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Wann darf man politische Parteien verbieten?

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Das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten, ist eines der wichtigsten des Grundgesetzes, und es gilt auch für die Parteien. Auch ablehnende Haltungen gegenüber dem Staat oder dem politischen System dürfen im Rahmen gültiger Gesetze frei geäußert werden. Ein Parteiverbotsverfahren darf erst dann eingeleitet werden, wenn sich extremistische Gedanken zu konkreten Zielen und Taten verdichten, wenn das Verhalten der Partei sich als „aggressiv kämpferisch“ darstellt. Steht eine Partei im Verdacht, die freiheitliche demokratische Grundordnung planvoll und zielgerichtet beseitigen zu wollen, so kann das Bundesverfassungsgericht auf Antrag prüfen, ob die Partei verfassungswidrig und damit verboten ist.

Laut Grundgesetz wirken die politischen Parteien bei der Willensbildung des Volkes mit (Art. 21 Abs. 2 GG). Ihnen wird damit – im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung – Verfassungsrang eingeräumt. Sie sondieren Stimmungen, erarbeiten Wahlprogramme und überführen die Meinungen des Wählers in aktive Politik. Aufgrund dieser Funktionen sind die Parteien von wesentlicher Bedeutung für das demokratische Entscheidungssystem in Deutschland. Sie sind Mittler zwischen der Gesellschaft und staatlichen Institutionen. Die Hürden für ein Parteiverbot liegen daher bewusst hoch.

In der über 60-jährigen Geschichte des Grundgesetzes wurden erst zwei Parteien verboten. Es handelte sich dabei um die Sozialistische Reichspartei (SRP, 1952) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD, 1956). Gegen die rechtsextremistische Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD, 2001) wurde ein Parteiverbotsverfahren eingeleitet, wegen verfahrensrechtlicher Fragen noch vor einer Sachentscheidung aber eingestellt. 2013 wurde ein erneuter NPD-Verbotsantrag eingereicht. Grundlage für ein Parteiverbot ist wieder der Grundgesetzartikel 21, Absatz 2: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.“ Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung.

In den bisherigen Verbotsverfahren wurde deutlich, dass eine Partei nicht allein deshalb für verfassungswidrig erklärt werden kann, weil sie „nur“ die obersten Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (1) nicht oder nicht vollständig anerkennt. Laut Bundesverfassungsgericht muss für ein Verbot „eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung“ zu erkennen sein. Es muss als erwiesen gelten, dass die Partei versucht, planvoll das Funktionieren der aktuellen Ordnung zu beeinträchtigen, um sie im weiteren Verlauf zu beseitigen (BVerfGE 5,85/141). Antidemokratische und verfassungsfeindliche Äußerungen einzelner Parteimitglieder (selbst in der Öffentlichkeit) reichen demnach allein nicht aus, um eine Partei verbieten zu können. Für ein erfolgreiches Verbotsverfahren muss festgestellt werden können, dass die Partei systematisch daran arbeitet, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen. Gewalttätige Ausschreitungen seitens der Parteimitglieder sind für ein Verbotsverfahren keine Voraussetzung.

Im Fall des KPD-Verbots 1956 zeigte sich dies u.a. an dem unbedingten Willen der Partei, eine „Diktatur des Proletariats“ nach marxistisch-leninistischen Vorbild im Zuge einer Revolution zu errichten. Doch trotz eindeutiger Beweise dauerte es fast fünf Jahre, bis das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss kam, die KPD zu verbieten. Ein Verbot ist in der politischen Auseinandersetzung mit verfassungsfeindlichen Parteien nach wie vor das letzte Mittel, denn es signalisiert zugleich, dass alle zivilgesellschaftlichen Mittel erschöpft sind (siehe auch Chancen und Risiken eines NPD-Verbots).

– Christoph Bernstiel

 

Anmerkungen

(1) Zu den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehören nach Entscheid des Bundesverfassungsgerichts von 1952 (BVerfGE 2,1) die Achtung der im Grundgesetz festgeschriebenen Menschen-, Persönlichkeits- und Freiheitsrechte, die Achtung der Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung von Opposition.

 

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Felix Neumann

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