet von Rekordtiefzinsen, vernebelt und lässt sich aus offiziellen Statistiken meist nicht ohne Weiteres ablesen.

 

„End the Fed!”

Die Abfolge von „boom-and-bust“ und der damit einhergehende chronische Geldwertschwund zerstören die Marktwirtschaft. Aus dieser Entwicklung gibt es nur einen Ausweg: Das staatliche Geldmonopol und mit ihm die Zentralbanken müssen abgeschafft werden. Solch einer Politinitiative hat der ehemalige amerikanische Kongressabgeordnete Ron Paul im Jahr 2009 besonderen Schwung verliehen. In den Vereinigten Staaten lautet sie: „End the Fed!“. Nach Pauls Vorschlag soll die amerikanische Federal Reserve ihr Geldmonopol verlieren, und die freien Märkte sollen über Art und Qualität des amerikanischen Geldes entscheiden. Der Vorschlag, nicht auf staatliche Zentralbanken, sondern auch auf die produktiven Kräfte des freien Marktes zu setzen, um „gutes Geld“ zu erlangen, mag für viele noch zu unvertraut klingen und zu viel Argwohn auslösen, als dass daraus unmittelbar politischer Gestaltungselan entstehen könnte.

Doch wenn das Zentralbankwesen weitergeführt wird, werden die Menschen seine schädlichen Wirkungen noch stärker als bisher spüren: in Form von schweren Wirtschaftskrisen und Enteignung der Ersparnisse durch Inflation. Spätestens aber dann, wenn viele die wirkliche Ursache der Misere erkennen – dass also das Zentralbankwesen die Übelstände verursacht und nicht das System der freien Märkte –, könnte auch im Euroraum ein Ruf laut werden, der lautet: „End the ECB!“

Mises hatte übrigens bereits 1912 vor der zerstörerischen Wirkung des Zentralbankwesens gewarnt – und das noch zu einer Zeit, als Gold weltweit noch das Geld war. Er hatte die Gefahr einer Kartellierung, Zentralisierung der nationalen Zentralbankpolitiken, mit schlimmen Folgen, vor Augen: „Die einzige Weltmittelumlaufsbank oder das Weltkartell der Umlaufsmittelbanken werden es in der Hand haben, die Umlaufsmittelzirkulation schrankenlos zu vermehren.“


Thorsten Polleit, geboren 1967 in Münster, seit April 2012 Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH, war Ökonom im internationalen Investment-Banking in London, Amsterdam und Frankfurt und ist seit 2003 Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management, Frankfurt am Main. Seit Oktober 2012 ist er Präsident des Ludwig von Mises Instituts Deutschland.

Dieser Beitrag basiert auf einer Veröffentlichung vom 11. März 2013 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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