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Event Reports

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by Dag Zimen

Konferenz zur gemeinsamen Mitgliedschaft Deutschlands und Südafrikas im UN-Sicherheitsrat

"Strengthening the UNSC: Tapping the German and South African Experience" lautete der Titel einer zweitägigen Konferenz in Pretoria, die die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS), das Institute for Security Studies (ISS) und das South African Institute of International Affairs (SAIIA) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft in Pretoria organisierten. Diplomaten und Regierungsvertreter, Parlamentarier und Politanalysten verorteten die Rollen und Perspektiven beider Länder im Rund des „Nowegian Room“ des UN-Hauptquartiers in New York.

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Als am 12. Oktober 2010 sowohl Deutschland als auch Südafrika zu nichtständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UNSC) gewählt wurden, fanden sich beide Länder dort, wo sie gerne permanent bleiben würden: im Entscheidungszentrum globaler Politik. Die Chance war gekommen, ihre Fähigkeit zur Übernahme weltweiter Verantwortung unter Beweis zu stellen und sich als verlässliche Kandidaten für einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat zu präsentieren. Außer Japan sind mit Brasilien, Indien und Nigeria derzeit fast alle weiteren hoch gehandelten Aspiranten auf diese Sonderrolle unter den Weltmächten im Sicherheitsrat vertreten.

Doch zunächst gilt es, die aktuelle inhaltliche Agenda des UNSC zu bearbeiten und die akuten Krisen der Welt zu bewältigen. Dass dies sowohl für Deutschland als auch für Südafrika nicht problemlos ist, zeigt nicht nur das Beispiel Libyen. Umso sinnvoller erscheint es, dass sich beide Länder über ihre Erfahrungen und Strategien austauschen, ihre weltpolitischen Perspektiven abgleichen und bestenfalls zu gemeinsamen Positionen kommen. Besonders gilt dies für friedens- und sicherheitspolitische Fragen auf dem afrikanischen Kontinent, welche die Agenda des UNSC in nicht weniger werdendem Ausmaß bestimmen.

Strengthening the UNSC: Tapping the German and South African Experience daher der Titel der zweitätigen Konferenz in Pretoria, die die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die Hanns Seidel Stiftung (HSS), das Institute for Security Studies (ISS) und das South African Institute of International Affairs (SAIIA) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft in Pretoria organisierten. Diplomaten und Regierungsvertreter, Parlamentarier und Politanalysten verorteten die Rollen und Perspektiven beider Länder im Rund des „Nowegian Room“ des UN-Hauptquartiers in New York.

Größtmögliche Gemeinsamkeiten und kleinste gemeinsame Nenner

Während die Notwendigkeit zur Reform des UNSC schnell als größtmögliche Gemeinsamkeit identifiziert wurde, ist die globale Friedens- und Sicherheitspolitik „dominiert vom kleinsten gemeinsamen Nenner“, wie es Botschafter Leslie Gumbi, Chief Director United Nations im südafrikanischen Außenministerium beschrieb: „Dort zählen keine Freundschaften, sondern Interessen.“ Globale Sicherheitspolitik demnach als permanentes Ringen um den – oft suboptimalen – Kompromiss? Auch enge Freunde wie Deutschland und Frankreich finden ihn, siehe Libyen, nicht immer.

Kontinuierliche Verständigung über einende Grundwerte und die Definition gleichgerichteter Strategien kann die Ergebnisse auch im oft mit komplexen ad hoc-Krisen befassten UNSC gleichwohl optimieren. Beides fällt Deutschland und Südafrika zumindest in der Theorie nicht schwer: Beide positionieren sich als zivile und, wenn es sein muss, auch militärische Friedensmächte für Freiheit, Menschenrechte und Stabilität, mit der Bereitschaft, regional und global Verantwortung zu übernehmen; langfristig an Abrüstung und der konstruktiven Lösung globaler Herausforderungen interessiert, akut vermittelnd und in Gemeinschaft intervenierend zur Krisenbewältigung entschlossen.

Testfall Libyen

Die Crux liegt, wie solle es auch anders sein, in der konkreten und praktischen Anwendung der hehren Prinzipien. Dort, wo Werte, Prinzipien und Strategien mit Realität und Realpolitik kollidieren: Jüngst in Libyen, das zwar nicht auf der Konferenzagenda stand, sich als Lackmustest für etliche UNSC-Fragen aber schnell in den Vordergrund der Debatte drängte. Die kontroverse UNSC-Resolution 1973 zur „Flugverbotszone“ zeigt exemplarisch die Ambivalenzen in der Sicherheitspolitik, mit denen sich sowohl Deutschland als auch Südafrika konfrontiert sehen, an die sich beide indes werden gewöhnen müssen, wollen sie wirklich dereinst permanent im UNSC mitentscheiden. Deutschland, das manche seiner inhaltlichen Warnungen vor einem unkalkulierbaren Einsatz ohne schnelles Ende inzwischen eingetreten sieht, muss seine Enthaltung im UNSC weiterhin gegen Zweifel an seiner Bündnistreue gegenüber seinen NATO- und insbesondere EU-Partnern verteidigen. So sahen sich während der Konferenz sowohl Günter Nooke, persönlicher G8-Afrika-Beauftragter der Bundeskanzlerin, als auch Deutschlands Botschafter in Südafrika, Dieter Haller, in der Pflicht zu größtmöglicher diplomatischer Deutlichkeit: Interpretationen von Deutschlands Stimmverhalten als bündnispolitische Unzuverlässigkeit oder gar als Indiz für einen neuen Sonderweg in der deutschen Außenpolitik seien „absoluter Nonsens!“, so Haller.

