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Mitgliederbeteiligung in der CDU

Erfolgreiche Basisdemokratie, so kann es gehen.

Demokratie lebt von der Beteiligung, auch in Parteien. Oliver Häusler darüber, was auch sehr junge Parteimitglieder bewegen können, wenn sie es richtig anstellen.

Im November 2021 bin ich in die CDU eingetreten. Und im Frühjahr 2024 stehen die Chancen nicht schlecht, dass ein Antrag von mir auf dem Bundesparteitag angenommen und Teil des Grundsatzprogramms wird: In nur zweieinhalb Jahren vom Mitgliedsantrag auf die große Bühne des Bundesparteitags 2024. Wie schafft man das? Mit zwanzig, ohne ein großes Netzwerk?

 

Als Vertreter der Basis auf den Parteitag

Des Rätsels Lösung heißt Basisbeteiligung. Auf dem 28. Bundesparteitag 2015 in Karlsruhe wurde beschlossen, dass auch einfache Mitglieder Anträge für den Bundesparteitag stellen dürfen, sofern sie 500 Unterstützer gewinnen. Dieses Jahr wurden 50 solcher Anträge eingereicht, von denen drei die erforderliche Unterstützung erhielten – mein Antrag war der erfolgreichste, mit 750 Unterstützern.

 

Ein Thema findet sich oft ganz von selbst

Wie mobilisiert man die Basis? In erster Linie braucht es ein Thema, dass bewegt: Mein Thema hatte ich gefunden, als ich im Entwurf des Grundsatzprogramms nach dem Wort „Abschiebungen“ gesucht habe. Kein Treffer: Wir, die CDU, haben uns im Entwurf unseres Grundsatzprogramms zum Thema Abschiebungen nicht geäußert – weder positiv noch negativ. Für mich stand fest: So geht das nicht. Zumal unsere politischen Konkurrenten AfD, SPD und Grüne sind. Ihnen allen ist gemeinsam, dass ich ihre Positionen zu Abschiebungen nicht teile. Die der AfD ist mit einem christlichen Wertebild unvereinbar. SPD und Grüne gefährden mit ihrer Haltung die innere Sicherheit, will man doch gegen ausländische Straftäter nicht konsequent genug vorgehen. Viele Menschen im Land, und besonders die Jungen, erwarten aber Lösungen von der Politik. Mir war sofort klar: Dazu stelle ich einen Mitgliederantrag.

 

Die Basis und Experten schon beim Schreiben einbinden

So schnell das Thema gefunden war, für den Inhalt sollte man sich Zeit nehmen. Ist der Antrag gestellt, kann man ihn nicht mehr ändern. Ich habe mir zuerst überlegt, welche Positionen zum Thema Abschiebungen mir im Grundsatzprogramm der CDU wichtig wären. Und ich habe mit Parteifreunden gesprochen und sie gefragt, was sie sich wünschen. Ein glücklicher Zufall war, dass die baden-württembergische Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges auf dem Neujahrsempfang meines CDU-Stadtverbands zu Gast war. So erfuhr ich auch von den Problemen, die Abschiebungen in der Praxis verhindern. Am Ende habe ich mich für drei große Forderungen entschieden.

 

Die Basis will klare Positionen und klare Worte

Zunächst: Kriminelle Ausländer sollen konsequent abgeschoben werden. Da wir eine christliche Partei sind, sollten wir aber auch vergeben können. Nicht jede Straftat muss zur Abschiebung führen. Gleichzeitig dürfen wir uns auch nicht an der Nase herumführen lassen. Werden weniger schwere Straftaten mehrmals begangen, sollte ebenfalls abgeschoben werden.

Die zweite Forderung: Die einer Abschiebung vorausgehenden Verfahren müssen beschleunigt werden. Dafür braucht es mehr Kapazitäten in der Abschiebehaft, die Zeit bis zum Urteilspruch muss verringert werden, genauso wie die Zeit zwischen rechtskräftiger Verurteilung und tatsächlicher Abschiebung.

