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Hass wird bei uns kaltgestellt
Mehr als die Hälfte aller kommunalpolitisch Aktiven weiß wie es ist, für sein Engagement attackiert zu werden. Dazu gehören der Bürgermeister, der schon bei der Antrittsrede beschimpft wird, der Ortsvorsteher, dessen Auto von der Straße abgedrängt wurde wie auch die kommunalpolitisch engagierte Frau, die Hassbotschaften des Inhalts empfing, man werde sie jagen und lege bereits ein Seil für sie bereit.
Auf solche Angriffe reagieren die Workshops „Gemeinsam stark gegen Hass und Gewalt in der Kommunalpolitik“, die das Bildungswerk für Kommunalpolitik Sachsen und das Regionalprogramm Kommunalpolitik Ost der KommunalAkademie der Konrad-Adenauer-Stiftung in diesem Herbst durchführen. Austauschmöglichkeiten über Erlebtes in einem geschützten Raum, Unterstützung durch kompetente Ansprechpartner und Hinweise auf potenzielle Netzwerkpartner für Kommunalpolitiker kennzeichnen die eintägigen Workshops.
Mindestens die Hälfte der Kommunalpolitiker in Deutschland waren schon einmal von Hass und Gewalt betroffen; 81 Prozent von ihnen leiden an den psychischen Folgen. 8 Prozent äußern ihre Meinungen nach einem Angriff nicht mehr offen. Jeder zehnte Betroffene kandidiert nicht wieder für ein Amt oder Mandat.
Angriffe auf kommunalpolitisch Aktive haben mehrere Ursachen. Dahinter steht ein sich überlappendes Motivbündel aus politisch- gesellschaftlichen Trends (verschärfte Diskussionen über Migration, Klima und Gendern), aus der Projektion von Problemen anderer Politikebenen auf die kommunalpolitische (bundespolitische Probleme werden Kommunalpolitikerinnen zur Last gelegt) und aus der räumlichen Nähe zu Kommunalpolitikern, die Angriffe auf diese leicht macht.
„Die Workshops legen einen deutlichen Akzent auf die Fragen von Resilienz, Prävention und Netzwerkarbeit auf kommunaler Ebene und gehören so zu unserem Kerngeschäft,“ so Lutz Barthel, Geschäftsführer des BKS e.V.. Sich auf Angriffe bereits mental vorzubereiten, eine Balance zwischen Stärke und Ängsten zuzulassen und persönliche Grenzen zu definieren, seien wesentliche Schritte, wie man seine persönliche Resilienz stärken könne, erklärte Frauke Puttfarken, Beraterin und Resilienztrainerin, die für den Verein „Starke Demokratie e.V.“ nach Chemnitz gekommen war. Physische und psychische Sicherheit zu erhöhen, sich Verbündete schon im Vorfeld zu suchen und sich mit ihnen auszutauschen, wird oft nicht hoch genug geschätzt. „Man muss nicht jeden Streit führen, der einem in den sozialen Medien aufgedrängt wird. Angreifer im Netz suchen nicht den Diskurs, es geht ihnen nur ums Stören, um den Streit an sich,“ so Meinolf Meyer[1], Gründer des Vereins „Starke Demokratie e.V.“, der sich die Stärkung von Kommunalpolitikern angesichts von Hass und Bedrohungen auf die Fahnen geschrieben hat. Prävention könne gar nicht früh genug beginnen. Tritt der Fall einer Attacke dann tatsächlich ein, solle man diese aber auch zu 100 Prozent ahnden. Mit der Anzeige einer Attacke aus dem Netz werde diese gleichsam aus dem Bereich der sozialen Medien in die Realität geholt wird. Wenn die Polizei bei dem Angreifer dann leibhaftig vor der Haustür stehe, um der Anzeige nachzugehen, werde das Ausmaß der Beleidigung auch für diesen greif- und sichtbar. Resilienz gegenüber Angriffen hänge in hohem Maße u.a. von Akzeptanz, Verantwortung und Netzwerkorientierung ab.
„Wir wollen nicht nur sensibilisieren, sondern gehen den notwendigen Schritt in die Praxis weiter, denn wir arbeiten mit unserem Programm für den politischen Alltag“, so Elke Erlecke am Ende des Workshops. Puttfarken und Meyer rundeten das Programm mit Hinweisen auf die notwendigen Schritte zur Beweissicherung ab und gingen auf die Möglichkeiten einer strafrechtlichen Anzeige und Verfolgung ein. Für Hinweise auf relevante Netzwerke und Hilfsorganisationen für attackierte politisch Tätige Ist der Verein „Starke Demokratie“ ein kompetenter Ansprechpartner.
P.S. Zu dem Thema werden die Veranstalter auch im kommenden Jahr Angebote machen – sei es in Form von Kursen zur Abwehr gegen verbale Attacken, zur Unterstützung von persönlicher Zivilcourage oder zur Rückenstärkung von kommunalpolitisch Aktiven durch geeignete Netzwerke.
Das ZDF berichtet demnächst über den Workshop in seinem Format „backstage“ im Morgenmagazin.
[1] Siehe dazu auch Meinolf Meyer, https://kommunal.de/tipps-gegen-gewalt