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Dominic Wunderlich/ Pixabay

Let‘s cool our earth conservatively

Ideen für eine konservative Klimapolitik

Der Klimawandel wird in den kommenden Jahren nicht mehr aus der alltäglichen Politik wegzudenken sein. Neben den Parteien werden andere Akteure die Diskussion maßgeblich bestimmen. Wie schafft man es jung, christdemokratisch und aktiv bei Fridays-for-Future zu sein?

Das Logo von „Extinction Rebellion“ ist eine stilisierte Sanduhr, in einem Kreis, der die Erde symbolisiert. Die Sanduhr steht für die Zeit. Sie läuft uns davon. Wir, die jungen Menschen, pochen darauf, sie zu nutzen: Unser aller Lebensraum steht auf dem Spiel. „Extinction Rebellion“ bedient sich radikaler Methoden, ruft zu zivilem Ungehorsam auf. Konservative Politik handelt aus, sucht nach Kompromissen. Das ist zeitraubend, und die Zeit drängt. Widersprechen ihre Prämissen einem konstruktiven und konsequenten Klimaschutz?

 

Kompass einer konservativen Klimaschutzpolitik

„Wut und Verblendung können in einer halben Stunde mehr niederreißen, als Klugheit, Überlegung und weise Vorsicht in hundert Jahren aufzubauen imstande sind“, so Edmund Burke in seinen 1790 erschienenen „Betrachtungen über die Französische Revolution“. Er warnt vor radikalen Veränderungen, spricht vom Erbe der Älteren, die die Gegenwart mit „Klugheit, Überlegung und weiser Vorsicht“ aufgebaut haben und plädiert für ein Band zwischen den Generationen: ein Vertrag zwischen den Erblassern, den Entscheidungsträgern und künftigen Generationen. Die Chancen künftiger Generationen zu wahren, gehört zur DNA christdemokratischen Handelns. Und der Erste, der das nicht nur moralisch oder religiös fasste, sondern politisch, war der „Father of conservatism“ Edmund Burke.

In der klimapolitischen Öffentlichkeit führen konservative Handlungsmaximen ein Schattendasein. Sie werden übertönt. Mit einer Ausnahme: Die „Bewahrung der Schöpfung“ ist in aller Munde – ein fast schon geflügeltes Wort. Bewahren, ein Ur-Anliegen konservativer Politik, meint jedoch nicht, an Überholtem festzuhalten. Es ist der Gegenpol zu revolutionären Veränderungen, es setzt auf Reformen. Konservative Reformpolitik ist rational und kontinuierlich, sie agiert mit Maß und Mitte. Die Welt wandelt sich, und die Politik muss es ihr gleichtun. Wie schon Franz Josef Strauß wusste: „Konservativ heißt, nicht nach hinten blicken, konservativ heißt, an der Spitze des Fortschritts marschieren“. Wenn es in der Fridays-for-Future-Bewegung einzelne Aktivisten gibt, die von einem „radikalen Systemwandel“ schwärmen, dann nur, weil die aktuelle Politik ihnen keine angemessenen Reformen anzubieten scheint. Reformen werden immer mehrheitsfähiger sein als Revolutionen. Die Annahme, die Klimaschutzbewegung sei im Kern radikal, ist nicht richtig. Kämpfen ihre Anhänger doch vehement gegen das radikalste aller Szenarien: den Klimawandel.

Schon jetzt übertreffen die Folgen des Klimawandels die wissenschaftlichen Prognosen. Seine Ausmaße sind existenziell bedrohlich, vergleichbar mit den Auswirkungen eines Asteroideneinschlags. Das ist keine hysterische Panikmache, es ist die nüchterne, ungeschönte Beschreibung eines Tatbestands, dem es zu begegnen gilt. Wir brauchen vernünftige Lösungen und beherzte Krisenmanager, die mit Vernunft agieren, die Weit- und Vorsicht walten lassen – klassisch konservative Eigenschaften.

 

Klimaschutz – Ein Querschnittsthema

„Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ lautete das Motto der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020. Die umwelt- und klimapolitischen Ziele des Programms waren der Schutz der Biodiversität, der Ausbau von erneuerbaren Energie, die Kreislaufwirtschaft und ein Europäisches Klimagesetz. Klimafreundliche Mobilität fand mit einem Satz Erwähnung. Selbstredend wurden die klimapolitischen Vorhaben von der COVID-19-Pandemie in den Schatten gestellt. Doch Klimaveränderungen pausieren nicht während einer Pandemie. Sie laufen weiter, verschärfen sich unaufhörlich. Genannt seien nur das Abschmelzen des arktischen Eises und der Andengletscher, Extremwettereignisse wie in Indien, Bangladesch und auf den pazifischen Inseln, steigende Meeresspiegel und extreme Dürren. Die Folgen sind Wanderbewegungen, Ressourcenknappheiten, Artensterben und im schlimmsten Fall sogenannte Klimakriege. Aus solchen Konflikten resultieren Fluchten, die auch die Interessenbereiche der Europäischen Union berühren. Doch im Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft findet sich kein Satz zu den gegenwärtigen Klimafolgen und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Europäische Union.

