Der „ländliche Raum“ ist eine der entscheidenden Stärken Deutschlands. Viele kleinere und mittelständische Unternehmen haben hier ihren Sitz, darunter zahlreiche genossenschaftlich organisierte Unternehmungen im Kreditsektor, im Handel, in der Landwirtschaft und im Gewerbe.
Ländliche Räume mit einem hohen Anteil an mittelständischen Unternehmen sind wirtschaftlich stärker und innovativer als urbane Strukturen. Es werden mehr junge Menschen ausgebildet, die Arbeitslosenzahl ist niedriger, die Beschäftigungslage besser und die Kaufkraft höher. Das geht aus einer in 2020 veröffentlichten Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen hervor. Die Folgen der Corona-Krise könnten diese positiven Ergebnisse noch verstärken.
Genossenschaften zeigen Chancen für nachhaltige Lösungen
Der ländliche Raum steht jedoch vor großen Herausforderungen – aufgrund des demografischen Wandels, der Abwanderung insbesondere junger Menschen, des Hausärztemangels oder der unzureichenden Versorgung von Wirtschaft und Bevölkerung mit leistungsfähigen Breitband-Kapazitäten. Nachhaltige Lösungen sind gefragt, damit die Menschen auch in Zukunft gut und gerne auf dem Land leben.
Regionen stärken – Zukunft auch in Krisenzeiten gestalten
Wesentlich für vitale regionale Wertschöpfungsketten sind die Kreditgenossenschaften. Ihr Fundament ist die oft langjährige Verbundenheit ihrer Mitglieder und Kund*innen. Auch beim wirtschaftlichen Krisenmanagement kommt den Genossenschaftsbanken eine tragende Rolle zu. So haben nach einer Erhebung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) die deutschen Genossenschaftsbanken 30 Prozent des Antragsvolumens der KfW-Corona-Hilfskredite gestemmt. Insgesamt 47.600 Anträge für Corona-Hilfsförderungen zählte der BVR in 2020.
Genossenschaften als Antwort auf Infrastrukturfragen
Genossenschaften übernehmen auch vielfältige infrastrukturelle Aufgaben. Das stellen sie Tag für Tag unter Beweis. Genannt seien: Ärztegenossenschaften und genossenschaftliche Ärztehäuser als Instrument gegen Ärztemangel, Internet-Breitbandausbau in genossenschaftlicher Regie, genossenschaftliche Potenziale in Mobilität, Energieversorgung und -effizienz durch Bürgergenossenschaften, Nahversorgung in Dorfläden und -gaststätten. Sieht man sie als Ganzes, sind sie ein Wirtschaftsriese – der kaum Schlagzeilen macht: Mehr als jeder fünfte Bundesbürger ist Mitglied in einer Genossenschaft – mit steigender Tendenz. Dass die Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft so leistungsfähig ist, zeigt sich auch an den seit Jahren anhaltenden Neugründungen: Begleitet werden sie von Berater*innen der Regionalverbände – von der „Idee bis zur eG“. Die Verbände prüfen die Einhaltung des Förderzwecks und die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells ihrer Mitgliedsgenossenschaften, wie die hohe Insolvenzsicherheit belegt: Die Genossenschaft ist die sicherste aller Rechtsformen.
Zahlreiche Gründungen im Bereich regenerativer Energien, im Pflege- und Gesundheitssektor, im Bildungsbereich oder zur Sicherstellung einer lebendigen Dorfkultur belegen, wie sehr das Modell Genossenschaft auf die Zukunft ausgerichtet ist. Im „Genossenschaftsverband – Verband der Regionen“ sind etwa 1.000 landwirtschaftliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften sowie Agrargenossenschaften organisiert, die überall in der Fläche moderne Arbeits- und Ausbildungsplätze anbieten.
Zusammenspiel von Bürgern, Kommune und Wirtschaft
Genossenschaften verfügen über Eigenschaften, die sie sehr flexibel und praxisorientiert auf Umbrüche und neue Herausforderungen reagieren lassen. In Anbetracht sehr rascher Veränderungszyklen in Wirtschaft und Gesellschaft ist das auch mit Blick in die Zukunft ein entscheidender Vorteil.
Manchmal liegen genossenschaftliche Lösungen näher als gedacht, doch es fehlt der entscheidende Anstoß, die zündende Idee oder die treibende Person vor Ort.
Ein Beispiel: Der Generationswechsel im deutschen Mittelstand ist in vollem Gange. Laut Kreditanstalt für Wiederaufbau beabsichtigen 260.000 Unternehmen bis Ende 2022, einen Nachfolger einzusetzen. Je länger die Corona-Krise andauert, desto mehr steigt das Risiko für Stilllegungen anstelle erfolgreicher Übergaben. Viele jüngere Menschen scheuen die alleinige Verantwortung. Mitarbeitergenossenschaften könnten in solchen Fällen eine sinnvolle Alternative sein. Doch auch die Politik ist hier gefordert. Die Vorteile von Genossenschaften müssen in den Ländern bekannter gemacht und vor Ort Mitstreiterinnen und Helferinnen gewonnen werden, die sich für Genossenschaften begeistern und sich einbringen.
Gemeinsam mehr erreichen
Der Vorteil für die Kommunen liegt klar auf der Hand. Dank genossenschaftlicher Lösungen werden sie nicht weiter belastet, im Gegenteil – sie werden oft administrativ und auch finanziell entlastet. Mit einer Reform des Gemeindewirtschaftsrechts und einer Hinlenkung[K1] des[LH2] Vergaberechts ist hier weiteres Potenzial für die Kommunen zu heben.
In einem erfolgreichen Zusammenspiel von Bürgerinnen, Kommune und Wirtschaft sind auch die örtlichen Volksbanken und Raiffeisenbanken gefragte Kooperationspartner, verfügen sie doch über kaufmännische Kompetenz und starke Netzwerke. Der Genossenschaftsverband kann genossenschaftliche Best Practice Beispiele einbringen, genossenschaftliche Lösungen mit den Akteuren vor Ort entwickeln und Gründungen begleiten. Genossenschaften bieten den Rahmen, gemeinsam mehr zu erreichen. Für mehr Lebensqualität im ländlichen Raum.