Asset Publisher

Pixabay

NATO 2030 – United for a New Era

Kernthesen zum Reflexionsprozess mit einer Einführung von Thomas de Maizière

Die Nato hat immer wieder bewiesen, dass sie sich unterschiedlichen Umständen anpassen kann. Jetzt ist wieder ein kritischer Moment gekommen. Ein internationales Expertengremium hat ein Strategiepapier mit weitreichenden Reformen vorgelegt – hier erstmals in einer deutschen Übersetzung.

Bei ihrem Treffen in London im vergangenen Jahr einigten sich die NATO-Staats- und Regierungschefs auf einen zukunftsweisenden Reflexionsprozess unter der Schirmherrschaft des Generalsekretärs. Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte am 31. März 2020 die Ernennung einer Expertengruppe an, um seine Arbeit in einem Reflexionsprozess zur weiteren Stärkung der politischen Dimension der NATO zu unterstützen. Die Expertengruppe gibt Empfehlungen zur Stärkung der Einheit der Allianz, zur Verstärkung der politischen Konsultation und Koordinierung zwischen den Alliierten und zur Stärkung der politischen Rolle der NATO. Die 10-köpfige Gruppe (fünf Expertinnen und fünf Experten) wird gemeinsam von mir und Wess Mitchell geleitet.


Unser Bericht wurde in den vergangenen Monaten nach vielen virtuellen Konsultationen und Gesprächen erarbeitet und Ende November 2020 dem Generalsekretär und den NATO-Außenministern übergeben und bei der NATO-Konferenz am 01.12.2020 diskutiert.
Bei der Zusammensetzung unser Gruppe ist auf die Ausgewogenheit der Geschlechter, die einschlägigen Erfahrungen und die geografische Verteilung der Verbündeten geachtet worden. Folgende Personen wurden in die Gruppe berufen: Greta Bossenmaier (Kanada), Anja Dalgaard-Nielsen (Dänemark), Hubert Védrine (Frankreich), Thomas de Maizière (Deutschland), Marta Dassú (Italien), Herna Verhagen (Niederlande), Anna Fotyga (Polen), Tacan Ildem (Türkei), John Bew (Großbritannien) und Wess Mitchell (USA).

Wir freuen uns auf eine intensive Diskussion in den kommenden Wochen und Monaten und hoffen, dass unsere Arbeit einen Beitrag zur Erneuerung der NATO liefern kann.


Ausblick – die NATO 2030

​​​​​​​
Arbeitsübersetzung der Hauptergebnisse des Berichts „NATO 2030 – United for a New Era“ (S. 12-15)

 

Die NATO muss sich anpassen, um den Bedürfnissen eines schwierigeren strategischen Umfelds gerecht zu werden, das vom Wiederaufflammen der systemischen Rivalität, dem anhaltend aggressiven Russland, dem Aufstieg Chinas und der wachsenden Rolle neuer und disruptiver Technologien (EDTs) gekennzeichnet ist, während das Bündnis gleichzeitig erhöhten grenzüberschreitenden Bedrohungen und Gefahren begegnen muss. Das überragende politische Ziel der NATO muss es sein, das transatlantische Bündnis zu festigen, um sicherzustellen, dass es über die Instrumente, den Zusammenhalt und die Beratungsmechanismen verfügt, die erforderlich sind, um die kollektive Verteidigung in diesem schwierigeren Umfeld zu gewährleisten. Die politische Dimension der NATO muss angepasst werden, um ihre Funktionsfähigkeit zu erhalten und zu stärken sowie gleichzeitig ihre Relevanz für alle Verbündeten zu gewährleisten. Zu diesem Zweck werden in diesem Bericht 138 Empfehlungen vorgelegt, von denen die folgenden einige der wichtigsten Punkte darstellen:

 

  1. Ausgangspunkt muss die Aktualisierung des Strategischen Konzepts von 2010 sein. Dies sollte als Chance gesehen werden, den Zusammenhalt dadurch zu festigen, dass neuen strategischen Realitäten ins Auge gesehen wird und die verschiedenen Bereiche der Anpassungen der letzten Zeit in ein kohärentes strategisches Gesamtbild zusammengeführt werden. Bei der Aktualisierung des Konzepts sollten die Verbündeten sich bemühen, die drei Kernaufgaben der NATO zu erhalten und ihre Rolle als einzigartiges und essenzielles transatlantisches Forum für Konsultationen zu stärken. Dabei sollten Inhalte aktualisiert werden, die in Zusammenhang stehen mit den dem NATO-Bündnis zugrunde liegenden Prinzipien, mit Veränderungen im geostrategischen Umfeld (einschließlich Russlands und Chinas) und mit der Notwendigkeit, die Terrorismusbekämpfung in stärkerem Maße in die Kernaufgaben der NATO zu integrieren.
     