Deutschland hat sich gemeinsam mit Portugal (EU-Ratspräsidentschaft 1. Halbjahr 2021) und Slowenien (EU-Ratspräsidentschaft 2. Halbjahr 2021) auf eine Triopräsidentschaft mit entsprechendem Programm verständigt: ein nachhaltiger und vorausschauender Beschluss. Das Trioprogramm nennt das starke Ziel einer „Energieunion“ und eines gemeinsamen Energiemarkts; der Schwerpunkt liegt auf dem Übergang zur Klimaneutralität. Diese Ziele sind nicht unter dem Thema „Europäische Klimaneutralität“ subsumiert, sie werden beiläufig in anderen Abschnitten erwähnt. Möglicherweise ist damit die Absicht verbunden, dass klimatische Auswirkungen auch in allen politischen Ressort der Europäischen Union mitbedacht werden.

Konservative Politik zeichnet sich dadurch aus, dass sie einen Sachverhalt aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Das führt zwangsläufig zu der Frage, „Und wer soll das bezahlen?“ Hinter der Frage nach der Finanzierbarkeit verbirgt sich konservative Vorsicht, geht es doch um die Steuergelder der Bürger. Ähnlich lässt sich aus klimapolitischer Perspektive argumentieren: Auch hier geht es um den Besitz der Bürger – um unsere natürlichen Grundlagen. Bei aller Differenz – in der Finanz- und der Klimapolitik wird der Umgang mit endlichen Ressourcen verhandelt. Es ist also zutiefst konservativ, alle politischen Ideen und Initiativen unter dem Gesichtspunkt ihrer klimatischen Auswirkungen zu betrachten. In einigen Kommunen wird das heute schon so gehandhabt: Gemeinde- und Stadträte beziehen in jede Entscheidung über neue Vorhaben die ökologischen Auswirkungen ein. Würden wir, die Bürger, unseren Alltag genauso konsequent hinterfragen, wären wir einen Riesenschritt weiter. Wir wären also gut beraten, uns schon heute in allen Belangen zu fragen „Und was macht das mit dem Klima?"

Mit geschickter Handelspolitik kann die Europäische Union einen konsequenteren Klimaschutz partnerschaftlich umsetzen

Der Landwirtschaft, Teil des primären Wirtschaftssektors, dient sie doch der Lebensmittelerzeugung, kommt bei der Bekämpfung des Klimawandels enorme Bedeutung zu. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union ist ein sehr konkretes, einflussreiches Instrument auf internationaler Ebene. Die GAP-Förderung, die auch in Fragen des Klimaschutzes wirkungsvoll ist, bedarf zusätzlicher finanzieller Mittel. Sie müssten in dem von der Triopräsidentschaft stark beworbenen mehrjährigen Finanzrahmen verankert werden. Im Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist eine solche GAP-Reform verschriftlicht.

Die Landwirtschaft hat das Potential zur Klimaretterin. Die Bauern würden davon profitieren, wenn die Europäische Union den bisher freiwilligen Rahmen zur CO2-Bindung in der Landwirtschaft verbindlich gestalten würde. So ließe sich Anbaubiomasse mit der Nutzung von Abfall- und Reststoffen für die Energiegewinnung kombinieren. Man würde zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Vergärte Gülle produziert Energie und wird unter diesem Vergärungsprozess zu einem sehr guten Dünger. Es wird erneuerbare Energie produziert, und das Endprodukt wird in der Landwirtschaft weiterverwendet.

