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Event Reports

The state of the Social Economy of South Africa

by Marius Glitz

KAS-KOLLOQUIUM ZUM STAND DES SOZIALEN UNTERNEHMERTUMS

Am 4. und 5. September 2013 lud die Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam mit dem Centre for Social Entrepreneurship and Social Economy (CSESE) der Universität von Johannesburg zu einem Kolloquium über den Stand der Social Economy in Südafrika ein. Rund 220 Gäste aus Unternehmerschaft, Universitäten und Regierung diskutierten in mehreren Workshops Lösungsstrategien für Südafrikas sozialwirtschaftliche Herausforderungen.

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Seit einigen Jahren besteht eine lebhafte internationale Debatte über Kooperationsformen zwischen klassischen Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit und privatem Unternehmertum, in der den sogenannten Social Entrepreneurs eine wachsende Bedeutung zukommt. Social Entrepreneurs schaffen innovative Geschäftsideen, die sowohl wirtschaftlich nachhaltig sind als auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern wie Südafrika, wo der Staat nicht in der Lage ist, sozial schwache Bevölkerungsschichten in ausreichender Weise zu unterstützen, leistet das soziale Unternehmertum einen entscheidenden Beitrag zur Armutsreduzierung sowie zum Abbau von Arbeitslosigkeit und sozioökonomischer Ungleichheit. Das Kolloqium am 4. und 5. September 2013 bildete den Auftakt der Zusammenarbeit mit dem Centre for Social Entrepreneurship and Social Economy (CSESE).

Unter den Kolloquiumsteilnehmern befanden sich hochrangige Gäste wie der Leiter der Nationalen Planungskommission (NPC) Südafrikas, Minister Trevor Manuel, der die Veranstaltung persönlich eröffnete. In seiner Rede ging der Minister auf die Anknüpfungspunkte der sozialen Wirtschaft mit dem Nationalen Entwicklungsplan Plan (NDP) der südafrikanischen Regierung ein. Er forderte die Unternehmer auf, die Umsetzung der nationalen Entwicklungsstrategie aktiv zu unterstützen.

Eine Bestandsaufnahme der Social Economy in Südafrika

Das an der Fakultät für Management der Universität Johannesburg angesiedelte CSESE unterstützt soziales Unternehmertum und den Aufbau einer sozialen Marktwirtschaft in Südafrika. Das Forschungsinstitut entwickelt seit 2010 Strategien für Kooperationen zwischen Unternehmen, Regierung und Nichtregierungsorganisationen. Die Größe des südafrikanischen Social Economy-Sektors liegt über dem internationalen Durchschnitt, wenn auch ein hoher Anteil der Branche informell tätig ist. Die Direktorin des Zentrums Dr. Susan Steinman erinnerte in einer Einführung in die Thematik, dass rund 70% der Angestellten im sozialen Sektor Südafrikas schwarze Frauen seien. Diese Ziffer verdeutlicht, dass es sich, was die Angestelltenschaft anbelangt, um eine wahrhaft inklusive Branche handelt, da gerade diese Bevölkerungsgruppe weitestgehend von dem traditionellen Arbeitsmarkt der freien Wirtschaft ausgeschlossen ist.

Die mangelnde Anerkennung des sozialen Sektors in Südafrika stellt ein grundlegendes Problem dar. Einige Teilnehmer bestätigten aus eigener Erfahrung, dass viele soziale Firmen von der Öffentlichkeit eher als Wohltätigkeitsprojekte, denn als rentable und nachhaltige Unternehmen mit sozialen Interessen wahrgenommen werden. Entsprechende Aufklärungsarbeit betrachten die Akteure der Branche als dringend notwendig. In vielerlei Hinsicht füllt das soziale Unternehmertum eine bestehende Lücke zwischen rein profitorientierten Betrieben und klassischen NGOs. Aufgrund mangelnder Definition eines sozialen Unternehmens bestehe außerdem steuer- und wettbewerbsrechtlicher Klärungsbedarf, da der private Sektor soziale Unternehmen vielfach als unliebsame Konkurrenten auffasse.

Eine weitere Herausforderung des sozialen Sektors besteht darin, seine Nachhaltigkeit zu erhöhen. Bislang zerfallen über 80% der Unternehmen kurze Zeit nach ihrer Gründung. Viele Firmen haben Verbesserungsbedarf im Bereich Governance, Training, Qualifizierung ihrer Führungskräfte und Rechtsverständnis. Steiman verwies darauf, dass soziale Jungunternehmer oft nur unzureichende und unkoordinierte Unterstützung seitens der Regierung erfahren. Zudem benötigten wachsende soziale Unternehmen besseren Zugang zu privaten Kreditinstituten und finanzielle Unterstützung in Form von öffentlichen Subventionen.