Südafrika wiederum, das wie die beiden anderen afrikanischen UNSC-Mitglieder Nigeria und Gabun und wie der Libanon für die Resolution 1973 stimmten, ist mittlerweile verstimmt über deren Implementierung seitens der Interventionsmächte in Libyen und muss seine Entscheidung um so mehr gegenüber den Mitgliedern der Afrikanischen Union verteidigen. Die Libyen-Reise inklusive Vermittlungsversuch bei Gaddafi, die Südafrikas Präsident Jacob Zuma im Auftrag der AU zur gleichen Zeit wie die Konferenz unternahm, steht im Zusammenhang mit dieser komplizierten Positionierung zwischen globalen und regionalem Beziehungsgeflecht sowie den innenpolitischen Entscheidungsfaktoren nationaler Außenpolitik.

Erst recht verglichen mit der kompromisslosen Politik der Vetomächte Frankreich und Großbritannien zeigt das Fallbeispiel Libyen, wie weit die Interessen und Politikansätze auch unter Partnern im UNSC auseinander liegen können. Es zeigt auch die Notwendigkeit einer intensiven inhaltlichen Auseinandersetzung mit Doktrinen wie der „Responsibility to Protect“, die das alte völkerrechtliche Prinzip der Souveränität zunehmend beschränkt, längst aber noch nicht einheitlich interpretiert wird und gerade dadurch missbrauchsanfällig ist. Hier haben die UNSC-Mitglieder untereinander noch erheblichen Klärungsbedarf, wenn die gute Intention nicht als Pflasterstein auf dem Weg in die realpolitische Hölle enden soll.

Globale und regionale Akteure

Weitere Fallstudien auf dem afrikanischen Kontinent verdeutlichen, wie sehr globale Sicherheitspolitik in regionale Rahmenbedingungen eingebettet ist und wie sehr Organisationen wie insbesondere die Europäische und die Afrikanische Union nicht nur die Strategien und Entscheidungen von Deutschland und Südafrika mitbestimmen, sondern selbst auch als sicherheitspolitische Akteure an Bedeutung gewinnen. Roland van de Geer, EU-Botschafter in Südafrika erläuterte, unter welchen Bedingungen die EU bereits heute eine Stimme im UNSC hat. Der ehemalige Europaabgeordnete Jürgen Schröder beschrieb den Konsensfindungsprozess innerhalb der Europäischen Union während der ehemalige Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner auf die die nationalparlamentarischen Verfahren einging. Botschafter Albrecht Conze, derzeit deutscher Vertreter in Simbabwe und von 2004 bis 2006 Stellvertretender Politischer Direktor der MONUC -Mission in der Demokratischen Republik Kongo (DRC), sowie der dänische Botschafter Torben Brylle, der von 2008 bis 2010 Sondergesandter der EU für den Sudan und die EU-Friedensmissionen im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik war, beleuchteten unterdessen zusammen mit anderen Experten die Rollen von EU und AU in den Konfliktherden DRC und Sudan – beide auch in Zukunft wahrscheinliche „Dauerbrenner“ auf der Tagesordnung des UNSC.

Regionalorganisationen übernehmen im zunehmenden Maß in Kooperation mit den Vereinten Nationen oder aber in deren Auftrag die Implementierung von friedenserhaltenden und idealer Weise friedensbildenden Missionen. Dies gilt insbesondere für Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent und verpflichtet nicht nur die EU und die AU zu verstärkter sicherheitspolitischer Kooperation, sondern stellt auch regionale Führungsmächte wie Deutschland und Südafrika vor neue Herausforderungen: Im UNSC bedeutet dies zum Beispiel konkret verstärkte Abstimmungsnotwendigkeit mit den Vertretungen der jeweiligen Partner bei den Vereinten Nationen.

Trotz aller Widersprüche verdichtet sich sowohl in der EU als auch in der AU jeweils der langfristige Trend zu einer verstärkten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. In der Diskussion steht daher auch der Vorschlag von regionaler statt nationaler Repräsentanz für den Fall einer Reform des UNSC. Nicht nur angesichts der auf absehbare Zeit unwahrscheinlichen Durchsetzbarkeit einer solchen Ordnung gegen Vetomächte, werden sich Deutschland und Südafrika, so wurde während der Abschlussdebatte der Konferenz deutlich, weiterhin für einen nationalen permanenten Sitz im UNSC einsetzen. „Der Weg dahin wird schwierig und die Strategien müssen besser abgestimmt werden, aber die Chance ist da“, schloss Dr. Jakkie Cilliers, Exekutivdirektor des ISS.

Fortsetzung des Dialogs

Globale Sicherheitspolitik heißt Verantwortung und, das wurde deutlich, vor allem viel Einsatz und Arbeit im Detail. Der alleinige Wille von Deutschland und Südafrika, demnächst permanent am runden UNSC-Tisch zu sitzen, wird daher nicht ausreichen. Reale Krisen im Verbund zu bewältigen und den kleinsten gemeinsamen Nenner zu vergrößern, lautet die Aufgabe. Die Konferenz in Pretoria hat ihren Beitrag dazu geleistet. Es liegt daher im Interesse nicht nur der Organisatoren, sondern auch des Auswärtigen Amtes, seiner globalen Sicherheitspolitik und seiner Afrikapolitik – in wenigen Tagen wird das neue Afrika-Konzept der Bundesregierung vorgestellt –, dass der gerade erst begonnene Dialog über die UN-Erfahrungen und Perspektiven und Erfahrungen beider Länder nicht abreißt. Eine Fortsetzung der Konferenz in diversen Formaten ist bereits in Planung.

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Jennifer Howe (geb. Schuster)

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