  2. Die NATO sollte den zweigleisigen Ansatz aus Abschreckung und Dialog mit Russland weiterverfolgen. Das Bündnis muss auf Bedrohungen und feindliche Aktionen Russlands in einer politisch geeinten, entschlossenen und kohärenten Weise reagieren, ohne zu „business as usual“ zurückzukehren – es sei denn, Russland ändert sein aggressives Verhalten und kehrt zu einer uneingeschränkten Einhaltung des Völkerrechts zurück. Gleichzeitig sollte die NATO auch weiterhin offen dafür bleiben, über ein friedliches Miteinander zu diskutieren und positiv auf konstruktive Veränderungen in Russlands Dispositiv und Verhalten zu reagieren. Die NATO sollte die Inhalte ihrer zweigleisigen Strategie weiterentwickeln, um sicherzustellen, dass diese weiterhin wirksam bleibt: Dabei sollen einerseits die für Russland entstehenden Kosten einer Aggression gesteigert und eine umfassendere Antwort auf hybride Formen russischer Aggression entwickelt werden, während andererseits Schritte unterstützt werden sollen, politisch stärker auf Russland mit dem Ziel zuzugehen, Maßnahmen der Rüstungskontrolle und der Risikoreduzierung zu verhandeln.
     

  3. Die NATO muss viel mehr Zeit, politische Ressourcen und Maßnahmen auf die durch China gestellten Sicherheitsherausforderungen verwenden. Dies muss auf der Grundlage einer Bewertung seiner nationalen Fähigkeiten, seines wirtschaftlichen Gewichts und der erklärten ideologischen Ziele seiner Führung erfolgen. Die NATO muss eine politische Strategie für ihre Rolle in einer Welt entwickeln, in der China bis 2030 immer mehr an Bedeutung gewinnt. Das Bündnis sollte die durch China gestellte Herausforderung in den vorhandenen Strukturen durchgängig berücksichtigen und erwägen, ein Beratungsgremium einzurichten, um alle Aspekte der Sicherheitsinteressen der Verbündeten gegenüber China zu diskutieren. Die NATO muss ihre Bemühungen verstärken, die Auswirkungen von Chinas technologischer Entwicklung zu bewerten sowie alle Aktivitäten Chinas zu beobachten und sich dagegen zu verteidigen, die die kollektive Verteidigung, die militärische Einsatzfähigkeit oder die Widerstandsfähigkeit im Zuständigkeitsbereich des Obersten Alliierten Befehlshabers Europa (SACEUR) beeinträchtigen könnten.
     

  4. Neue und disruptive Technologien (EDTs) sind eine Herausforderung, aber auch eine Chance für die NATO. Es muss eine strategische Priorität für das Bündnis und seine Mitglieder sein, mit den aktuellen Bemühungen großer autoritärer Staaten, die Vorherrschaft in wichtigen EDTs zu erlangen, konkurrieren zu können. Die NATO sollte als zentrale koordinierende Institution beim Austausch von Informationen und der Zusammenarbeit zwischen Verbündeten in allen Bereichen dienen, in denen EDTs für ihre Sicherheit eine Rolle spielen. Die NATO sollte einen digitalen Gipfel der Regierungen und des Privatsektors mit dem Ziel abhalten, Lücken in der kollektiven Verteidigungszusammenarbeit bei Strategien und Normen sowie Forschung und Entwicklung in sicherheitsrelevanten Bereichen der Künstlichen Intelligenz (KI) auszumachen und sich gegenüber böswilliger und aggressiver Nutzung der KI zu schützen.
     