Flavio Bassi von Ashoka, der größten internationalen Non-Profit-Organisation zur Förderung sozialer Unternehmer, unternahm den Versuch einer grundlegenden Definition der Sozialwirtschaft. Demnach müssten soziale Unternehmen daran gemessen werden, inwieweit sie Menschen auf lokaler Ebene zu mehr Selbstständigkeit mit dem Ziel verhelfen, ihre Probleme in Eigenverantwortung zu lösen.

Genossenschaften in der Social Economy

Nach einer allgemeinen Bestandsaufnahme des sozialen Sektors in Südafrika vertieften die Teilnehmenden ihre Diskussion in einer Reihe von Workshops. Die fortlaufenden Gespräche setzten einen wichtigen Themenschwerpunkt auf das Genossenschaftswesen in Südafrika. Dr. Ludwig Erhard, Leiter der südafrikanischen Außenstelle des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes (DGRV), zog einen Vergleich zwischen dem traditionell erfolgreichen deutschen und dem aus seiner Sicht noch ausbaufähigen südafrikanischen Genossenschaftswesen. Dr. Erhard wies insbesondere auf Koordinierungsprobleme innerhalb der südafrikanischen Genossenschaften hin. Aus seiner Sicht müssten sich Genossenschaften untereinander noch besser vernetzen, um voneinander zu lernen und aktiv den Kontakt zur akademischen Elite suchen. Ebenfalls sollten Genossenschaften auf hohe Qualitätsstandards in Ausbildung und Fachwissen der Mitarbeiter im sozialen Sektor drängen. Genossenschaften, so Erhard, bestünden in erster Linie aus Unternehmern und müssten ebenso wie die Privatwirtschaft ihre Professionalität und Wettbewerbsfähigkeit wahren. Erhards Meinung deckte sich in Teilen mit den Aussagen Cebisile Nyambes von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die hinzufügte, dass soziale Unternehmen ebenso ihre Produktpalette an der Nachfrage des Marktes ausrichten müssten. Die Qualitätssicherung der Produktion und Dienstleistungen spiele eine wichtige Rolle. Außerdem müssten südafrikanische Genossenschaften mehr Transparenz an den Tag legen und die Regierung mit besseren Statistiken über den Sektor informieren.

Jeffrey Ndumo, Direktor für Genossenschaftswesen im Ministerium für Handel und Industrie (DTI), sprach über die rechtlichen Herausforderungen für Genossenschaften in Südafrika. Er stellte die Neuerungen des geänderten südafrikanischen Genossenschaftsrechts vor, das die hohe Rate an fehlgeschlagenen Genossenschaftsgründungen senken soll. Die überwiegende Zahl der südafrikanischen Genossenschaften sei nach Aussage von Ndumo nicht älter als drei Jahre. Viele Unternehmen operierten immer noch mehr oder minder informell in privaten Haushalten. Ihnen fehle ein adäquater Zugang zum Markt. Die registrierten Unternehmen tragen hingegen bislang nur 0,3% zum GDP bei.

Best Practices in der Social Economy

In einer weiteren Podiumsdiskussion stellten Social Entrepreneurs ihre Unternehmen vor. Interessant zu beobachten war, dass die Branche eine Reihe nachhaltiger Hybridmodelle hervorgebracht hat. Kovin Naidoo von der Brien Holden Vision Institute Foundation, einer Stiftung, die weltweit Projekte für unterprivilegierte Menschen mit Sehschwäche unterstützt, stellte verschiedene Sparten seines sozialen Unternehmens vor. So engagiert sich das Vision Institute zum einen in der Forschung und Entwicklung und verfügt zudem über einen profitorientierten Bereich, aus dem es Mittel zur Unterstützung einer NGO generiert. Naidoo wies außerdem auf die Bedeutung der Zusammenarbeit sozialer Unternehmen mit der Privatwirtschaft und öffentlichen Hand hin.