Und die dritte und letzte Forderung: Die praktischen Hürden für Abschiebungen müssen abgebaut werden. Hier sind die beiden wichtigsten Probleme: fehlende Ausweisdokumente und die mangelnde Bereitschaft der Herkunftsländer, ihre Bürger wieder aufzunehmen. Es braucht verstärkten diplomatischen Druck auf diese Staaten, damit sie bei der Feststellung von Identitäten kooperieren und ihre Bürger nach einer Abschiebung wieder aufnehmen. Sollten sie sich einer Zusammenarbeit verweigern, kann man die Streichung von Entwicklungshilfe als Druckmittel nutzen. Die eingesparten Mittel könnten genutzt werden, um Abgeschobene in der Nähe ihrer Heimatstaaten unterzubringen, bis eine Einreise möglich wird.

 

Mit Konventionen brechen, um zu mobilisieren

Für die Presse sind Geschichten wie meine ein gefundenes Fressen, schwingt doch immer ein Hauch von Rebellion der Basis gegenüber der Parteispitze mit. Doch dem ist gar nicht so. Ich finde den Entwurf des Grundsatzprogramms sehr gelungen – abgesehen von der fehlenden Positionierung zum Thema Abschiebungen. Die Parteiführung um Friedrich Merz und Carsten Linnemann hat sehr gute Arbeit geleistet.

Mir war von vornherein klar, dass Presseberichte allein nicht ausreichen werden, um die nötigen Unterstützer für meinen Antrag zu gewinnen. Ich musste nach anderen Wegen suchen, meine Zielgruppe, die sogenannte Basis, anzusprechen. Klar war, Aufmerksamkeit bekommt man, wenn man aus der Menge heraussticht. Also habe ich für meinen Antrag neben einer Website, die Inhalt, Begründung und nötige Schritte zur Unterstützung kommuniziert, noch eine zweite Website entwickelt: Der Antrag wird in einem Format vorgestellt, wie man es vom Wahlomat oder von Dating-Apps kennt: Die Positionen und Forderungen des Antrags werden einzeln aufgeführt und können jeweils positiv oder negativ bewertet werden. Am Ende rechnet der Computer aus, mit wieviel Prozent man mit dem Antrag übereinstimmt. Die Software, die ich verwendet habe, bietet sich auch für Wahlkämpfe an. Mein CDU-Stadtverband hat sie auch schon im Kommunalwahlkampf eingesetzt.

 

Schattenseiten der Basisdemokratie

Populisten müssen nur einen kleinen Teil der Bevölkerung überzeugen, solange sie nur lautstark genug sind. Innerparteilich funktioniert das anders: Über die Anträge entscheiden am Ende immer die Delegierten. Und rein populistische Anträge werden auf ihrem Weg zum Parteitag „herausgefiltert“. Auf dem Parteitag selbst findet ein Antrag das Gehör aller Teile der Parteibasis, aus allen Regionen und Vereinigungen. Das Problem, dass sich aufgrund schlechter Wahlbeteiligung eine Minderheitenmeinung durchsetzt, ist also gebannt.

 

Die CDU hat eine vernünftige Basis

Es gab also drei Anträge, die es auf den Parteitag geschafft haben. Der Großteil ist im Vorfeld gescheitert. Zum Teil wurden sie innerparteilich nicht ausreichend beworben, bei anderen war die Basis vernünftig genug, sich gegen sie zu entscheiden. So der Änderungsantrag des ehemaligen Generalsekretärs Ruprecht Polenz, den Begriff „Leitkultur“ aus dem Grundsatzprogramm zu streichen. Trotz seiner hohen Reichweite in den Sozialen Netzwerken fand sein Antrag nur 139 Unterstützer. Andere Anträge wurden einfach zu spät gestellt. Angela Bohn, erst seit Kurzem Mitglied der CDU, hatte nur eine Woche Zeit, in der es ihr trotzdem gelungen ist, 200 Unterstützer für ihren Antrag zu gewinnen, das Gendern aus dem Bildungswesen zu verbannen.

Auch an ihrem Beispiel sieht man, dass Neumitglieder mit ihren inhaltlichen Positionen auch in bundesweiten Parteigremien Gehör finden können.

 

Oliver Häusler ist seit 2021 Mitglied der CDU und Jungen Union. Der 20 Jahre alte Informatikstudent ist Antragsteller des erfolgreichsten Mitgliederantrags für den Bundesparteitag 2024. Die Webanwendung, die er für seinen Antrag entwickelt hat, stellt er auch CDU-Verbänden kostenfrei für den Wahlkampf zur Verfügung.

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