Eine starke bäuerliche Landwirtschaft in Europa verlangt eine ebenso starke Klimapolitik. Dafür bedarf es eines vermehrten europäischen Agrarprotektionismus, auch mittels eines CO2-Grenzausgleichs und besserer Kontrollen von Agrarimporten aus Drittländern: Länder, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind und ihre Agrarprodukte in die Union liefern möchten, sollen künftig eine Grenzausgleichsabgabe zahlen. Sie bemisst sich am CO2 Ausstoß bei Produktion und Transport der Waren in die EU. Die Idee eines solchen „Klimazolls“ stammt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ist als Schritt zur Umsetzung des „European Green Deal“ zu verstehen. Ein europäischer Klimazoll könnte in vielfacher Weise wirkungsvoll sein: Andere Akteure würden sich den Klimastandards der Europäischen Union anpassen. Die großen Unternehmen dieser Welt müssten ihre Produktion „notgedrungen“ klimafreundlicher gestalten, um dem Klimazoll zu entgehen. Auf den großen europäischen Wirtschaftsraum zu verzichten, wäre für sie keine Option. Die Methode, auf die Vernunft zu setzen, hat viele Befürworter: Unter Konservativen, genannt sei nur der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, aber auch in der Klimaschutzbewegung – einschließlich Fridays-for-Future. Auf dem EU-Sondergipfel Ende Juli 2020 wurde die Umsetzung der sogenannten CO2-Grenzausgleichssteuer auf den Weg gebracht: Sie soll nun ab 2023 in Kraft treten. Doch wie misst man den CO2-Fußabdruck eines Produkts, fragen sich Unternehmen und Umweltverbände gleichermaßen. Meines Erachtens liegt die „Beweislast“ nicht bei der Europäischen Union, sondern beim Produzenten, der seine Waren in die EU einführen möchte. Außerdem plädiere ich strikt gegen eine Sonderregelung für die Vereinigten Staaten. Nicht etwa aus einem antiamerikanischen Motiv heraus! Sondern angesichts der gewaltigen Methan- und Kohlenstoffdioxidemissionen auf der anderen Seite des Atlantiks.

 

Es braucht ein europäisches Klimagesetz!

Eine andere „Baustelle“ der Europäischen Union ist das Europäische Klimagesetz. Der Legislativvorschlag liegt dem Parlament, dem Rat und den entsprechenden Ausschüssen zur Prüfung vor. Dieser Rechtsakt soll das Ziel eines klimaneutralen Europa bis zum Jahr 2050 gesetzlich festlegen. Ideen, wie man dieses Ziel erreicht, gibt es, doch konkretisiert wurde bisher wenig. Die wichtige Zielvorgabe, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken, hat Eingang in den Vorschlag gefunden. Überlegenswert ist, noch ein Zwischenziel 2040 zu verabreden.

Und noch herrscht auch keine Einigkeit unter den 27 Partnern. Die osteuropäischen Länder bremsen. Allen voran Polen, das bei der Energiegewinnung vorrangig auf Kohle setzt. Doch gibt es Gründe, vorsichtig optimistisch zu sein. Denn die Klimaneutralität der Europäischen Union erfordert nicht die Klimaneutralität jedes einzelnen Staates. Es wird Länder geben, die sogar eine Klima-Negativität erreichen – also der Atmosphäre mehr CO2 entziehen, als sie produzieren. Wie auch immer: Müßiggang dürfen wir uns nicht erlauben. Wir brauchen das Europäische Klimagesetz, und es muss unbedingt verabschiedet werden!

Am Ende ist jedoch entscheidend, ob wir das Ziel des Pariser Abkommens erreichen, die von uns Menschen gemachte Erderwärmung unter 2 Grad zu senken. Noch besser: Wir schaffen 1,5 Grad, wie es inzwischen viele proklamieren. Unter ihnen auch Fridays-for-Future. Ob wir mit den Schritten zur Klimaneutralität, die Marke von 1,5 Grad schaffen, ist fraglich. Daher gilt es, die Zwischenschritte zur Klimaneutralität regelmäßig zu evaluieren und sich notfalls auf einen früheren Termin als 2050 zu einigen.

Konservative Klimapolitik ist im besten Falle so wie das Gießen einer Oase in der Wüste: Man gibt immer nur so viel Wasser, wie die Oase braucht. Sonst würde der Gießende seine Lebensgrundlage zerstören. Er darf nie die Kontrolle über den Wasserstand verlieren. Denn wenn er zu viel gießt, bleibt ihm nichts mehr zum Leben, er verdurstet. Und das wäre schlicht unvernünftig.

 

Cedric Röhrich ist Schüler, aktiv bei Fridays-for-Future und Mitglied der Christlich Demokratischen Union Deutschlands im Kreisverband Kleve und im Gemeindeverband Kerken (Nordrhein-Westfalen). Hier gründete er vor zwei Jahren auch die Schüler Union Kreisverband Kleve, deren Vorsitzender er ist. Seit 2019 ist er zudem im Landesvorstand NRW der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen aktiv und leitet das Team der UNICEF-Jugend am linken Niederrhein.

 

 

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