  5. Der Terrorismus stellt eine der drängendsten asymmetrischen Bedrohungen für die Bündnisstaaten und ihre Bürgerinnen und Bürger dar. Die NATO sollte die Bekämpfung des Terrorismus noch ausdrücklicher in ihre Kernaufgaben aufnehmen. Der Bekämpfung des Terrorismus sollte innerhalb der NATO-Strukturen ein mit den erforderlichen Ressourcen ausgestatteter Platz eingeräumt werden, der im Verhältnis zur Bedrohung steht, die die Terrorismusbekämpfung darstellt. Die NATO sollte die Bekämpfung des Terrorismus als Teil der Diskussionen über hybride und Cyberbedrohungen verstärken und sicherstellen, dass die Bedrohung durch den Terrorismus in Übungen und Prozessen zur Auswertung von gemachten Erfahrungen aufgegriffen wird. Die NATO sollte sich bemühen, die derzeitigen Praktiken des Austausches von nachrichtendienstlichen Informationen zwischen Verbündeten zu verbessern, um ein besseres gemeinsames Lagebild in Schlüsselbereichen, wie neuen Rückzugsgebieten, der Verwendung von EDTs durch Terroristen und hybriden Taktiken, zu erhalten.
     

  6. Die NATO muss einen konsistenten, klaren und kohärenten Ansatz für den Süden formulieren und dabei beiden traditionellen Bedrohungen begegnen: dem Terrorismus sowie der immer stärkeren Präsenz Russlands und in geringerem Maße Chinas. Die NATO muss den politischen Schwerpunkt auch weiterhin auf den Ausbau der militärischen Einsatzbereitschaft und der Reaktionsfähigkeit für die Südflanke/Mittelmeerflanke legen, insbesondere durch die Überarbeitung und Fertigstellung ihrer Vorausplanungen und die Stärkung des Koordinierungszentrums für den Süden beim Streitkräftegemeinsamen Führungskommando des Bündnisses in Neapel (JFC Neapel). Die NATO sollte die Verbindungen und Zusammenarbeit im Rahmen eines koordinierten Ansatzes stärken, insbesondere mit der EU. Sie sollte die Häufigkeit der politischen Konsultationen zum Süden, auch auf Ebene des Nordatlantikrats, erhöhen. Verbündete mit Spezialwissen und/oder größerem Engagement sollten gebeten werden, dem Nordatlantikrat häufiger Bericht zu erstatten.
     

  7. Die NATO sollte ihre Unterstützung für die Rüstungskontrolle bekräftigen und gleichzeitig eine wirksame nukleare Abschreckung aufrechterhalten. Sie sollte eine stärkere Rolle als Forum zur Diskussion von Herausforderungen für gegenwärtige Rüstungskontrollmechanismen spielen und sich zu allen künftigen Übereinkünften beraten. Die NATO sollte auch weiterhin die Stärkung wirksamer Verifikationsregime unterstützen und Überwachungs- und Umsetzungsmechanismen ermöglichen. Sie sollte einen Fahrplan für die internationale Rüstungskontrolle in Schlüsselbereichen der EDTs entwickeln, die auch militärisch genutzt werden können. Die NATO sollte ihr Verteidigungs- und Abschreckungsdispositiv für die Zeit nach dem Vertrag über die Beseitigung der Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite (INF-Vertrag) weiter anpassen, um der Bedrohung durch Russlands bisherige und neue militärischen Fähigkeiten Rechnung zu tragen. Das Bündnis sollte die Übereinkünfte zur nuklearen Teilhabe, die ein zentrales Element der Abschreckungspolitik der NATO darstellen, weiterführen und wieder auffrischen.
     

  8. Der Klimawandel wird auch weiterhin das Sicherheitsumfeld der NATO prägen. Während die Steuerung der Emissionen in erster Linie in nationaler Zuständigkeit liegt, muss die NATO eine Rolle bei der Schärfung des Bewusstseins, der Frühwarnung und dem Austausch von Informationen spielen, auch durch die Prüfung der Frage der Einrichtung eines Exzellenzzentrums zu Klima und Sicherheit. Die NATO sollte die Bemühungen verstärken, den Klimawandel und andere nicht militärische Bedrohungen wie Pandemien in die NATO-Planung zur Widerstandsfähigkeit und zum Krisenmanagement aufzunehmen und dabei den Schwerpunkt darauf legen, Energie- und Telekommunikationsnetze besser darauf auszurichten, Wetterereignissen begegnen zu können. Die NATO sollte ihr Rahmenwerk für umweltfreundliche Verteidigung aus dem Jahr 2014 überarbeiten und das Programm Wissenschaft für Frieden und Sicherheit strategischer nutzen, um eine bessere umweltfreundliche Wehrtechnik zu entwickeln und umzusetzen.
     