Shona McDonald präsentierte ihr Unternehmen Shonaquip, welches mittlerweile zum Hauptlieferanten von Rollstühlen in Südafrika aufgestiegen ist. Shonaquip investiert Mehreinnahmen in seine unternehmenseigene Stiftung UHABO Foundation, welche den Aufbau von Partnerorganisationen in anderen afrikanischen Ländern unterstützt. McDonald wies auf das Ziel vieler sozialer Unternehmen hin, Produkte zu erschwinglichen Preisen anzubieten. Es sei notwendig, vom reinen NGO-Verständnis des Gebens ohne Gegenleistung abzukehren. McDonald unterstrich ebenfalls, dass soziale Unternehmen oftmals ihre Zielsetzung nicht an der Gewinnmaximierung, sondern an der sozialen Wirkung orientieren, weshalb es Shonaquip schwerfällt, Darlehen von Banken zu erhalten.

Ausbildung und Generierung von Arbeitsplätzen in der Social Economy

Roché van Wyk, Direktor von Learn to Earn, einem Unternehmen, das sich mit Ausbildungskonzepten und Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahmen in der sozialen Wirtschaft befasst, hob die Bedeutung von Unternehmenswerten der Branche hervor. Van Wyk rief zu einer arbeitnehmerorientierten Unternehmensphilosophie auf, die den Menschen vor den Profit stellt. Damit griff er die im Laufe des Kolloquiums mehrfach genannte Kernaussage auf, dass zwischen Rentabilität und Investition in soziale Themen kein genereller Widerspruch bestehe. Die soziale Wirtschaft sei geprägt durch Werte wie Ehrlichkeit, Respekt und Würde gegenüber ihren Mitarbeitern. Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter stets unterstützen, ihren Job besser auszuüben. Aus seiner Sicht, würden zufriedene Angestellte den Wert ihres Unternehmens um ein Vielfaches erhöhen.

Des Weiteren müsse die Schaffung von Arbeitsplätzen in der sozialen Wirtschaft eng an Programme zur Weiterqualifizierung und Curricular-Entwicklung geknüpft werden. „Life long learning“ sollte darauf ausgerichtet seien, die noch bestehende Lücke zwischen den Fachkräftebedürfnissen der Social Economy und dem derzeitigen Angebot zu schließen.

Ismail Davids, “Community Development Worker” im Ministerium für öffentliche Dienstleistungen und Verwaltung, lobte den Grad an Eigeninitiative, der von Social Entrepreneurs ausgehe. Er zeigte sich davon beeindruckt wie sehr sich der Sektor selbstständig in Richtung der Zielsetzung der Nationalen Planungskommission (NPC) entwickelt habe. Davids unterstrich, wie zuvor Minister Manuel, dass der soziale Sektor eine Schlüsselrolle im Nationalen Entwicklungsplan spielen müsse. Der Staat müsse die Schulung von Beamten vorantreiben, da viele Staatsdiener nicht ausreichend mit dem sozialen Sektor vertraut seien. Von der sozialen Unternehmerschaft hingegen wünsche er sich mehr Informationen zu Größe und Umfang der Branche, damit der Staat den Bedürfnissen sozialer Unternehmer gerecht werden könne.

Großes Lob von den Teilnehmern

Die KAS und ihr Mitveranstalter registrierten an beiden Veranstaltungstagen rund 220 Teilnehmer. Von Seiten der sozialen Unternehmerschaft erhielt das KAS-Länderbüro Südafrika durchweg positive Rückmeldungen zu dem Kolloquium. Manche Teilnehmer bezeichneten die zweitägige Veranstaltung gar als historisches Ereignis. Zum ersten Mal, so die Leiterin des CSESE Dr. Susan Steinman, seien in einem derartigen Rahmen Unternehmensvertreter mit Akademikern und politischen Entscheidungsträgern zusammengekommen, um über die Herausforderungen und Chancen des sozialen Unternehmertums in Südafrika zu diskutieren.

Aus eigener Initiative heraus gründeten die Teilnehmer zum Abschluss des Kolloquiums ein zehnköpfiges Komitee, das in den kommenden Wochen eine gemeinsame Erklärung über die Interessen der sozialen Unternehmer erarbeiten und diese der Nationalen Planungskommission vorlegen wird.

Großes Lob erhielten CSESE und KAS auch seitens der Anwesenden der südafrikanischen Regierungsinstitutionen. Diese signalisierten ihr Interesse an einer partnerschaftlichen Beteiligung an zukünftigen Veranstaltungen zur Social Economy. Geplant ist nun die Fortsetzung dieser Initiative in einer jährlichen Veranstaltungsreihe.

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