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Country Reports

Taktischer Wahltermin

by Claudia Crawford
Der montenegrinische Staatspräsident Vujanovic hat die vorgezogenen Parlamentswahlen für den 29. März 2009 festgesetzt, nachdem sich das Parlament am Montagabend, dem 26. Januar, selbst aufgelöst hat.

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Für die Auflösung stimmten 42 Abgeordnete des 81 Mandate umfassenden Parlaments. Treibende Kraft dafür war die regierende Demokratische Partei der Sozialisten (DPS) des Ministerpräsidenten Milo Djukanovic. Dieser umtriebige Politiker ist nunmehr seit 1990 fast ununterbrochen in den verschiedenen Positionen an der Macht. Weder Korruptionsvorwürfe noch langjährige Regierungsverantwortung konnten ihm bislang etwas anhaben. Das Vorziehen der Parlamentswahl auf März dient denn auch mehr dem Machterhalt, als dem Dienst an der Demokratie.

Ursprünglich war die Vereinbarung, die Legislaturperiode abzukürzen, durchaus ein Ergebnis demokratischer Kompromissfindung. Sie war ein Entgegenkommen gegenüber der jungen Oppositionspartei „Bewegung für Veränderung“ (PzP), die im Gegenzug dem Verfassungsentwurf in 2007 zustimmte und damit eine Monate währende, quälende politische Blockade löste, die das Land in Montenegriner und Serben zu spalten drohte. Verabredet war, Ende 2009 die Neuwahlen durchzuführen.

Die Stimmung für die Regierung Djukanovic ist ausgesprochen gut. Er konnte durch pragmatisches und zielstrebiges Handeln Montenegro in ein ruhiges Fahrwasser führen. Im Dezember letzten Jahres beantragte Montenegro den Kandidatenstatus für den Beitritt in die EU. Das brachte der Regierung zusätzliche Sympathien ein. Selbst die Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos im Oktober letzten Jahres konnte der Popularität von Djukanovic kein Abbruch tun. Bei der dicht darauffolgenden Kommunalwahl in dem nicht unbedeutenden Touristenstädtchen Kotor konnte seine Partei mühelos ihre Machtposition verteidigen. Auf dieser Welle der Zustimmung noch schnell das Parlament wählen zu lassen, bevor die Weltwirtschaftskrise bei den montenegrinischen Bürgern ankommt und die Stimmung verdirbt, scheint das taktische Kalkül der DPS zu sein.

Zumindest werfen ihr das die Oppositionsparteien vor. Sie meinen, es ist absehbar, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung in Montenegro durch die äußeren Rahmenbedingungen unausweichlich verlangsamen wird. Dadurch sind negative Effekte für die Menschen zu erwarten. Die Regierung ihrerseits argumentiert mit der gleichen Begründung: Angesichts des Ziels eines EU-Beitritts und der großen Herausforderungen auf diesem Weg, nicht zuletzt wegen der globalen Wirtschaftskrise, braucht die Regierung ein volles vier-Jahre-Mandat.

Für die montenegrinischen Oppositionsparteien kommt der Wahltermin zu früh. Sie sind noch bzw. wieder in der Phase der Selbstfindung. So hat sich die serbische Liste aufgelöst. Stattdessen hat ihr Anführer, Andrija Mandic, am 24. Januar eine neue Partei gegründet, die Neue Serbische Demokratie (NSD), mit der er auch zur Wahl antreten wird. Diese neue Partei will die serbischen politischen Strukturen in Montenegro konsolidieren.

Die „Bewegung für Veränderungen“ (PzP) kämpft gegen ihre Spaltung. Da ihr Vorsitzender Nebojsa Medojevic gern auf eigene Rechnung politische Statements von sich gibt, die nicht immer eine klare politische Linie erkennen lassen, nehmen immer mehr prominente Mitglieder Abstand. Medojevic einstiger Stellvertreter, Nebojsa Betricevic, hat inzwischen seine eigene Partei und Parlamentsfraktion gegründet. Aufgrund eines fehlenden Profils und fehlender Stammwähler wird es für die PzP eng. Das zeigte bereits die Kommunalwahl in Kotor, wo das Ergebnis nur noch für ein Mandat reichte. Der Besuch einer kleinen Abordnung der EVP diente deshalb der PzP als Gelegenheit den Wählern zu vermitteln, dass seine Partei die einzige Oppositionspartei ist, die Teil einer europäischen Parteifamilie sein wird. Allerdings wurde versäumt, dies auch mit inhaltlichen Positionen zu verknüpfen – ganz abgesehen davon, dass eine Mitgliedschaft in der EVP bei diesem Besuch gar nicht in Aussicht gestellt wurde.

Am günstigsten stellt sich die Situation für die Sozialistische Volkspartei (SNP) dar. Sie hat es vermocht, durch einen Führungswechsel und konsistente und vor allem konstruktive Politik ihre Stammwähler zurückzuholen.

Derzeit verhandeln die drei „großen“ Oppositionsparteien über eine gemeinsame Liste. Sie wäre Vorbedingung, um überhaupt in die Nähe einer Alternative zum DPS-System zu gelangen. In den vergangenen Wahlen scheiterte dieses Vorhaben aber regelmäßig an der Frage, wer letztlich der Herausforderer sein wird. Diskutiert wird jetzt eine Drittelung der Listenplätze – angesichts der relativen Stärke der SNP kein attraktives Konzept für sie und deshalb eher fraglich.

Die DPS und ihr bisheriger Koalitionspartner, die Sozialdemokratische Partei (SDP), sind sich dagegen schon einig geworden. Es bleibt im Falle eines Sieges bei der Machtaufteilung 80/20. Man will auch der Bosniakenpartei und der Kroatischen Bürgerlichen Initiative etwas zuteilen und selbst der Volkspartei (NS) wurde ein Angebot gemacht. Sie denkt derzeit noch darüber nach, aber es ist eher wahrscheinlich, dass sie „ja“ sagt. Dies würde ihr das Überleben sichern und das ist am Ende wichtiger als die Tatsache, dass sie eigentlich immer gern ein Teil der EVP gewesen wäre, was sich politisch nicht gerade mit einer sozialistischen Liste verträgt.

Rund 484.000 Einwohner sind wahlberechtigt.

Diese werden nun nach dem alten Wahlgesetz ihre Stimme abgeben, denn für ein neues fehlte die Zeit. Die Verfassung von 2007 sah dies eigentlich vor. Da aber kein entsprechender Vorschlag ins Parlament kam, wurde die Fristsetzung für die Gesetzesnovelle noch vom alten Parlament kurz vor der Auflösung nach hinten verschoben. Die Bemühungen der Opposition, deswegen doch noch eine Verschiebung der Wahlen auf einen späteren Zeitpunkt zu erreichen, haben sich mit der Festsetzung des Wahltermins durch den Staatspräsidenten zerschlagen.

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