  9. Der Erhalt des politischen Zusammenhalts und der Einheit muss eine eindeutige Priorität für alle Verbündeten sein. Die Verbündeten auf beiden Seiten des Atlantiks müssen ihr Bekenntnis zur NATO als der zentralen Verteidigungsinstitution im euro-atlantischen Raum bekräftigen. Die Verbündeten sollten sich zu einem Verhaltenskodex verpflichten, um sowohl dem Geist als auch dem Buchstaben des Nordatlantikvertrags treu zu bleiben. Die Verbündeten sollten vereinbarte Anforderungen der Lastenteilung beibehalten und erfüllen. Die NATO sollte ihre Kernidentität als Bündnis, das in den Grundsätzen der Demokratie wurzelt, erneut bekräftigen. Außerdem sollten die Verbündeten erwägen, ein Exzellenzzentrum für demokratische Resilienz einzurichten, dessen Aufgabe es ist, einzelnen Verbündeten auf Anfrage Unterstützung zu leisten, um die Resilienz der Gesellschaft zu stärken, der Einmischung von feindlichen externen Akteuren in die Funktionsweise ihrer demokratischen Institutionen und Verfahren zu widerstehen. Kommt es zu Streitigkeiten zwischen Verbündeten, sollte der Generalsekretär weiterhin seine guten Dienste anbieten und eine engere Einbindung der anderen Verbündeten als informelle Mediatoren erwägen.
     

  10. Die Gruppe ruft dazu auf, die transatlantischen Konsultationen in einer systematischen, glaubwürdigen und kraftvollen Weise zu stärken. Die Verbündeten müssen die Rolle des Nordatlantikrats als echtem Beratungsforum in wichtigen strategischen und politischen Fragen bekräftigen. Die Verbündeten sollten sich bemühen, dafür zu sorgen, dass ihre nationale Politik der Linie der von der NATO entwickelten Politik folgt. Das Bündnis sollte eine Praxis etablieren, nach der die Außenminister des Bündnisses eine regelmäßige Bewertung der politischen Gesundheit und Entwicklung des Bündnisses vornehmen. Die NATO sollte häufiger Ministertreffen abhalten und gegebenenfalls deren Format erweitern. Das Bündnis sollte die Praxis wiederaufnehmen, nach der die Anzahl der Außenministertreffen der Anzahl der Verteidigungsministertreffen entspricht und die Treffen abwechselnd im NATO-Hauptquartier und in den Hauptstädten der Verbündeten stattfinden. Die NATO sollte mehr informelle Treffen abhalten und regelmäßige Konsultationen zu Themen jenseits der traditionellen Agenda einführen, einschließlich der Treffen der Politischen Direktoren der NATO oder anderer hochrangiger Beamten, zum Beispiel zu Angelegenheiten des Nahen Ostens, Afrikas und Ostasiens ebenso wie zu Cyberbedrohungen und anderen Themen, soweit erforderlich.
     

  11. Die NATO und die EU sollten sich bemühen, Vertrauen und Verständnis auf höchster Ebene neu zu beleben. Beim nächsten NATO-Gipfel oder der nächstmöglichen Gelegenheit wäre es hilfreich, wenn die Staats- und Regierungschefs der NATO und der EU in einer offiziellen Sondersitzung zusammenkämen, um den aktuellen Zustand ihrer Beziehungen zu analysieren und zu prüfen, in welchen Bereichen die Zusammenarbeit ausgebaut werden könnte. Die beiden Organisationen sollten durch ein ständiges politisches Verbindungselement im Internationalen Stab (IS) der NATO und im Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) eine institutionalisierte Verbindung zwischen ihrem Personal schaffen. Die NATO sollte die Anstrengungen der EU mit dem Ziel einer stärkeren und leistungsfähigeren europäischen Verteidigungskapazität insofern begrüßen, als dadurch die NATO gestärkt wird, zu einer gerechten transatlantischen Lastenteilung beigetragen wird und nicht der EU angehörende Verbündete vollumfänglich eingebunden werden. Laufende europäische Anstrengungen sollten besser genutzt werden, um den Anteil der europäischen Verbündeten an der Unterstützung der NATO-Fähigkeitsziele zu erhöhen.
     

  12. Die NATO sollte einen grundsätzlichen Entwurf dazu machen, wie ihre Partnerschaften besser genutzt werden können, um die strategischen Interessen der NATO voranzubringen. Sie sollte von ihrem aktuellen nachfrageorientierten Ansatz umschwenken zu einem interessenorientierten Ansatz und erwägen, stabilere und vorhersehbarere Ressourcenströme für Partnerschaftsaktivitäten zur Verfügung zu stellen. Die Politik der offenen Tür der NATO sollte weiterverfolgt und neu belebt werden. Die NATO sollte die Partnerschaften mit der Ukraine und mit Georgien ausweiten und stärken, versuchen, das Engagement mit Bosnien und Herzegowina zu erhöhen, und der Destabilisierung im Westlichen Balkan entgegentreten. Die NATO sollte dem Mittelmeerdialog und der Istanbuler Kooperationsinitiative durch ein verstärktes politisches Engagement, den Aufbau von Fähigkeiten und die Stärkung der Widerstandsfähigkeit neuen Antrieb geben. Sie sollte die Zusammenarbeit mit Partnern im Indo-Pazifik vertiefen, auch durch verstärkten Informationsaustausch und die Einführung von regelmäßig geführten Dialogen zur technologischen Zusammenarbeit und die Bündelung von Forschung und Entwicklung in ausgewählten Bereichen.
     

  13. Das Konsensprinzip ist einer der Grundpfeiler des Bündnisses. Allerdings muss die NATO sorgsam darauf achten, dass sie in der Lage bleibt, Beschlüsse kurzfristig zu erzielen und umzusetzen. Die NATO sollte stärker dafür sorgen, dass konsensbasierte Entscheidungen umgesetzt und nicht in den Folgearbeiten verwässert werden. Das Bündnis sollte erwägen, die Rolle des Generalsekretärs als oberstem Leiter der Organisation zu stärken, damit Beschlüsse in Routineangelegenheiten getroffen werden können und in einem frühen Stadium die Aufmerksamkeit auf schwierige Themen gelenkt werden kann. Die NATO sollte einen besser strukturierten Mechanismus zur Unterstützung der Bildung von Koalitionen innerhalb der Bündnisstrukturen schaffen und Möglichkeiten prüfen, den Entscheidungsfindungsprozess in Krisen zeitlich zu begrenzen. Um den immer häufigeren Blockaden durch einzelne Länder aufgrund von externen bilateralen Streitigkeiten zu begegnen, sollte die NATO erwägen, die Schwelle für solche Blockaden auf die Ministerebene anzuheben.
    ​​​​​​​

  14. Im Hinblick auf die politische Struktur, die Personalausstattung und die Ressourcen muss die NATO eine starke politische Dimension erhalten, die der Anpassung ihres militärischen Dispositivs entspricht. Die NATO sollte erwägen, die delegierten Kompetenzen des Generalsekretärs um wichtige Entscheidungen in Personalfragen und bestimmten Haushaltsangelegenheiten zu erweitern. Das Bündnis sollte eine Praxis der nach dem Outside-In-Ansatz durchgeführten Prüfungen der administrativen Funktionsabläufe in der Organisation einführen und alle fünf Jahre einen Überprüfungsprozess der Funktionsabläufe vorschreiben. Verbündete, die einen verhältnismäßig niedrigen Beitrag zum Zivilhaushalt leisten, sollten ihre nationalen Beiträge erhöhen. Die NATO sollte ein Hochschulzentrum zur Förderung künftiger Talente von außerhalb der NATO einrichten und ein Stipendienprogramm - vorläufig Harmel-Stipendienprogramm genannt - ins Leben rufen, durch das jeder Verbündete ein Stipendium für mindestens eine Person pro Jahr aus einem anderen NATO- Bündnisstaat für ein Postdoc-Studium in einer seiner führenden Universitäten finanzieren würde.

Pressefoto

​​​​​​​Thomas de Maizière
Jurist, Historiker, Minister, Bundesminister Dr. jur., * 21. Januar 1954 in Bonn.

comment-portlet

Asset Publisher